Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Juli
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2801#0045

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
R; 162

Srscheint» MontagS auSgenommen, täglich.
PreiS vierteljährlich 54 kr.

Dienstag, 1L. Zuli

Insertiousgebühren für die Zspaltige Petit-
;eile werdeu mit 3 kr. berechnet.


Bestellungen auf die „Heidelderger
Zeirung" nebst Beilage „Hei-elber-
ger Familienblätter" für das mit 1.
Zuli 1883 beginnende 3. Quartal
werde« fortwährend angenommen.

Die Expedition

* Politische Umschau.

Die Direction der preuß. Ostbahn ist von
dem Handelsmilitsterium veranlaßt, anf den
Restaurationen ihrer Bahn die regierungs-
feindlichen Zeitungen und Zeitschriften zu vcr»
bieten. Jn Folge deffe» haben die Betricbs-
Jnspectioilen Auftrag erhalten, den Restaura-
teuren das Auslegen von Zeitungen, Zeit-
schristen und Blättern, welchen Jnhalts sie
auch sein mögen, ganz zu untersagen.

Wie die „Elb. Z." vernimmt, siud die ge-
drucktcn Einladungsschreiben zu bem am 18.
«nd 19. d. M. staitsindenden Abgeordneten-
sest, soweit solche noch nichl abgesanbt waren,
confiscirt wvrden.

Gegen die sechS Berliner Zeitungen, welche
die bekannte Erklärung gegen die octroirte
Preßordnung erlaffcn haben,' ist, nachdem sie
dieserhalb schon verwarnt worden sind, nach-
träglich auch noch eine Criminal-Unlersuchung
eingeleitet.

Die Freundschaft zwischen Preußen und
Kurheffen ist jetzt so innig, daß dcr Kurfürst
dem preußischen Gesandten in Kassel, Grafen
zu Münstcr, einen Orden verliehen hat.

Jm österreichischen Reichsrath sttht die Bil«
dung eineS volkswirthschastlichen KlubS bevor,
dem sich, wie man hofft, Mitglieder aus allcn
Frakliontn anschlicßen werdcn. Es ist viel
GuteS davon zu hoffen, daß die vvlkswirth-
schaftlichen Zntereffen im Reichsrathe zu einer
selbstständigen Geltung gebracht werden; sie
wird beitragen, die rein politischen Fractionen
über die wirthschaftliche Bedeutung der Tages-
sragen aufzuklären und die Gegensätze auszu-
gleichen. Auf dem Forum dcr Volkswirlh-
schast gibt eS weder Föderalisten noch Centra-
listen, weder Deutsche noch Ungarn noch Sla-
ven, sondern cs gruppiren sich dort die Par-
teien lediglich als gute und als schlechte
Rechner, und die höchste Znstanz für alle
Streitfragen ist nicht, wie bei den politischen
Parteien, das Schwert, sondern daS friedliche
und allgemein verständliche Einmaleins.

Die Kaff. Ztg. erklärt die Nachricht, daß
die kurhesstsche Rcgierung den bapcrischen Punc-
tativnen in ber Zollvereinsfrage beigetretcn,
für unrichtig.

Nachdem die „France", die „Nätion" und
das „Paps" den AuSbruch bes KriegcS alS
höchst uuwahrscheinlich dargestellt haben, er-
klärt heute auch die ^„Opinion Nationale",
diese eifrige Vertheidigerin der Polen, der
Krieg sei jetzt unmöglich, schon wegen der
vvrgerückten ZahreSzeit; „es bleibe nun den
Mächten vorläusig nichts übrig, als an das
väterliche Herz des KaiserS zu appelliren und
und ihn zu bitten, seine verirrten Unterthanen
oicht zu hart zu behandeln."

Wie man aus Paris erfährt, ist daselbst
ein eigenhändiges Schreiben deS Czaren an
Napoleon lll. angelangt, das in den frcund-
schafilichsten AuSdrücken akgefaßt ist und das
baldige Absenden der Antwort auf die fran-
zösischen Änträge ankündigt.

Die Kantone der französischen Schweiz w.ol«
len eine gemeinsame Strafanstalt nach dem
Spstem von Bruchsal errichten.

De « tschlan -

Karlsruse, 11. Zuli. (10. öffentliche
Sitzung ber I. Kammer.) Vorsitz: General-
lieutenant Ho ffmann. Am Regierungslischc :
Staat'sminister llr. Stabel, Staatsrath vr.
Lamep, Geh. Rath vi. Zunghanlis und
Ministerialrath Ammann. Zn Abwesenhcit
der beiden Secretäre versieht Graf v. Ber-
lichingen daS Secretariat. Graf v. K age-
n eck entschuldigt schriftlich sein Ausbleiben mit
Krankheit. Lic Tagesordnung führl zur Be-
rathung der an die Redaktion zurückgewiesenen
Paragraphen des Gesetzentwurfs über die Or-
ganisation der inneren Verwattung. Bericht-
erstatter Bluntschli theilt mit, daß die
Couimission mit der Commission der ll. Kam-
mer stch über die Faffung der Aenderungen der
I. Kammer vereinigt habe. 8 24. Darin
werden unter die Städte, welche Vertreter in
die Kreisvcrsammlung wählcn, alle mit wenig-
stens 7000 Einwohner aufgenommen. 8 26
wirb der letztc Absatz gestrichen. § 27 bleibt
bestehen. § 27 a bas HAusersteuerkapital wird
ausgeschloffen. §30s wird nach der Faffung
der ll. Kammer gcnehmigt. Ebcnso die übri-
gen Paragraphen. Bei der namentlichen Ab-
stimmung wird das ganze Gesetz mit allen
Stimmen angenommem Die Kammer schreitel
zur Berathung des Berichts bes Hofraths llr.
Schmidt über die Abänderung beS § 37 bcr
Verfaffungsurkunde. Nach längerer Discussion
woran Schmibt, Bluntschli, Frhr. v. Göler,
v. Mohl, Graf Hennin, Zolly, Graf Berli-
chingen und Staatsrath Lamep Theil nehmen,

wird dem abändernden Commissionsantrage
entgegcn dem Antrag dcs Gh- Rachs Bluntschli,
der Adreffc der ll. Kamincr beizutreten, mit
7 gegen 6 Stimuien angcnommen und eine
Erklärung zu Protokoll zu geben, daß mau
nur dem Principe nach beitrete.

Schmidt erstattct Bericht über die leßten
Anträge derll. Kammer an demGcsetzeSentwurf
über den Vollzug der Arbeitshausstrafe in Ein-
zelhaft. § S der I. Kammer, die wciblichcn
Sträflinge betreffend, svü nach der II. Kammer
gestrichen und dafür ein dcsfallsiger Wunsch
zu Protokoll gegeben werdeu. Da der Ent-
wurf nur von männlichen Sträflingen handelt,
so will die Commission dem Beschluffe der ll.
Kammcr beitreten unb stcllt dahin ihren An-
trag. Die Kammer stimmt nach einer bezüg-
lichen Bemerkung desGch.Rathes llr.Zung-
hanns bei. Der neue 8 6 der II. Kammer,
die Rückwirkung des Gesetzes auf die schon
Abgeurtheilten betreffend, erhält ebenfallS dic
s Zustimmung dcS Hauses. Bei der uament-
sschen Abstimmung erhält daS ganze Gesetz
einstimmige Gcnehmigung.

Karlsruhe, 11. Zuli. Die erste Kammer
hak heutc auch ven Entwurf der Strafproceß-
ordnung durchberathen, und denselben mit
einigen Aenberungen einstimmig angenommen.
Ebcnso wurdc dcm Kommissionsantrag ent-
sprechend von 7 gegen S Stimmen beschloffen,
daß auch bei dcn Amtsgerichten der mündliche
Anklagegrundsatz durchzusührcn ist. (L.-Z.)

Heidelberg» 9. Juli. (Fortsetzung
der Thesen für bie Berathung der Beiräthe.)

8. 20. Der OrtSschulrarh besteht aus be-
rufencn und ans gewählten Mitgliedern. Be-
rufene Mitglieder sinv: 1) der OrtSpfarrer,
bezw. je ein Pfarrer der beiden Confessionen;

2) der Bürgermeister oder' ein von dem Ge-
meinverath gewählter Steüvertreter desselben;

3) der Lehrer, bezw. der erste Lehrcr jcder
öffentlichen Volksschule deS Orts; 4) der Bor-
stand der gelehrten Schule und der höheren
Bürgerschulc, wenn solche Schulen im Orte
sind; 5) ber AintSarzt in Orten, w» ein sol-
cher angcstellt ist; 6) der Rabbiner, bczw. ein
Mitglied des SpnagogenratheS, wenn eine
israelitische Gemeinde im Orte ist. Hierzu
treten bie auf 6 Zahre gcwählten Mitglieder,
deren Zahl jedenfalls größer als die der Bc-
rufenen sein soü.

8. 21. Der Vorstand des Ortsschulrathes
wird von den Mitgliedern desfelben auf 6
Zahre gewählt und von der obcren Aussichts-
behörvc bestätigt. Der Ortsschulrath wählt
ferner aus seiner Mitte eincn oder mehrere

Die Berlincr Straßenexccffe.

(Schluß.)

UNter solchen Verhältniffcn darf man fich nicht
:bcn wündcrn, wenn tagtäglich Reibungen und
Fcindsellgkciten zwischcn Wirth und Miethcr zum
Ausbruch kommen. Das hicsigc Siadtgericht hat
allc Hänoc voll mit Entschcidung dicser Strcitig-
kctten zu thnn und dle Zahl der Ermissionsklagcn
dürftc fich in cincm Zahre auf mehrerc Tauftnd
belaufen. Eine solche Ermission ift nun in der
vcrgangcnen Wochc der Grund zu höchst bedaner-
lichen Erceffen gewordcn, welche fich B.bend sür
Abend wiederholtcn und cine in der That bcdcnk-
liche AuSdehnung gewonnen habcn. Ein Cafötier
mit dem nicht scltencn Namen Schulze hatte »on
eincm chrsamcn Schneidermeistcr ein gcräumiges !
Geschäftslokal gemiethet, unter der Bedingung, ^
keine Veränderung in demselben ohne Erlaubnlß
deS WirtheS »orzunehmen. NichtSdeftoweniger stellte
cr i» ftiucr Wohnung einen ober mehrere cisernc
Oefen auf, worauf die Ermisfionskiage erfolgte

und auch gcgen den Miether erkannt wurdc. Am
nächstcn Tagc klebtcn an dcn dret Fenstcrn deS zu
ebencr Erde gclegenen Lokals groß gedruckte Pla-
katc folgcndcn ZnhaltS: „Warnung! Wegen Auf-
stellung cineS eiserncn OfcnS bin ich durch Ermis-
sion gcnöthigt, mcin Lokal zu schließen." — Dics«
Warnung verfehlte nicht den beabfichtigten Zweck;
die Vorübcrgehcnden wurden aufmerksam und sam-
mclten fich vor dcm Hause. Bald füllten fich die
Räume der'Schulze'fchen Wohnung mit Gästen,
welchc dcm Bicr und anderen Getränkcn so sieißig
zusprachrn, daß fic fich tn erh'öhter Stimmung bc-
fanden. Der LLrm wurde immer größcr, tmmer
wilder. DaS Publikum malte, um dcn Wirth
wcgcn fttnes HandwerkS zu »erhöhnen, Zicgenböcke
an die Wand, r!ß an dcr Klingcl sciner Wohnung,
sragte ihn spöttifch, ob er Willens sei, ftin in
Folge der Warnung entwcrthctes HauS billig zu
verkaufen und vollführte so jcdcn nur erdenklichcn
Schabernak, indcm eS aus nahc licgendcn Grün-
den die Partet deS exmtttirten Micthcrs nahm.
Von Stunde zu Stunde wuchS der Auflauf, wel-
cher gegcn Abend bereits etne so bcdrohliche Gestalt
annahm, daß zwolf rcitende Sckutzleute aufgebotcn

«erden mußtcn, ohne daß es dtesen gelang, die
angewachsene Menge zu zcrstreuen.

Jn Lcm ausgezeichncten Roman .die Verlobien"
von Manzoni gibt der berühmte ttalienische Dichter
einc bewunderungSwerthe Schildcrung einer Brod-
Emeute in Mailand, woran unwillkürlich die ge-
genwärtige Wohnungs-Emcute in Berlin erinnert.
Hicr wie dort gab eine an sich geringfüglge Ursache
dtc Vcranlaffung zu einer Bcwegung, dlc wie ein
in das Waffer geworfener Stcin immer «eitere
Krcise schlägt und in Mitleibrnfchaft zieht. Der
ursprüngliche Straßenscandal hat durch die Bethet-
ligung der zu allen Zeiten lcicht bcwegten Mengc
etnen bcdrohlichen Charaktcr angenommen. Zu de»
anfänglich Bctheiiigtcn geselligte fich die Schaar der
Ncugiertgen, „Bckannte und Fremde, ohne vorher
dcshalb übereingckommcn zu sein, wie Tropfen,
die einander auf demsclben abschüffigcn Dache bc-
gegnen, in Krciftn, in cinzelnen Haufen zusam-
mengerottct." Bald erschien auch das gefährliche
Gesindcl, welches tn keiner großen Stadt und am
wenigsten bei einem Auflauf fehlt; meist unnütze
Buben von 16—18 Jahren, liederlichc Dirnen mit
ihrcn sogcnannten „LoniS", die stets mit der Polizei
 
Annotationen