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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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August
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N 183


Freitag, 7. August


18«3.

Auf die „Heidelberger
Zeitung" kann man sich
noch fnr die Monate
August und Zeptember mit 36 Kreuzern abon-
nlren bci allen Postanstalten, den Boten und
Trägein, sowi'e der Erpedition (Schiffgaffe
Nr. 4).

^ Zum jetzigen Stand der schleswig
holsteinischen Frage.

Jn dieser Angelegenheit haben bekanntlich
im Laufc des Monats Juni am deutschen
Bunde die vereinigten Ausschüffe einen Antrag
gxstellk, durch welchcn der König von Dänen
mark zur Zurücknahme seines Deceetes vom-
30. März d. I. aiigehalten, und im Weigc-
rungssalle dic erforderlichen Schritte zur Er-
zwingung der von ihm im Jahre 1852 über-
nommenen Verpflichtungen im Ereculionswege
geihan werden soüen. Jm Monate Juli ist
sodann, nach eingeholter Znstructivn von den
betreffenden Regierungen, über diese wichtige
Frage beim deutschen Bunde, der deshalb auf
seine Sommerferien verzichtet hat, abgcstimmt
und ein endgültiger Beschluß gefaßt worden.
Wcnn es gut gcht, wird diese hochwichtige
Sache daher wenigstens bald zu einer priu-
cipiellen Entscheidung gelangen. Ein that-
sächlicher Abschluß ist damit natürlich immer
noch nicht erzielt, denn es wird sich dann erst
nvch um die Berathung der zum Erecntiens-
versahren nöthigen Mittcl handeln! Hierbei
zergt cs sich wieder recht augenscheinlich, wie
nachtheilig der schleppende Geschäflsgang deS
Bundestages ist. Was nach allen möglichen
Weiterungen und Formalitäten jeßt erst de-
schloffen werden soll, hätte bei ciner compak-
ten Eentralbehörde schon in der nächsten Zeit
nach dem dänischen Erlaffe vom 30. März er-
folgen sollen, und dann könnte, wenjgstcns im
jetzigen Angenblicke, das Versahren gegcn Däne-
mark seststehen. Denn cs ist offenbar von der
größten Wichtigkeit, daß Deutschlajid diese
Sache wenigstens dann unverzüglich zum Aus-
trag bringt, wenn die Westmächte genöthigt
wüidcn, zur Lösung ber polnischen Frage zu
. den Waffcn zu greifen. Ein neuer Krieg gegen
Rußland würde Frankreich und Englanb so
in Anspruch nehmen, daß ste an keine crnst-
liche Opposition gegen Deutschiaiib denken
könnten, sobald dieses zum Kampse gcgen Däne-
mark schreitet. Daß dic Beschlüsse des beut-
schen Bunbes die Einleitung zu einem Kriege
mit Dänemark bilden könne, wirb wohl Nie-
mand bezweifeln. Von der dänischen Regie-

rung ist keine Nachgiebigkeit zu erwarten: ste
wird iu ihrer demnächst zu erwartenden Ant-
wort ihre alten Vorspiegelungen wiederholen
und es schließlich auf die Ausführung der
Erecution in Holstein ankomiisen laffen, um,
sobald Schleswig in Frage kommt, die Hilse
FrankreichS, Schwedens und Rußlands anzu-
rufen. Dic gegenwärtigen Verhällniffe Deulsch-
lands werden das dänische Cabinet hicrzu nur
um so mehr ermuthigerl. Schließlich aber
würde flch immer däs alte Mißverhältniß wie-
derholcn, daß man Holstein besetzen ließe, ohne
dem Despotismus in Schlcswig zu wehren.
Auf diesen Mangel der gegenwärligen Ver-
handlungen und ihre nothwendige Folge hat
schon die badische Regicrung im Monat Ja-
nuar d. I. hingewiesen, und der Vertreter des
Ministeriums bes Aeußern sprach in der 2.
Kammer die richtige, der jetzigen Sachlage
allein entsprechende Ansicht aus, daß durch
das eigene Thun der dänischen Regierung ber
vor dem Kriege von 1848—1851 giltige Rechts-
zustand wieber in Krast getreten ist. Dieftr
Rechlszustand sußt auf folgendem Saß; „Die
Herzogthümer sind selbstständige Staaten, in
denselben herrscht dcr Mannesstamm des ol-
benburgischen Hauses, und die Herzogthümer
flnd fcst unter einander verbundene Staaten."
Auf diescr Basts kann bie Verhandlung mit
Däncmark allein in genügenber Weise geführt
werden; anf bieselbe hatte stch auch der olden-
burgische Antrag gestellt, und bis der entschei-
denbe Abschluß über diese Rationalangelegen-
heit erfvlgt ist, muß die liberal'e Preffe baran
festhalten und darauf hinweisen, daß sich eine
Regelung der schleswig-holsteinischen Verhält-
«iffe anf der Grundlage der Verträge von
1851/52 »icht mehr crreichen läßt, und daß
der Erecutionskrieg nach diesem Spstem eine
Tvüheit wäre. Will man zur Abrechnung mit
Dänemark schreiten, so muß man es gründlich
thun. Der Krieg gegeu dieses übermüthige
Ländchen hat nur dann einen Sinn, wenn er
mit voüer Energie und so rasch als möglich
gesührt wird. Dazu bedarf es aber natürlich
der Einigkeit dcs Handelns, und so lange diese
fehlt, bleibt Deutschland gelähmt; auf alle
anderweite halbe und energielose Bestrebungen
kann Deutschland mit Mißtrauen blicken, in-
dem stch nur allzu leicht die beklagcnswerthen
Mißverhältniffe von 1848—1852 in dieser
hochwichtigen nationalcn Angelegenheit wieder-
hvlen dürsten.

* Politische ttmschau.

Die Berliner Bank- und Handelszeitung hat
eine, wie sie sagt, durchaus glaubwürdige
Mittheilung aus Wien erhalten, welche ver-
sichert, daß eine Depesche des Fürstcn Metter-
nich dem Grafen Rechberg gemcldet habe,
Frankreich verzichte sormell auf Absendung
einer Collectivnote der drei Mächte. Diese
Forderung habe bis dahin die Verständigung
der drei Mächte erschwert.

Ein Bries in demselben Blatte sagt über
das Verhältniß Oestcrreichs zu den natsona-
len Bestrebungcn seiner eigenen polnischen Ge-
biete: „Die Sachen stehcn in Galizien schlim-
mer alS Mancher ahnen kann, der nur Lie
Wiener Zeitungen liest und Leuten, die nach
den Wiener Zeitungen reden und schreibe»,
Glauben schenkt. Rußland ist im Begriff,
einen Meisterstreich auszusühren, und zum
Theil ist es ihm bereits geglückt. Für Lie
Anzettelung von Aufstäuden in Galizien, die
in Niemandes Zntereffe weniger liegen, als
in bcm ber Polen, wird man hoffentlich nicht
diejenigen verautwortlich machen wollen, die
den Schaden davon haben. Wird Oesterreich
gezwungen, energisch gegen den Aufstand in
seinem eigenen polnischen Landesgebiete vor-
zugehen, dann erhält die Solidarität der Thei-
luiigsmächte, die in dcr Gortschakoff'schcn Ant-
wvrtsnote nvch als Phrase bestehk, ihre reale
Bedeutung, und die Rcchberg'sche Note vom
19. Juli, die sich gegen die Jdentität sciner
Jntereffen mit dcn russischen in der polnischen
Angelegenheit verwahrt, erhält ein so schla-
genbes Dementi, wie es der Verfaffer der
Note stcher nicht erwarket hat. Gelingt es,
den Ausstand in Galizien zu einiger Ausdeh-
nung zu bringen, daun hat Rußland gewon-
nencs Spiel, die Einigung der drei Theilungs-
mächte ist hergestellt unb Oesterreich von dem
Bunde mit den Westmächten losgelöst.i'

Jn Bezug auf die polnische Frage drückt
sich die Wiener „Preffe" sehr deprimirt aus.
Sie sagt: Nach allebem, was wir scit drei
Tagen über ben europäischen Charakter der
polnischen Frage, über baS Concert der drei
Mächte, über die Politik der Jntereffcn und
die Unerschöpflichkeit der Diplomatie bei Aus-
findung friedlicher Mittel gelesen haben, ist
kein Zweisel darüber wehr gestattet, daß dic
Sache Polens auf dem Punkt steht, preisge-
geben zu werden, unb daß alle an daS Ein-
verständniß der drei Mächte geknüpsten Hoff»
nungen in nichtS zerrinnen.

Mehrere Partser Blätter behaupten, die

Die Newhorker Emeute.

(Kortsetzung.)

Dic erstcn Angriffe ber bcwaffnetcn Macht kolin-
ten um so wenigcr dauernden Erfolg haben, als
bie Behördcn den Ernst und llinfang dcs Aufruhrs
— oiellcicht nicht ohnc Absicht — untcrschätzend,
vicl zu kleine Dctachcments gegen die tobcnbe Maffe
warfen. llnd wenn dann das Häuflein Soldatcn
und Polizeimannschast sich hcrangewagt, die Gc-
wehrc abgefeuert hatte und nnN, statt dadurch
Schreckcn hervorzurufen, die Tausende wuthschnau-
bend sie nnit Steincn überschüttend, ihrc Keulen
schwingend und hculend wie so »icl tauscnd Teufcl
auf fich von allen Seiten cindringen sah: da muflte
auch wohl dem Entschloffcnsten der Muth sinkcn;
tn wilder Panik thr Carree, das Einzige, waS fie
noch widerstandSsähig macktc, auflöscnd und ihrc
Gcwchre »on sich wcrfend, suchtcn dic Unglücklichen
nach verschiedenen Scitcn zu cntkommen, unb wchc,
wem cs ntcht gelang. Eherne FLuste erwürgten
thn, schleudertcn ihn in die Luft und schmettertcn
thn auf das Straßenpflaster, ciscnbeschlagene Schuhe
zcrstampften sein Gcsicht, Weiber zerrtffcn seine
Gliebmaßen und durchspießten den zuckcnden Leich-

nam mit Banonnetten. Ausgemacht aber tst, daß
dic eigentlichc Ausrührer- und Mordbrcnnerbande
sich nur auf cinigc Hundert bclief, unter thncn
sichcr nicht wenige cingeborne Aankee-Rowdies, zum
Theil noch sehr jugendliche Böscwtchtcr. Diese warcn
unter stch organtsirt; sie arrangirten das vtertägigc
Bacchanal dkr „Volksjustlz", deffen Jngredicnzien
Zerstörung, Einbruch, Raub, Todtschlag und Mord
im indianischen Stil waren. Die rohe Menge, die
hier paoem et eiroenses finden sollte, applaudirte,
gesiel fich im Drängen und Tumultuiren, und als
nun die Flammen emporzüngeltcn, daS erstc Blut
gefloffen war, da erwachte das Tigerhaftc auch in
thr. Vier Tage htndurch — und noch ist man dcr
anscheinend hergestellten Ruhe nicht fichcr — waren
die oberen und entlegenen Stadttheile, dtc Ncgcr-
und Prostitutionsquartiere Schauplätzc von Greuel-
scenen, wtc sie kaum die französische Revolution
und die Judenverfvlgungen des Mittelalters auf-
zuweiscn haben.

Zu den haarsträubendsten Vorfällcn gehört die
grausame Ermordung des Obristcu O'Brien, der
sich nach einem erfolgrcichin Etnschreiten seines
Commando's gegen die Meutcrer unbesonncner

Weise allein unter den racheschnaubenden Haufen
gcwagt hatte. Er wurdc ganz in der NLHc seines
Hauses, ja unter den Augen seiner unglücklichen
Frau von hinten zu Boden geschlagen, durchstochen,
mit zermalmtem Kopfe und vcrstümmeltcn Glied-
maßen an cincm Laternenpfostcn aufgehängt, noch
lebend wicdcr hcruntergcschnitten, über die Straße
hin und her geschlcift, anf dem Pflastcr in scinem
Klute zum Ergötzen der entmenschten Menge aus-
gestreckt, bei jeder Regung des aus dcm kraftvollen
Körpcr langsam entweichcnden Lebcns wieder- an
dcn Bodcn gestampft und so vom Wittag bis zum
Abend zu Tode gemartert. Die Feder sträubt stch,
mehr von dcn Blutorgicn zu erzählen, die tn ähn-
lichcr Weise an manchen Vcrthetdtgern der öffcnt-
lichen Ordnung verübt wurdcn, «elche so unglück-
lich waren, den Kannibalen i» die HLnde zp fallcn.
Wenige in solcher Lage rettete eine vermöge der
fast übermenscklichen Anstrcngungen, zu wclche«
ihncn die Todesangst vvr den «erfolgeuden Blut-
hunden Kraft gab, «underbare Flucht:

Dann begann, als Demonstrattou gegen die-
„gottvcrfluchtcn Abolitionisten" eine erbarmungs-
lose Ncgcrhetze, welche mit dem Ausplündern und
 
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