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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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Oktober
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m 242.

Erschrint, MontagS auSgenoinmen, täglich.
PreiS vierteljährlich 54 kr.

Donnerstag, rs. Oetober


L8K3.

Bestellungen auf die „Hei-elberger
Zeitung" nebst Beilage „Heidelber-
ger Familienblätter" für das mit 1.
Letober 186I begonnene 4. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition.

-.-d-

* Politische Umschau.

Die ,/KarIsr. Ztg." komwt iii- ihren ein-
gehenden Artikeln über die österr. Reformacte
auf die Versammlung der Bundesabgeordneten,
und sagt u. A.: „Angeboten werden Delegirte.
DaS deutsche Volk verlangt ein Parlament.
An diescr Differenz wird das ganze Resorm-
project scheitern, sofern es nicht bereirs als
gescheitert zu betrachten ist. Wir nehmen, so
zahlreiche und erhebliche Bedenken wir gegen
den Jnhalt der Resormacte vorzutragen haben,
dieses Mißlingen nicht leichl; auch abgesehen
von ber Saat des Haffes und ver Zwietracht,
dic'darauS erwachseu könnte, ist un>ere gegen-
wärtige Lage wahrlich dcr Art, daß es srevel-
hafter Leichlstnn wäre, auch die mäßigste Ver-
bcfferung derselben ohne dringende Gründe von
der Hand zu weisen. Wir können aber nach
gewiffcnhafter Prüfung dem Verbict der deul-
schen Nation: „nicht annehmbar" nur bcistim-
inen. Nach den vorlicgenden Neformv«rschlä
gen findet dic Zdce der nationalen Einheit in
bem cvmplicirten Bundesorgaiüsmus nirgends
einen Ausdruck und eine Verlretung; in dem
Bundesbirectorium, in dem Bunbesrath, in
ber Fürstenversammlung find überaU nur die
parttculareü StaakSgewalten zusammengefaßk;
ist es daneben crträglich, daß auch die „Ver-
sammluiig der Bunbcsabgeordneten" zu einer
Repräsentation der staatlichcn Sonderung, statt
der nationalen Einhcit werbe? Ein frei ge-
wählies Parlament ist ein Preis, um welchen
nach unsrrm Urtheil unser Volk aus jeden Ne-
soruivorschlag eingehen wird; unb wir tretcn
dieseui Entschluß unter einem Vorbehalte bei:
jebe Buiibesresorin kann nur unter Zustim-
mung ber Verlreter des beutschen ÄolkeS gillig
werben. Nicht blos unsere nationale Würde
sordert gcbieterisch die Fernhaltung jeder Oc-
tropirung, wir haben cin wohlerworbcnes
Rechl/ bei der endlichen Feststellung ber Bun-
besversaffung mitzusprechen. Ohne bie juri-
stische Bebeutung der Reichsversaffung zu er-
örtcrn, ist jebensäüS bas Wcrk, welches bie
Nation durch ihre Verkreter den Regierungen
gebolen hat, durch die einsachc Negalion von
mehreren der leßteren nicht beseitigt; die Bun-
dcsbeschlüffe von 1848, nach welchen die Ver-

Aus dem Wiemr Gerichtssaale.

Eine auS der Tabaktrastk.

Anna Bösemayer, die Angeklagte, ist eine hübsche
18jährige Brüncttc. Dcn Besuchern der.Tabak-
fadrik im Müller'schen Gebäube am Frauz-Aoscph-
Kar rst das schlank gcwachsene zierlichc Geschöpf
fficht sremd; fie hat sich durch drci Wochen, di« sie
in bem Labcn hauste, Alt unb Jung zu Sklaven
gemacht. Die vierunbzwanzig Gulden, die stc von
threr Herrin als monatlichen Lvhn bezog, deckten
ihrc Bcbürfnisse nicht, man braucht, «enn mau so
hübsche Augen hat, «ic Anna, so mancherlei, das
sich von cinem vcrhältnißmäßig so geringen Mo-
natslohn nicht gut bcstreiten läßt. Anna griff also
— in bie Kaffc ihrcr Herrin und stahl ihr 91 st.,
nachdcm ste kaum dret Wochcn dort als Cigarren-
Verschleißerin fungirtc. Diesc Anncrion führte sic
hcnte mit Frau Rosa Staubcr - so heißt ihre
Herrin - im Gcrichtssaale zusammcn. Anna Bösc-
mayer gtbt sich als Vollblut.Wicncrin, si- spricht
keck und ungcnirt zu bcm Gerichtshofe unb hcigt

faffung gebende Nationalversammlung berufen
wurde, können nur in dem sormellen Abschluß
der Versaffung Deutschlanbs ihre Erlebigung
Mden." Freilich sei ein Parlament mil einer
im Uebrigen ungenügenden Verfaffung noch
nichl daS Ziel seldst, sondern nur ein Mittel
zu Erreichung des Zieles. „Jn dem Staaten-
bunde, wie bie Resormacte ihn vvrzeichnet,
nimmt die Volksvertretung, wie fie auch zu-
sammengeseßt werde, rechtlich unvermeiplich
eine uiitergeorbnete Stcllung ein; nur in Ver-
bindung mit einem constitutionell verantwort-
lichen Ministerium, das seinerseits statt eines
durch die Einzelregierungen gebildeten Direc-
toriums eine selbstständige Centralgewalt vor-
anssetzt, kann ste zü voller Lebenskraft ge-
langen. Eine bloße Revnerbühne, in Franksurt
errichtet, würde eine Zeitlang die Phantasie
unjeres Volkes anregen; auf die Dauer würbe
stc aber, wie immcr der Schein statt der Rea-
lität, mehr schadcn als nützen. Das politische
Urtheil ist in allen Schichten unserer Bevöl-
kerung zur Genüge aufgeklärt, um eine solche
nnrechle Gabe kaltblütig zurückzuweisen."

Der König von Preußen hatte seine Theil-
nahme an dem von den Ullramontanen ver-
anstalleten Dombausest in Köln, 15. Oclvber,
zugesagt. Es waren von den verschiedcnen
reactionären Parteien möglichst großarlige Vor-
bereiningen getroffcn. Dic Freisinnigen wollten
mit bem Fest nicht nur nichts zu thun haben,
sondern prvtestirten sörmlich bagegen, baß der
Name ber stabt zu reacüonären Demonstra-
tionen gemißbraucht werde. Peßhalb hatten
auch bie StadlverordNeten rhre Theilnatzme
und Gelbbewillignng sür ben Empsäng beS
KönigS und bas Dombausest abgelchnt. Nun
wnrden dcr Oberpräsibenl ber Rhcinprovinz
von Pommcr - Esche und ber Prüstdenk der
Kölner Regierung v. Möller nach Baben be-
rusen, um dort mit beM König unb Bismarck
Rücksprache zn nehmcn. Herr v. Möller ist,
wenn auch kein eigentüch Freisinniger, boch
ein kaltblütiger und nüchteruer Mann unv bieser
muß dem König einigcn Ausschlnß über die
Stimmung in Köln gegeben unb ihm gesagt
haben, baß die Versprechuiigen ber Ultramon-
lancn, ihm einen glänzenden Empsang zu be-
reiten, eitcl Humbug seien. Wer hieraus zu-
erst dcn klugen Entschluß gesäßt hat, dew
Kölner Fcst nichl beizuwohnen, ob König Wil-
helm selbst ober Bismarck, ist noch undekannt;
genug, bie Königssährt nach Köln, von wel«
cher sich bie Ministeriellen und Feubalen einen
Triumph versprochen hatten, ist aufgegeben.
Unter bem Vorwanbe, es sehle ihm an Zeit

den Vorsitzenden (LandgeriLtSrath Frühwald) nie
andrrs als: Hcrr Richter.

Präs.: Sie hören, baß dcr Frau Staubcr 91 fl.
abgchen, die sollen von Zhnen gestohlen worden
scin? — Angekl. (schnippisch): Zch hab' thr nichts
gestohlen; ich glaub' üherhaupt gar nicht, daß ihr
etwas abgcht, Hcrr Rtchter! — Präs.: Nun sehen
Sic, das ist Privatansicht, die ist aber für das
Gcricht nicht maßgebend. (Heiterkcit.) Sie haben
aber doch sclber einbckannt, daß Sie dann und
«ann cin Zehnerl auS der Kaffc genommen haben.
— Angckl.: Ja, das ist wahr; ich habe aber dasür
ä fl. wiedcr htneingegcben, damit bci der Znventur
nichts abgcht. — Präs.: Aa, aber hat das Zemand
gcschcn? können Sie das beweisen? — Angekl.:
Das nicht. — Präs.: Aher schen Sie, man hat
in Zhrem Bcsitzc 12 fl. und einige Effectcn gc-
sundcn, wohcr haben Sie dic genommen? — An-
gekl.: Da ist «in Herr in die Trastk gekommen —
abcr wiffens, Hcrr Richter, in keincr schlcchtcn Ab-
sicht — von dem. hab' ich zwei Napoleonsd'or, ein
Portemvnnaie und eine K-tte bekommen. - Präs.:
Za, aber was war deu» das für ein Herr, der für
nichts, für gar nichts gleich zwei Napoleonsd'or

zu einer Rheinreise, wird der König direct von
Baden nach Berlin zurückkehren. Das Dom-
baufest wird also ein rein kirchliches und dem
Dombau gewibmetes, kein poütisches sein.

Die freisinnige Partei im Rheinlande hat
bamil einen Erfolg über die Ultramontanen
und die Anhänger des Ministeiiums.errungen,
welcher nicht gering anzuschlagen ist. Es ist
erwiesen, daß ihr moralischer Einsiuß größer
ist als derjenige der Regierung mit allen ihren
Beamten unb Soldaten nnd der reactionären
Partei zusammengenommen.

Der „Berliner Staatsanzeiger" veröffent-
licht eine köiügliche Orbre, nach welcher der
18. October als der sünszigste Zahrestag der
Leipziger Sihlacht durch einen FestgotteSdienst
i» allen Kirchcn deS Lanbes gefeiert werden soll.

Sehr lebhaftes Bedau.ern muß es erregen,
daß bie rheiiüschen Stäbte Preußens ohne Aus-
nahme die ossicielle Beiheiiigurig an der LeiP-
zigerFeier abgelehnt Haben. Vsn den Städten
in der bayerischen Psälz ist nur die Bctheili-
gung von Kaiserslauicrn ersolgt, WaS die
Stäbte der preußischen Rheinprovinz betrifft,
so ist ihre Äblehnung leicht erklärlich. Die
Bürgermeister von Köln, Aachen, Düffeldors,
Bonn, Coblenz gehören, wie die N. F. Z. be-
richtet, entweber zur ultramontanen ober zur
minifteriellen Partei. Den Reactionären ist
natürlich jede Regung bes Volksbewußtseins
verhaßt.

Jn Beziehung auf daS Jnnsbrucker Schützen-
feft schreibt der „Nürnb. Anz.": Wer hätte
im vorigen Jahre in Frankfurt das gedacht,
daß biese Tproler, welche dort so gastlich em-
psangen wurden, und welche „Frankfurt, du
bift mein' Freud« rc. dort sangen, im heurigen
Jahre ihre lieben Frankfurter nicht zum großen
Feste labe» würden? WelcheS stnd die Gründe
zu biesem Benetzmeii? Haben sich die Frank-
surter nicht gut benommen, oder gab es dsrt
nicht genug Becher zum „vvtrogn?" Oder
sürchtet man, daß die dem protestantischen Nor-
den so nahe Liegenben bea Samen der guten
Frucht nach Tprol tragen würden, niid der
unanfechlbaren Glaubenseinheit dadurch ein
Niß beigebrachl würde? Es scheint in der
That dies letztcre der Fall zu sein.

„Mem. dipl." behauptet, die von dem Erz-
herzog ertheilte Antwort sei im VorauS mi!
Napoleon vereinbart worden, und bieser habe
ihm nun in einem eigenhändigen Brief seine
persönliche Billigung derselben auSgesprochcn.

Die Berliner „Nalionalzeitung" erfährt aus
guter Quelle, bie Unterzeichnung des schwedisch-
dänischen. Aliianzvertrages sei nicht zu Stanbc

und eine Kctte hergtbt? (Heiterkeit.) — Angekl.:
Ein russischer Gutsbesitzer. — Präs.: Nun, ich
muß Jhnen sagen, daß man sich auf der Polizci
um einen russischen Gutsbesitzer erkundigt hat, der,
wie Ste angaben, im „Hotel National" gewohnt
haben soll, man hat aber keinen ausfindig gemacht.
— Angekl.: Aa, warum habens denn mich nicht
suchen laffen, tch hätt' ihn schon zu stndcn gewußt.
Es tst doch merkwürdig '« Taschcl habens net ver-
loren bei dcr Polizei, von dcm Zcttel mit der
Adreffc des Russen aber hab ich nichts mehr gc-
sehen, und der ist auch drin gesteckt. — Pras.:
Aber Sie hatten doch nichts, als Sie zur Frau
Stauber in dcn Dlenst tratcn? Ste mußte Jhnen
ja das Effen bezahlen. — Angekl. (erzürnt): Wos,
dö hot mir woS zohlt, hob ich denn von mcincn
Vatcrn nicht 5 fl. kricgt, wie ich eingetrctcn bin?
SchaunS aber, Herr Richtcr, der Herr Doctor (auf
den Vcrthcidlger zeigcnd) weiß jetzt den Nomcn
vvn dem Ruffen, er könne jä hinschreibcn zu ihm
und ihn frrg.n. — Präs.: Aber sehen Sic, ich
muß Jhnen vvrhalten, daß überall, wo Sic im
Dienste waren, Sachen weggckommen stnd, daß
Zhnen Lberhaupt Zhrc Dienstgkberinnen klii schlech-
 
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