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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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November
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https://doi.org/10.11588/diglit.2801#0493

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M 274.

-rscheint, MoytagS auSgenommen, täglich.
PreiSMerteljäbrlich 5t kr.

Samstag, SL. November

ZnsertionsgebShren für die Sspaltige Petit-
;eile werden mit 3 kr. berechnel.

^ Die Wendung in der

holsteinischen Frage.

D,r am 15. b. M. erfolgte Tod des Königs
von Dänemark ,st ein Ereigniß von grvßter
Tragweite. Nachdem bereils einige Mongte
vorher (am 29. Jnni) der frühere präsum-
tive Thronsolger, Erbprinz Ferdinand, der
kinderlvse Oheim bes Köuigs, geftorben ist,
erlischt nunmehr mit dem Tode des KönigS
Friedrich Vil. definitiv das in Dänemark, und
zngleich vermöge Personalunion in dcn deut-
schen Elbherjvgthümerii regieretide Herrscher-
geschlecht, welches die ältere Linie des oldeu-
burgischen Hauses ist. Zeßl ist jener Faü
eiiigtireten, der bereits seit dem sog. offenen
Briese (v. I. 1848) seine Schatten in die
Zeilgeschichte vorauswarf, deffen mit Wahr-
scheinlichkeit vorairsgesehenes Eiiilreteii skit
jcner Zeit die Berhältnisse zwischen Dänemark
einerseits und den Herzogthümern und Deutsch-
land anderseits beherrschte, und dic schleswig-
holsteinische Frage in ihrer jetzigen Gestalt
großeutheilS geschaffen hai. Bon Rechtswegen
soü nun in Dänemark und den Herzogthümern
das Thronrecht an zwei vcrschicdene Fa-
milien übergehen, und sonach die Trcnnuiig
chieser beiden, nur durch Personalunion ver-
bundeiien Lande von sclbst eintreten. Jn Däne-
mark besteht (oder bestaud bis 1852) das sog.
Königsgesetz, nach welchem auch die weibliche
Linie (kie Cogiiaten) thronberechtigt ist ; in den
Herzogthümern aber gilt die agiiatischc Erb-
solge als gewöhnliches fürstliches Erbrecht,
wonach die männlicheu Adkömmlinge eineS
weiblichen Familiengliedcs (Cognaten) ausge«
schloffen sind. Die nächste» Agnaten stnd nun
die Herzoge von Schleswig-Holstein-Aügustcn-
burg (als jüngere Linie des oldenburgischen
Hauses), an welchc daher die Thronfolge in
den Herzogthümcrn Schleswig, Holstem und
Lauenburg jetzt krast Rechles überzugehen hat.
Um diesen Fall abzuwendcn, wvmit natürlich
das Zerfaüen der dänischen Gesammtmouarchie
verbunden ist, hat schon der Valer des jetzigen
Königs Christian VII. im Zahre 1846 seinen
offenen Brief erlaffen, durch dey er die cogna-
lijche Erbfolge, die für Dänemark gilt, auch
aus die deutschen Herzogthümer ausdchnen
wollte. Leider ist dieses Project nach Been-
digung des crsolglosen Krieges (im Jahre
1848—1850), gelegentlich der Londoner Ver-
träge (1852), von den betheiligten Großmäch-
tc« advptirt, und auch von Preußen und
Oesterreich (nicht aber vom deutschen Bunde)
angenommen wvrden. Hierdurch wurde die

dänische Monarchie für ein züsammengehöriges
Gänzcs erklärt, und das Thronivlgerccht auch
für die Herzvgthüiiier aof den iiäch'sten Cogna-
ten, den dänischen Thronfolger, Prinz Chri-
stian von Schleswig - Holstein - Glücksburg-
Sonderburg (der sog. Protocollprinz, Baier
des jetzigen Königs von Griechenlanb) über-
tragen, unter Ausschluß ber erbberechtigten
Agnaten, der Augustenburger. Diese nun aber
haben auf ihr Thronsolgerecht in den Herzog-
thümerft nicht verzichtet, und stnd, nach den
neüesten Rachrichten, im jetzigrn eiilscheidenden
Augenblick entschloffen, es znr thatsächlichen
Geltung zu bringen. Zhr Bcginneu, womit
das gute Recht des deutschgesinnten Volkes
in den nvrdischen Herzogthüuiern unzertrenn-
bar verknüpst ist, findet bereits einc» viel«
scitigen Widerhall in der deutschen Preffe,
bei dem deutschen Volke und selbst schon bei
kinigen kleinen Höfen, von denen eine Aner-
kennungdes guten Rechtes,der Augüftenburger
Linie bereits erfolgt ist. Wird Deutschland
in diesem entscheidcnden Augcnblick niehr Willen
und Krast, alS es seither in diescr Frage ge-
zeigt hat, aufzubringen wiffcn, üm etüem deut-
schen Fürstenhapsc, einem deutschen Kronstamm
und fich selbst sein Recht an jcne nordischcn
„meerumschlungenen" Lande zu wahren? Oder
wird es jene sich und ihrem Schicksalc, die
Herzogthümer aber — vielleicht aus immer,
da ein sö günstiger, entschcidungsvöller Au«
genblick nicht leicht wiederkehrcn dürfte —
den Dänen überlaffen? Mit der Bündesere-
cutio» ist es jetzt nicht mehr gethan: diejelbe
tritt factisch in den Hintergrnnd, und hat
rechtlich ihr Object verloren; sie könnte daher
nur einem Bundeskriege Platz machen.

(Zur S ch l es wig - Ho lste in' schen
Sache.) Jn dem Londoner Proiokoll von
1852 ist die Zniegrität der däiiischcn Monar-
chie uiid die Thronfolge des jetzigen Königs
Christian IX. für wünschenswerch erklärt,
aber keineswegs gärantirt. Oesterreich u»d
Pceußen haben dieses Protokoll unter der
Bedingung genehmigt, das Schleswig nicht
in Dänemark incorporirt werde, und die An-
sprüche Deutschlands auf die Herzogihümer
gewahrt würden. Der Versuch der Jnkor-
poration ift von dem König Christia» IX.
durch die Unterzeichnung des neuesten bänischen
VerfaffungS-Gesetzes förmlich vollzogcn, also
sind Oksterreich und Preußcn der Verbinvlich-
kciten ledig, welche sie durch die Unlerzeich-
nung des Londoner Protokoüs überiioinmen
hatteii.

Wie aber auch die beiden deutschen Groß
mächte zu der^rage stehen mögen, für das
schleswig-holsteinische Volk, wie sür den deut-
schen Bund können aus dem Loudoner Proto-
ksll keincrlei Verbindlichkeiten hergeleitel wer-
den, wenn man nicht beu Unterzeichnern des-
selben die rcchtliche Befugniß zUschreiben will,
über i>ie Thronfolge und die Verfaffung der
europäischen Länbcr ohne Ansnahme zu dispo-
niren und sich nach Willkür in ihre inneren
Verhältniffe einzumischen. Uebrigens hat in
jedem Lande, in welchem eine ständische Ver-
tretung besteht, nicht einmal der Landesfürst
das Necht, einscitig über Thronfolge und
Verfaffung zu dispouiren; es stnd vielmehr
beide an die Zustimmung der Landesvertre-
tung gebunden.

Was aber iiisdesondere Holstein und Lauen-
burg betrifft, sv ist die legitime Erbfolge in diesen
Herzogthümern auch von der Genehmigung
des deutschen Bundes abhängig, denn der
Bund ist durch seine Grunbgesetze verpstichtet,
die legitime Thronfolge, also in diesem Fall
die Erhcbung des Erbprlnzen von Außusten-
burg auf den^Thron von Holstcin, zu schUtzen
und jeden Angriff auf dieselbe mit allen Mit-
telu zurückzuschlagen. Seit dem 15. Novem-
ber ist Herzog Friedrich, nicht Christian IX.,
der lcgitlme Regcnt von Holstein und jeder
Regierungsakt, der im Namen Christian IX.
vorgenommen wird, ist null und nichlig; jebc
Verbindung der Regierung, der Armee, der
Finanzen Holsteins mit der Kopenhagener
Regserung, den Truppen und dkm Staats-
haushalt Dänemarks sind aufgehobeij. Ein
Bersuch, in Holstcin die Regierungsgewalt
Christian's IX. einzuführen, bildet einen An-
griff auf die Znlegrität Deiztschlands, und
muß mit derselben Eiiergie/ zurückgkwiesen
werden, als wcnn Napoleon III. versuchen
wolltc, in Köln, vder Alerandcr pon Rußland
in Breslau Regiernngsakte vvllziehen zu laffeu.

Schleswig soll nach uraltem Rcchte stets
dieselbe Negieruug haben; als Holstein. Der
regierende Hcrzog in Holstein ist an und für
stch auch Herzog in Schleswig; der jetzige
Herzog Friedrich von Holstein besttzt rechtlich
das Herzogthum Schleswig als außerdeutschcs
Land, in derselben Weise, wie der Kaiser von
Oesterreich neben seincn deütschen Ländern noch
in Ungarn, Galizien, Siebenbürgen ic. Lan-
desherr ist, der König von Preußen in Posen
nnd Lstprkiißen, der Grvßherzög pvn Lurem-
burg in Hoüand.

Dicse Sächlage ist klar genug, und hat be-
reits Koburg, Weimar, Meiningen, Baden und

Die Fliege.

Einc ErzLhlnng von Thekla Suenssön.

(Fortsetzung.) !

Spätcr ging es mit dcn Eltern mchr und mchr >
bergab. Dcr Vater mußte mchrcrc Monatc daö !
Bctt hüten; bic Mutter »crlor dcn Muth — sie !
gchörte nicht zu ben Starken i» dcr Stundc der
Prüfung, und AUcs vor ihncn sah dunkel auö. !

Ein Anberer hattc bcn Platz dcs Vaters auf >
dem Lvmptoir brkommcn und cr fand nirgendS
cine ncue Anftcllung; schwach war er auch noch,
gclb und cingesallcii; krastloö wanktc cr umher,
und oft strccktc Ulrikc in dcr tödtlichsten Angst dic
klcincn Arme aus, um ihn zu halten.

Eines AbendS — dag war ein schrcckliches Wettcr,
das stürmte und rcgnete, dic Fensterläden klapper-
tcn jammernd und M den Birnbäumm dcs Gar-
tens schricn die Eulcu.

Die Mutter war »erzwcifeltcv als jc; sic saß in
der Ofencckc, hielt thrc Hiinde »or dic Augen und
schluchzte leise.

Ulrike hatte in einem Buche gelesen. Nun erhob
sic dcn Kopf und sah nach der Mutter. Lautlos
schlrch sie zu ihr hin, legte die Arme um ihren
Hals und küßte ihre Thränen fort.

Da trat der Vater herein. „Guten Abend!"
sagte cr.

Verwundert sahen Beide auf; es war lange, stit
er „Guten Avend" gesagt, wcnn er helmgekommcn.
Er blicb einen Augenblick stumm an der Thüre
stehen, sic sahen ihn an und cr sah sie an. Jhre
Augcn standen voll Thränen und stinc Augen
strahlten »on unterdrückter Freude. Nun sahen sie
das crst, nnn, da cr stine Armc öffnete. Bcide
stürzten hinein und er flüsterte:

„Kindcr, wir sind gerettet."

Am nächsten Morgen «ar Leben und Bewegung
in dem klctnen Haust.

Dic Mutter schlug Triller wic eine junge L-rchc.

Der Vater «är schweigsam; er stand am Fcnster
und fah zum Himmel hinauf. Ulrikc stand an
stiner Seite und sah ihn an; unwillkürlich faltete
ste thre Hände; eS war, alS vb fie eln Gebei, .ein
Dankgedet in dcm Blicke des VatcrS las.

ES war stit gesrcrn so vtel veräntert. Der armc
^ Schrciber war nun eincr der reichsten Männer der e
f Stadt: der altc Kausnianii, dcr Onkel, der ihm
! nte die Hand im Leben gcreicht, war nun Plötzlich
todt und hatte ihm, dem einzigcn Erhcn, stin
ganzcS Vermögen, stin prachtvoll eingerichtetes
! Haus und stin großes Geschaft hinterlaffen.

DicS war ein Sprung, ein ßefährlichcr Sprung

> — von arm zu reichl Es gchörs cin fefter Eha-
! rakter, eine unendliche Gottcsfurcht dazu, cinen so

unerwarteten Wechsel zu Gottcs Wohlgefallcn und
stinem eigcncn Segcn zu tragen.

War es vicllcicht ktwas Achnkichcs, was der
^ Vater tn dicstin Augcnblicke sühlte, als sti» Blick
! so fiöhlich und doch so ängstiich, so dankbar und
! doch st> fleheiid zum Htmme.l aufsah? — War es
daö Gcfiihl, das cinen Wiedcrklang in Ulrikens
jungör Scele sand — das fie auf cüimal Krende
und Wehmuth fühlcn ließ und sie fast zu Thränen
brachte? ,

Aber dst Muttrr war srvh. Sic sang, fie jubelte
und kam lärmend hercin.

„Nun, klcinc Ulrike, nuu iollsi Du stngrn, tan-

> zcn und spstlen lernen. Du sollst in Sammt und
 
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