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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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November
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Znlertion-gebWea sur^dk Ispaltige Petit-

Doonerstag, is. -kovember

* Politische Nmschau.

Dic Nachrichl vom Rücktritte Rechberg's
wird voa der A. Z. selbst wtderrusen.

In Benedig bemerkt man, daß seit einigen
Tagen wieder revolutionare Proclamativnen
auftauchen; nawentlich wird zur Wiederholung
der srüheren politischen Deuionstraiionen auf-
gefordert. Dagegen hat die Garibaldische
Partei die Venecianer dringenb ermahnt, ruhig
zu bleiben und ihre Kräste nicht im Boraus
zu zersplittern unb abzuschwächen.

Der „Moniteur" enthielt vor einigen Tagen
eme glänzende Schilderung der sranzöstschen
Fortschritte in Merico. Heute zeigt ein von
dort an die „Opüiion nationale" gerichteter
Brief die Kehrseite. General Bazaine hal znm
Feldzug gegen die vier- bis sechsfach so starke
Truppenzahl des Prasideuten Juarez nur 6000
Mann zu Fuß, sechS Geschwader Reiterei,
eine kleiue Adtheilung Genietruppen uud einige
Geschütze. Dennoch zwciselt man nicht daran,
daß er die Mericaner in offenem Felde schlagen
würbe, wenn nicht vorauszusehen wäre, daß
die Mericaner ihm ausweichen werden. Die
Schwierigkeit besteht nicht im Siegen, soudern
darin, baS eroberte Land in der Botmäßigkeit
zu halten und die ganze Berwaltung von unten
aus neu zu schaffen. Es ist eine Täuschung,
wenn behauptet wird, viele Stävte riefen die
Franzvsen herbes. Es gibt in Merico wie
überall Leute, die bei einer Aenbcrung zu ge«
winnen yoffen; jetzt aber sind sie schon enl-
sguscht, Der Handel liegt ganz darnieder,
und Niemand macht Geschäste als die Kaffee-
häusek. Die Negentschast hat iieue Stcuern
ausgeschrieben und macht stch durch Aushebun-
gen verhaßt. Um Rekruten zu brkommen, hat
sie vorgegeben, fle bedürsc Arbeiter für dic
Eisenbahn zu Orizaba, und versprach ihnen
hohen Lohn; unterwegs rüstete man dies« mit
Waffen aus, angeblich damit sie stch gcgeu
Feinbe vertheidigen könnten, und dann behan-
delte man sie als sörmlich eingereihtc L-ol-
daten. Man irrt sich, wenn man glaubt, die
freisinnige Panei werde bald besiegr sein. Die
Guerrillas schwarmen in Banden von einigcn
hundert Mann überaü umher. Eine derselben
hat kürzlich die Stabt Huchuetora eingenom-
men, zwölf Stunden von Merico, Steuern
eingetrieben unb Geistliche als Geiseln sort-
bringen laffen. Eine andere hält noch jetzt
<san Augustin de las Cuevas, nur 4 Vtunden
von Merico, besetzt. Zu Guavalnpe, eine
Stunde von der Hauptstadt, ist eine merica-
nische Hilfstruppe von breihundert Man» mit

einem Ges-ütz zu den Freistnnigen übergegan-
gen; ebenso eine Schaar von sünfzchnhundert
Mann unter General Vicario, und eine an-
dere Abtheilung zu Iguala. Der Oberbefehls-
haber läßt alle gefangenen Guerrillos erschie-
ßen; diese werden trotzbem immer zahlkeicher,
unv rächen sich, indem sie Anhänger dcr Prie-
sterpartei hinrichten.

Deutschlan-

Karlsruhe, 17. Novbr. Friedrich Vll.,
König von Dänemark, ist gcstorben. Mit ihm
ist das königliche Haus Holstein - Olvenburg
«rloschen, und das bisherige dänische Reich
zerfällt in zwei durch verschiedene Erbfolge ge-
trennte Theile, das eigentlich national'dällische
Königreich und dic veutschen Herzogthümer
Schleswig-Holstein. Zn ersterem wird, nach«
dcm die näher berechtigtcn Glieder der weib«
lichen Linie der Thronsolge entsagt haben,
vorausstchtlich der Prinz Christian von Glücks»
burg die Regierung übernehmen; in den Her-
zogthümern steht ber Antritt derselben von
Seiten des Prinzen Friedrich von Augusten-
burg, als bes legitimen Nachsolgers vom
Mannsstauime, zu gewärtigen. Dessen Bater,
Hcrzog Christian, hat sür seine Person auf
die Gelteiibmachung seincr Successtonsrechte
verzichtet; der Sohn wird die seinigen zu
wahren und zu üben und die mit benselben
verbundenen Pstichten zu erfüllen wiffen —
Pflichlen gegeu Schlcswig-Holstein und gegen
Deutschland. Schleswig - Holstein hat durch
lange Zahre der Leiden treu ausgeharrt, in
ber Hoffnung und Erwartung, daß sein an-
gestammter Fürst dereinst an ihre Spitze treten
unv ciue neue Aera selbstständigen LebenS und
deutschen WesenS mit ihnen beginnen werde.
Diese Hvffnung darf nicht getäuscht werden.

Freilich wirv voraussichtlich der Eintritt
Schleswig-Holsteins in den vollen Genuß sei-
ner bcrechtigten Unabhängigkeit und Freiheit
uicht unbestütten bleiben. Zm Jahr 1852
hat ein Lhcil der europäischen Regierungen
zu London ein Protocoll gesertigt, welches bie
weibliche Linie, aus Zweckmäßigkeitsgründcn,
auch sür die Herzogthümer alö erbberechtigl
erklären wiü und damil bie Rechte der Her-
zogihümer und die Erbsoige ihrer angestamm-
ten Dhnastie zu ändern versuchten. Allein vie
Mitglicber diescr Dpnastie haben sich biesem
Urtheile nicht gefügt; Prinz griebrich — nach
seines Vaters Restgnaliou der nächste Agnat
männlicher Linie — hat bei den Theünehmern
am Londoner Prolocoü Protest gegen die »cue

Ordnung und dre unbcrufene Einmischung ein-
gelegt; die Zustimmung der holsteinischen und
schleswig'schen Stände ist nicht nachgesucht,
geschweige crlangt worden; die deutschen Grȧ-
mächte stnd dem Londoner Protocoll nur unter
Bedingungen und VorauSsetzungen beigetreten;
diese stnd von Dänemark nicht ersüllt worden;
der beutsche Bund hat daSselbr nie anerkannt;
er hat somit volle Freiheit, auch jetzt seine
Anerkennnng zu versagen, wmn nun die Suc-
cesfionsfrage an ihn herantritt.

Die Weltlagc ist mit dem Ereigniß deS
Ansstcrbens des dänischen KönigShauses plötz«
lich eine andere gcworden. Die BlÄe Europas
werden sich nach ber Eider und dem Sund
richten. Die Lösung der Erbsolgefrqge kann
nicht verkagt, nicht umgangen merden. DaS
Schicksal Schleswig - Holsteius wird in der
nächsten Zukunft entschieden. Von DeMsch-
lanvs Haltung, von dem festen Entschluß, in
diesem Augenblick ohne aüe Rücksicht sür das
Recht der ihm angehörigen und verwandten
Herzogthümer einzmreten, wird eS abhängen,
wie stch die Zukunft Schleswig-HolsteinS ge-
staltet und ob die Verhältniffe der deutsche»
Nordgrenze stch zu Deutschlanvs eigener Ehre
und zu seinem eigenen Frommen wenden. Eine
große Veranlworlung naht in ihreili ganzen
Ernst den veutschen Regierungen und dem
beutschen Bolk. Mögen sie fest und treu für
daS Recht zusammenstehcn!

* Heidetberg» 16. Nov. Hosrach Häuffer
hatte in semer Geschichte der babischen Revo-
lution unter anderm den jetzt amnistirten
G. v. Struve der Erpreffung und eigenmäch-
tigenHinwegnahme von größeren Summen Gel-
des (gclegenilich dcs von ihm improvisirten
Sepsember-Putsches v. Jahre 1848) beschul-
bigt. Diese Angabe steüte Struve in der zn
Koburg erscheinendcn Arbeiterzeitung, untrr
injuriösen Schmähworten wider den Bersaffer
jenes Werkes in Abrede, «nd oS gigg diese
sehr eisrige Verwahrung auch in viele andere
Zeitungen über. Hicrgcgen erklärt nu» neuer-
bings HSuffer (zunächst in der zu Frankfurt
erscheinenden Süddeutschcn Zeitung) den Be-
weiS seiner Behauptungcn erbringend:

Es ist mir dieser Tage eiue Nummer der
„Allgem. Arbeiterzeitung" von Koburg auS
zugesandt worden, bic ein „offenes Senbschrei-
ben" Gustav Struve's an mich bringt. Struve
beschwert sich, daß meine im Jahrc 1851 er-
schienenen „Dcnkwürbigkciten zur Geschichte
der badischen Revolution" auf Seite 146 die
Aeußerung enthaltcn: „DaS Struve'sche Ehe-
paar fuhr mit 16,700 Gulben davon, um bei

Die Fliege.»)

Eiue Erzählung »on Thckla Suensson.

Zn cinein vdcn Stadtviertcl lag cin klcincS Haus.
DaS hattc nur cinc Etage mit vier Fenstern, sorg-
sam mit Läden verschloffen, einc Hansthür, eben
so versthloffcn, und einen klcincn buntcn Garten,
dcffcn Bäume und Büschc so in cinandcr vcrwäch-
scn waren, daß kein Weg mchr zu findcn war,
denn keine freundliche Hand waltete weder hicr,
noch im Hause.

Etnst war vies HauS belebt. Die Fcnstcrläden
standen auf, damit dtc Sonne durch dte hellcn,
polirten Scheiben lcuchten konnte. Die Hausthür
war nicht verschloffen, man kam und gtng, man
sang und lachtc darin.

Der Garten war gut gehalten, dtc Gängc gc-
harkt. Sic waren nicht fthr hrrit odcr lang, abcr
crschicncn doch riesenhaft für zwei kleine Füße, die
darin nmherstreistcn, um Blumen zu pfiücken und
Schmctterlinge zn fangcn.

') AnS d-m „Jllustririen Fainilirnbuch'.

Drinnen im Hause war eS ärmlich, aber so nett,
so rcin. Kcrne Bequemlichkcii, kein Putz, einsach,
-beinahe nothdürftig, aber beinahe schimmernd und
glänzcnd durch Reinlichkeii und Ordnung.

Die Decken «arcn niedrig und im Sommer wurde
cS zu warm, aber dann öffnctc man allc Fenster,
auch die Thüren, und die Sonne spteite ringsum
darin. Die Mückcn fummten, dic Fiiegrn brumm-
tcn, und ab und zu flog eine großc Brumme hinern,
schnnrrte ern Paarmal rund und veriicß die Stnbe
«icder mit vielcm Wmd.

Die Bcwohncr dicsts Hauses waren etn jungcS
Paar. Die hattcn nicht »iel, nicht mehr, als dcr
Mann verdientc. Er saß von Morgcn bis Abcnd
aus einem Lomptoir, kam nur ernen Augcnblick
zur Mählzeit heim, küßte dic Frau liebcvoll auf
dtc Stirn, schloß das Kind in seine Arme und ciltc
wreder fort.

DieseS Ktnd, das war der Augenstern Betder.
Abcr lieblich war fie auch, wie ein kieiner Engel;
tief und gedankenvvll, kindlich und naiv zuglrich,
war sic ein Scgen sür dic Eltern, besonders für
den Vater.

Es war, ais legte fich ein ttfrischcnder Thau auf

die von Arbeit und Stillfitzen verdorrten Blumen
seincs HerzenS; fie sproßten, sie blühten wieder
jung und frisch, wenn er aus seinen kictucn Lteb-
ling sah, wcnn er ihn auf sein Knie fttzte und
träumend in dic klaren KindeSaugen schautc.

Dic Wutter «ar auch strebsam uud fleißig; da
«ar nichtS zu sagen üdcr fie. Sic glich «ohl nicht
ihrem Mannc, abcr bemühtc fich darum, uud solch«
Bcstrebungen sind der Achtung werth; gut zu sein
ist sehr letcht, wcnn es in unsere Herzen getegt tft;
aber es ist schwcr, wider scinc Ratur zu kämpsen. —
ES «ar das größtc Vergnügen der> kleine» Mrike,
auf die Aliegenjagd zu gchcn;. die-Uiegc» plagten
den Vater, wenn er müde und vvn der Arbcit er-
mattct heim kam, um LUSzurnhen und sich im
Schooß feiner Familie zu erquicken; ,fic setzten stch
auf seine Stirn, summtcn vor scinen Ohren und
warcn sthr zudringlich. Deßhalb war manche blu-
tige Schlacht tn der kkinen Stube, drnn Mrtke
töbtete Allc, dte fie erreicheni konnte.

Abcr wcnn dte Svnnenftrahlen mattcr wurdrn,
verschwanden die Kliegen von stlbst, und alS fie
fast alle sort waren, schten Mrike gqnz «ehmüthtg
zu stin. Sie wagtc ntcht, di- Zurückgebliebeucn
 
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