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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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Oktober
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M 2SV

Erscheint» MontagS ausgenoinmea» taglich.
preiS vierteljährlich 5L kr.

Sanrstag, 24. October


L8«3.

Die Leipziger Zubelfeier uud die
preußische Lberhoheit.

ES ist sehr z» befürchie», daß der kürzlich
in Leipzig von den dori versammelten Mit-
gliedern des Rationalvereins, zumeist von
Preußen, gefaßte Beschluß, wodurch abermals
und wider Erwarten dte preußische Hegemonie
in den Vordergrund gestellt worden ist, nichts
Gutes erwarten läßt, und daß derselbe, an-
statt den Anfang einer Elnlgung Deutschlands
zu bilden, nur zu einer wetteren Entzweiung
führen wtrd. Fast wte eine Jronie des Schick-
sals kltngt es, daß dteselbe Stadt und derselbe
Tag, durch deffen Ertnnerungsfeier ein großer
Schrttt für die Etnigung der deutschen Nation
geschehen soüte, dazu auserkoren worden tft,
den preußtschen Oberhohettsstaat, d. h. etn
halbes Deutschland, ein Deutschland ohne
Ocsterretch, Bapern, Württemberg, Heffen,
Haunover, Sachsen und die Hansestädte, also
etn gelhetltes und zerriffenes Deutschland, auf
die angeblich nationale Fahne zu schretbe».
Täusche man stch ntcht, tn dcn eben genannten
deutschen Staaten stnd es, wte Manche sehr
irrtg wähncn, ntcht die Regterungen alletn,
welche der preußtschen Führerschaft abhvld
sind, sondern es will hiervon auch bet wettem
der grvßere Thetl des Volkes etnmal entschie-
den nichts davon wiffen. Täusche man sich
auch darin nkcht: Der sog. Bundesstaat mil
etiihetlltcher Centralgewalt tn der Hand Preu-
ßenS tst ketn eigenllicher Bundcsstaat, svndern
nur etn Zwttterding zwischen etnheitltcher Mo-
narchte und Bundesstaat, etne doctrinäre Form,
Leren praktischer Verwirkltchnng jetzt aüe
Wußerc Verhältniffe entgegcnstchen, und welche,
wenn überhaupt auSführbar, ohnc etnen vor-
ausgegangenen Bürgerkrteg niminerinehr tns
Leben treten könnte. Zwar wtrd zugegeben,
daß in dcn Jahren 1849—50 stch dte äußcren
Verhältntsse der Aussührung jener Jdee weit
günsttger zetgten; damals stand man am
Abschluffe etner Revolutton, welche eine radi-
cale Aenderung, um einc fcstere Äestaltung
Deutschlands zu bewirken, nahe legte, heute
stehcn wir in der Mttte einer Neforinbewe-
gniig. Damals fehlte nicht 'nur Deutschland
tm Ganzen etn etntgcndes Band, sondern je
klctner etn deutscher Staat war, um so mehr
mußte er sich auch nach der ersten besten Stütze,
setner Eristenz wegen, umsehen. Während
Preußen damals setne Krast gesammelt hatte,
blutete Oesterreich auS tausend Wunden. Heute
lebt tn ihm, wtc seibst vvn setnen sonsttgen
Gegner» ancrkannt wird, ctne neue Krast tm
Gciste der Jktztzett mtt mächtigem, verjüngcn-

dem Tretben auf. Damals stand Oesterreich
ani Ende der langen Metterntch'schen Pertode,
welche strenge Absonderung von Peutschland
bedeutete, und eS schien, als wollte die Krem-
sterer Retchsverfaffung nur das Wiederaufle-
ben jener Periode bcdeuten, und jeden tnnigc-
ren Anschluß an Deutschland unmöglich machen.
Heute tst ric Politik Oesterretchs auf engere
Bundes-, Rechts- und volkswirthschaftllche Ge-
metnschaft mit Deutschland gerichtet; bie Ceiz-
tralverfaffung jeneS Staates ergrcift aber nur
etuzelne Gegenstände. Damals glaubte man,
dte Wendung ber Dtnge, welche tn Prcußen
und Oesterrctch eingetreten war, werde Preu-
ßcn zu eincr sortschreitendcn coiistituttoncllen
Lntwicklung in ltberalem Stnne führen, Oester«
retch aber auf etne unberechenbar lange Zest
in den Absolutismus zurückwerfen, und man
glauble in der Verbindung der Geschtcke
Deütschlands mit denen der hohenzvllern'schcn
Dpnastte auch ver Fretheit der constttutionellen
Entwtcklung Deutschjands einen Dtenst zu er-
welsen. Bekanntermaßen tst ebe» AlleS ganz
anders gekommcn, und es tst daher nur tief
zu beklagen, weun man von Setten Solcher,
die doch Freunde dcs Fortschritts setn und
bletben wollen, tmmer wieder auf die über-
wuiidenc Form des prenßischen Oberherrltch-
keitsstaats zurückkommt. Dte Jdee etner sol-
chen staatlichen Form ist nberbies durch dte
Geschichte gerichtet: Sie kam vor im alten
Griechenland, und trug nur dazu bei, dic
Uneinigkeit der griechtschin Lande und Völker-
schaften zu vermehren, und deg gänzlichen Ver-
luft dcr Unabhängigkett zu fvrdern; ste kam
scrner vor zu Zetten des Rheinbundes, worüber
wir ketn wetteres Wort zn verlieren haben.
Die Etntgkett Deutschlands zu erztelen, dies
kann heut zu Tage nur dadurch bezweckt wer-
den, daß man die Partcien, dte vom Getste
der Gegenwart erfüüt stnd, und deshalb dte
große Mehrheit der Natton sür sich haben,
sammelt und vereinigt, das Bewußt-
sei» der Zusammengehörigkeil ves ganzen
Deutschlands bet vem Volke sortwährend wach
hält, und ntchk über Bestimmungen «ines
Programms streitet, welche doch nur auf
blultgem Wege zu erretchen stnd.

Dre am Tage nach dcr Rattonalveretnsver-
sauimlung, am Haupttage ber Festfeter, bei
der aügkmeinen Festversammlung gchaltenen
Redeu und sonstigen Vorgänge, dte nicht ent-
fernt einen erclustv kleindeutschen Charakter
trugen, ja zu diefcm in offenbarem Gegensatze
stanben, sprechen klar und unumwunben für
die oben ausgestellten Ansichken.

* Politische Umschau.

Die gcsetzgebende Versammlung i'n Frank-
furt hat de» Antrag des Senats auf Bewilli-
gnng etoes Bettrages von 2000 fl. zu dem
dem Mtntster Frhrn. v. Stein in seiner rhci-
ntschen Heimath zu errtchtenden Denkmale,
ohne Debatte angenommen.

Nach dcm „Fr. I." werden. die tn Nürn-
berg zusammentretcnden Mtnisterial-Conferen-
zen der Reformstaaten von den freien Städten
ntcht beschickt werden.

Der „Nürnb. Corr.", eine« der bedeutend-
sten großveutschen Organe, crklärt stch gegen
dte beabstchttgte besonderc Vercinigung groß-
beutscher Blätter, welche vor der Vcrsamm-
lung des großdeutscheu Reformveretns zu
Frankfurt abgehalten werden soll.

Dte Zahl der bei der Leipziger Octoberfeier
vertretenen deutschen Städtc war näch der
„D. A. Ztg.» 205.

Aus cinem großen Thetl der Provinzen sind
bereits die Resultate der Wahlen auf tele-
graphischem Wege gemeldet. AuS Ostpreußen,
Pommern, Schlesien, ja dcr Mark Branden-
burg wtrd von überwiegenden Wahlsiegen der
Fortschrittspartei svwie des linken Centrums
berichtet. Von dem platten Lande fchlen noch
bte Nachrtchtcn. Die Vvrversammlungen lie-
ßen indeffen ähnliche Resultate vorhersehen.
Das Volk hat jedenfalls seiue Schuldigkeit ge-
than und mit diesem Bewußtsein wtrd es
Allem, was die Zukuujt über Preußen ver-
hängen kann, ruhig entgegensehen.

Dte Feudalen stnd jetzt darauf vcrfallen,
betm Köntg um die Genehmtgung der Candt-
daten dcs AbgeordnetenhauseS einzukommcn.
AuS der Ostpriegnitz haben sie an ihn ge-
schricben und angefragt, ob er nichts wider
die Wahl des Prästdenten v. Jagow, des Ber-
Itner Stadtgerichtspräsidcnten Breithaupt und
dcs Vorstehers der patriotischen Verctntgung
Majvr v. Blücher einzuwenben habe; und dcr
Köntg hat thnen folgendc Antwort crtheilt,
dte ver betreffende Landrath im Kreisblatt
,zur Beherzigung" der Wahlmänner publtctrt:
„Babelsberg, ben 16. Oct. 1863. An Herrn
von Zena-Nettelbeck. Jch bin einverstanden
mit dcm mtr vorgelegten Vvrschlage der drei
Wahlcandidaten nnd gebe ihnen die erbetcne
Ermächtigung. Wilhelm."

Die Mttglieder des Nationalfonds haben
den Beschluß gefaßt, allen Wahlkreiscn, welche
die Wahl aus liberale Beamte richten, die Er-
stattung der StellvertrelungSkosten im'vollen
Betrage zuzusichcrn.

Paris. Der bekannte, vicl gcglanbte und stark
angezwctfelte Wetter-Prophct Mathicu de la
Drome hat wicder am 9. October ein Schreibcn
an den Präsidenten dcr Akadcmie der Wiffenschaf-
ten in PariS gerichtet, welches cr zugleich den
mclsten französischcn Blättern zur Veröffentlichung
übersanbt hat. Zndcm er sich anf setne am 23. Ja-
nuar veröffenttichte Note bernft, gibt er unter Än-
derm namentlich folgende sehr detaillirte Prophe-
zciung fnr den bevorstehenden December: Der
Deccmber ist besonoers zn sürchten. Die zwanzig
ersten Tage werden ungehenrc Maffen Waffer gcben,
in Form von Rcgen oder Schnec; eS wcrden gc>
waltigc Orkane, namentlich gegen den b. und 6.,
vorkommen. Nene Windstöße nnd ncue bedcutende
Wafferniederschkäge tn den scchs lctzten Tagen De-
cemberS »dcr den drei oder vier crstcn Tagen Ja-
nuars. Hcrr Mathieu kann nicht genau sagen, ob
dtescS Waffer als Schncc oder tropsbar flüssig her-
abfallcn wtrd, aber er behauptet, daß, «cnn drci
Vicrtel der Mcnge deS WafferS, welcheS im De-
cembcr in dcn Obscrvatorien von Paris und Gcnf
gesammclt werden wird, als Regen niederficl, so

scien Unfälle zu bcfürchten, welche ungefähr, wie
folgt, nach einander kommen würden. Vom 1. bis
10. Äustritt dcr BLchc; vom 10. bis 20. AuStrttt
der Alüffe, spätrstens vom 28. December bis 5. Za-
nuar AuStritt der Ströme, namentlich der Rhone
und viellcicht der Seinc. Dteser lctztc Strom wird
zum allcrwenigstcn cin Ntveau erreichcn, «elchcS
sür die Keller in den niedrigeren Gcgenden von
PartS beunruhigcnd setn wird. Die Mehrzahl der
Klüffe und Ströme, wclche vor dem 28. aus ihrem
Bcttc getrcten sein werden, werden zu dicser Zcit
von Neuem zu wachfcn anfangen, während etwa
acht Tagen. Aber «enn diese Nicderschläge größ-
tentheilS alS Schnee sich einstellen werdcn, was
sehr zu «ünschen «äre, so werden fich dte Nnglücks-
fälle auf Lawtnen in dcn Gebirgcn beschräiikcn.
llntcr einer oder der andcra Form «ird fich dic
Waffcrquantität im Dccembcr im Observatorinm
von Genf dem Dreifachen der gewöhnlichcn mittle-
re» Quantität nähern, welcheS ein seltcner, sehr
gsfährlicher Fall ist.

AuS den Verhandlungen der naffauifchen Kam-
mer ersährt man Genaueres -ber daS Erträgniß

deS HazardspielS zu WieSbaden und EmS. DaS
Hazardspirl hat nämlich crgeben:

in WieSbaden

dcr Rohertrag dcr Reinertrag



fl. '

fl.

1857.

Sommer

556,825

292,631



Wtntcr

91,217

28,988

1858.

Sommcr

786,463

394,206

-

Wtnter

275,242

124,409

1859.

Sommer

637,885

311,185



Wintcr

322,536

222,222

1800.

Sommcr

822,484

486,791



Wintcr

293,385

173,287



in

EmS


dcr Rohertrag

der Reinertrag



fl-

fl.

1857.

Svmmer

400,566

251,832

1858.

Sommer

314,451

175,589

1859.

Sommer

.294,800

157,263

1860.

Sommer

360,618

167,140

Wie viel Blut mag an diesem sogenannten„Rein-

rrtrag" hangen?

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