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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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Oktober
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https://doi.org/10.11588/diglit.2801#0397

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Deutschla« d

Karlsruhe» 21. Oct. Wie ras gr. I.
mit Bcstmimkheit vernimmt, ist es die Absicht
des Justizministeriiims, die Gerichtsorganisa.
tion mit 1. Juni k. I. einzuführen. Gleich-
zeitig hört man, daß wegen Mangels an taug-
lichen Räumlichkeiten das nach Karlsruhe be-
stimmte Kreisgericht vorerst in Bruchsal ver-
bleiben soll bis zur Hersteüung des Justiz-
palastes in Karlsruhe, d. h. iu inknitum.
Sollte die letzte Nachricht sich bewahrheiten,
so würde der seltsame ünd unglaublichc Fall
cintreken, daß dic Hauptstadt Badens mit
27,000 Seelen kein Gericht erstcr Jnstanz
besäße.

— Mannheim, 22. Octbr. Jhr Blatt
hat gestcrn die Nachricht gebracht, daß Jo-
hannes Ronge und Friedrich Ducstt von dem
Bezirksgericht zu Mainz zu einer ansehnlichen
Geld- und Correctivnshausstrafe verurtheilt
wurden. Aehnliches ist bekanntlich den Heraus-
gebern der Frankfurter Latern, den Herren
Stvlze und Schalck, schon mehrmäls von Sei-
ten kurhesstscher und prenßischer Gerichte ge-
schehen, ohne daß es für die Verurthcilten
eine andere Folgc gehabt hätte, als daß ihr
ungezügelter Humvr dadurch ncue Rahrung er-
hielt. Unser erster Gedanke bei svlchen Mit.
theilungen war immer, daß die so oft und mit
Recht beklagte Zerrissenheit Dcutschlands doch
anch ihr Gutes hab< nämlich das: daß, wenn
in dem einen Staate das frcie Wort verfolgt
wird, es iii' dem andern eine Freistätte findet.
Hättcn jene Verurtheilten dem Centralstaat
Frankrcich angehört, so würden sie dem Arm
des Gerichtes nicht entronnen sein, falls sie
sich demselben nicht durch die Flucht cntzogen
hätten. So abcr sitze» Ronge und Ducat,
Stolze und Schalck stcher und geborgcn in der
freicn Reichsstadt Frankfurt und lachen über
ihre papierne Verurtheilung, gleich jenen von
dem Arm der Jnquisition nicht erreichten Mär-
tyrern, welche iu eKiAio verbrannt wurven.
Freilich müffen sich die genannten Herrcn hü-
ten, gewifse Grenzen nicht zu überschreiten,
was namentlich dcn Herrcu Vtolze u. Schalck,
welchen das kurhesstschc Gebiet so nahe liegt,
bisweilcn etwas unbeqnem scin mag. So lange
aber ein einiges sreies Deutschland noch zu
den frommen Wünschen gehört, wollen wir
znfrieden sein, daß es in dem großen Vater-
lande wenigstens einzelne Districte gibt, in
denen man 'sich freier bewegen kann.

Stuttgart, 19. Oct. Zn einem Bericht
dcs „Frankf. Journals" über die Feier des
18. October heißt es u. A.: „Alles hat seine
Schattenseite, und fast wäre es Denen gelun-
gen, die katholischer stnd alS der Papst, Miß-
töne in das Fest zn bringen; wir wollen hier,
als an's Hannoveranische anstreifcnde Curio-
fitäten, folgende drei verbürgte Thatsachen mit-
theilen: Ein geheimer Corpsbefehl verbot dem
Militär, sich, wenn auch nur privatim, zu
bktheiligkn, weil man mit dem Nachbarstaate
nun 50 Zahr'e im Frieden lebe. Diese rüh-
rende'Delicatesse entzvg einen Theil des Volkes
dem Nationalfcste und seinen Wirkungen, die
gewlß bci ihm am besten angelegt gewesen
wären. Statt des angesagten «Wilhelm Tell"
wnrde Haus Hubsburg zu Liebe, welches
schleckt in demselben weggekommen, sehr pas-
send der „Götz" als Festvorstellung an dem
Tage, wo der Einheitsgedanke sich zuerst be«
thätigte, eingeschoben. Das Schönste aber
kommt noch. Die städtischen Geistlichen leben
iii Amtswohnungen; plötzlich wurde auf dem
Fi'nanzminlsterliiui ruchbar, aus Staatsgebäu-
den bei dcr Geistlichkeit wallcn drutsche Fah-
nen. Das Gleiche sei dcr Fall in der Real-
schule. Es war nur zu wahr, die Beamten
hatten sich aus eigenem Geldbeutel deutsche
Fahnen angeschafft und sie wehen lassen mit
den Hunderten von Fahnen, welche jedes Spieß-
bürgers Haus zierten. Eine Deputation, cincn
Finanzrath an der Spitze, Schneider und Pack-
träger im Gefolge, überfällt die revolutionären
Pfarrhäuser und escamotirt mit kunstreicher
Hand das Gold von den Fahnen, dic dadurch
zu gut würtembergischen Bannern wurden.
Auf der Realschule sreilich blicb hängcn was
hing, weil der Rcctor Muth genug hattc, die j
ungkbetenen Gäste sich vom Halse zu jchaffen. '

An dem ganzen Thatbestande, der zeigt, was
1863 noch möglich ist, ändert Nichts, daß die
Ml'nl'fter sofort jene Ueberrumpler desavonir-
ten, nachdem das böse Blut über solche Ge-
waltthat anch bei eigenen dickreactionären Par-
teigängern in hellen Flammcn hl'nansgeschla-
gen hat."

Frankfurt, 21. Octbr. Der Fiirst von
Thurn nnd Taris hat nach Frkf. Blätter die
Kostcn für das Bureau des'hier abzuhaltenden
großdeutschen Resormvereinstags zu bestreiten
erkläri.

Frankfurt, 22. Oct. Jn der heutigen
Sitzung des Bundestages kam das Referat
der vereiliigten Ausschüffe über die englische
Notc vom 1. Oct. zum Vortrag. Die Ant-
wvrt des Bundestags lehnt die englische Ein-
mischung in den Streit mii Dänemark ab, weil
derselbe eine reine deutsche Angelegenheit be-
treffe; dcr Bnnd erklärt in seiner Note aus-
drücklich, daß er bei der Ausführung der Ere-
cution lediglich die Rechte Deutschlands auf
Holstein geltend zu machen beabsichtige und
die vertragsmäßigen Rechte des KönigS von
Dänemark als Souverän von Hvlstein nicht
verletzen werde. Eine zweitc, in den letzten
Tagen übergcbenc englische Note, welche Vcr-
mittelungsvorschläge enthält, wurde den ver-
einigten Ausschüffen übergeben.

Mainz, 20. Octbr. DaS von Warburg
an den Großherzog eingereichtc Gesuch, um
Niederschlagung des gegcn ihn von Amts-
wegen cingeleitcten Prozeffes, ist abschlägig
beschieden worden.

Düffeldorf, 20. Oct. Die Rhein. Ztg.
hai die zweite Verwarnung erhalten. Jn
Belreff der deutschen Frage sagt dieses Organ
dcr entschiedenen freisinnigcn Partci: „An dic
Fürsten Forderungen zu stellen, welche geltend
zu machen maik weder gesetzliche noch andere
Mittel besitzt, ist eine so impotente Politik,
daß man sich wundern dürfte, sie von der
Genkralversainmlung des Nationalvereins ;u
Leipzig erneucrt zn sehen, wenn die Führer
des Vereins, wie seine Generalversammlung
nicht schon bisher sich in die bedauerlichsten
Widersprüche verwickelt hätten. Während vie
Reaction in fast allen dcutscheu Staaten den
lebendigen Beweis liefert, daß ihre unv der
Fürsten Macht so viel weiter reicht, als die
Machtmittel dcr freisinnigcn Partei, darf man
den Fürsten nicht zumuthen, daß sie freiwiüig
ihre Souveränctät dem Bundcsstaat zu Liebe
aufgebcn, wenn man sich nicht dem Borwurf
der gewerbsmäßi'gen Phrasenfabrikalion aus-
setzen will.' Was der Kaiser von Oesterreich
und dic Mehrzahl der deutschen Fürsten dcr
nationalen Bewegung frei'willl'g opfern wollen,
ist iii der Reformacke niedergelegt, was der
König von Preußen concediren will, ist in
dem bckannten Ministeri'alberi'chte aufgeführt;
aber alles DieseS zusammen hat mit dem,
was der Nati'onalverein fordert, im Grunde
so viel wie gar nichks gemein. Die Fürstcn
zeigen sich bereit, einen kleincn Bruchtheil ihrer
jetzigcn vollen Souveränetät zu dem Zweck
aufzugeben, daß durch die nrucn Jnstltuiionen
ihre Herrschaft und ihre Gewalt dem Volke
gegenüber beffer garantirt werde, als bisher.
Der Natloiialverein dagegen beabsichtigt, den
demokratischen Bundesstaat zu schaffen, d. h.
er will die Fürstcn dem Volke gegenüber macht-
los machen. Wir lassen die Fragc, ob dic
Absicht dcs Bereins zu billigen sei oder iii'cht,
hier unerörtert, um nicht in Collission mit der
Preßpolizei zu kommen; es handelt stch für
uns hier nur darum, zn coiistallren, daß der
Verein gerade das Mittcl ergriffen hat, wel-
chcs seinem ausgesprochenen Zweck am meisten
schadet. Ein deutscher Bundesstaat ist, so
lange die Fürsten dic Dispofiiion über die
finanziellen und mi'll'tärlschkn Kräfte des dcut-
schen Volkes in Besitz haben, nur in der Form
der Militärherrschaft dcnkbar. Wenn morgen
Deutschland zu cinem Bundesstaat werden
sollte, so würde cs in ähnlicher Weise, wie
Frankreich, dem Despotismus znr Beute wer-
den. Wer dies nicht wünscht, der darf den
Bundesstaat nicht forderu, so lange daS Volk
keine vrganistrte Macht befitzt, mit welcher eS
. im Roihfall der Fürstengewalt entgegentreten
l könnte. Dies« eigene Macht des Volkes läßt
sich schaffen, nnd zwar dadurch, daß in den

Einzelstaaten liberale Miillsterieii ei'ngefühkt
werden, und daß dann mit Hilfc derselben die
Fürstengewalt auf ein den Bedürfnissen der
Zeit entsprechendes Maß zurückgeführt wird.
Dieses ist die Vorbedinguug des Bundesstaates,
und ehe fie nicht erfüllt ist, hal kein Mensch
und kein Verein in Deutschland die Macht,
die dynastlsche Gewalt zu einem förmlichen
Selbstmord zu trciben. Es ist möglich, daß
eine revolutionäre Bewegung, wie 1818, die
Fürsten zu weitgehenden Concessionen veran-
laffen könnte, aber dieselven wären so werth-
loS, wre die von 1848, weil es dem Volke
an Macht fehlen würde, seine neuerlangten
Rechte zu wahren. Ein deutsches Parlament,
während an der Spitze vvn ca. 30 Regicrun«
gen conservative Minister stehen, ist ein un-
mögliches Geschöpf, das zu bcgreifen wird allen
Denen leicht werden, dic sich auf den Boden
der Thatsachen stellen.

Göttinge«, 19. October. Die heilloscn
Streitereicn, bie fast auf allen deutschen Hoch-
schulen bei Gelegenheit öffentlicher Aufzügc
zwischen Corps und Burschenschafen um den
Lortritt geführt zu werdcn Pflegen, haben es
hier, wie die „Z. s. Nordd." erzählt, so wcit
gcbracht, daß bei dem gestrigen EinigkcitSfest
der Leipziger Schlachtfeier die Corpsstudenten
sich durch ihre Kameradcn mit gezücklen Waffen
eine Gaffe brachen. Mehrfache Lerwundun-
gen stnd vorgekommen. Es widerstehi, dcn
Verlauf des erbärmlichen Slreits nachzuer-
zählen.

Hamburg, 19. Oct. Graf A. Baudissin,
bekanntlich ein eifriger Agitator für Schleswig-
Holstein, hielt am Sonnabend in St. Pauli
an der Wilhelmsstraße einc Anrede an die
versammelte Menge, und zwar in plattdeut-
scher Sprache, worin er, wie bchauptet wird,
zu alsbaldigem thätigen Einschreiten für die
schleswig-holsteiillsche Sache aufforderte. Ein
hinzukvmmcnber Hüherer Polizeibeamter fand
stch dadurch veranlaßt, den Reduer zu »er-
haften und nach dem Wiiiserbaum zu bringeii.
Mehrfachc von ihm eingereichte Gcsuche um
Frcilaffung wurden zurückgewiesen und eine
Üntersuchung angeorbnet. »

Wien, 21. Öct. DaS Unterhaus hat heute
den Gesctzesentwurf über Forterhebung dcr
Steucrerhöhung durch die Monate Novcmber
und Deccmber bis zum Zustandekommcn veS
Budgets mit Ablehnung deö Ausschußantrages
nach dem Regierungsentwurfe angenommen.

Prag, 20. Octbr. Eines der Opfer der
österreichischen Preßwirthschast, Wavra, Re-
dacteur des Grazer Hlas, wird am 30. d.
seine Kerkerstrafe antreten, da vie dritte Zn-
stanz das Urtheil bestätigte. Der Nedacteur
wird 4 Monate hindikrch in Eise» nnb Sträs-
lingsjacke über dic Freiheit des constltutio.
nesten Oesterreichs, in bcr Zelle, die vor ihm
kaum ein Dieb oder Morbbrenner verlaffeu,
nachgrübeln könncn. — Man wird bemerkt
haben, wie in leßter Zeil das österreichische
Constitutlonsministeriuin überall den Kaifer
vorschiebt und seine Pvlitik durch dic Pcrson
des Regenten dccken läßt. Wo soll das hiu-
aus? Zn dcr Freitagösitzung des Fi'iianzaus-
schuffes in Wieii, wo es sehr lebhaft zuging,
that der Herr Staatsminister folgenden schr
merkwürdlgen Ausspruch: „Jn Verfaffungs-
fragen oder Verfaffungsstreitigkeiten entscheidet
nur Se. Majestät der Kaiser allein." Was
sagen Sie zu dieser neuconstitutionellen Doc-
trin? (N. F. Z.)

Oesterreichtsche Monarchie.

löewberg, 21. Oct. „Gazeta Narodowa«
erfährt, daß General Annenkow seine Demis-
fion erhalten hat, und an seine Steüe der
Gencraladjutant Timaszew treten soll.

SVan ten

Madrid, 18. Oct. J„ Fojge der ernsten
Nachrichten, die aus St. Domingo eingetroffen
stnd, wurde befohlen, die Einschiffung ber nach
dcn Antillen bestl'mmten Verstärkungcn zu be-
schleunigcu. Es werben Truppen aller Waffen-
gattungen abgeschickt werden. Die Regierung
behandelt, wie die „Correspondencia" ver-
stchert, diese Angclegenheit mit aller Aufuierk-
samkeit.
 
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