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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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August
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N: 1SS


Mittwoch, 2«. Attgnft

ZnsertionSgebühren fär die 3spaltige Petit-
zeile werden mit 3 kr. berechner.

18«3.

* Politische Umschau.

Ueber dcn Stand der Reformfragc liest
ma» in Frkf. Bl.r Oesterreich soll, um vor-
wärts zu kommen, emem Schritt hinter seine
ursprüngliche Forderung zurückgethan haben.
Es verlangt nur noch, daß gewiffe genau be-
zcichnete Hauptpnnkte seines Entwurfs sofor-
tige »nd im Wesentlichen nnvcränderte Annahme
finden. Baden und Coburg haben zu den
meistcn Bestimmungen des Entwurfs ihrc Ver-
befferungsanträge gestellt, die mit den Beden-
ken des Abgeorvnetentages wohl größtentheils
zusammenfallen werden, doch stehl Coburg der
Aiinahme näher. Ferner: Ocsterreich und dic
Mittelstaaten sollen über ein stebenköpstges
Dircctorium einig geworden sei«, in dem Han-
nover, Sachsen und Würtemberg alternirend
zwei, dic kleineren staaten durch Wahl eben-
falls zwei Plätze zu besetzen hätten; nach einer
andere» Quelte soll in bem iiämlichen Lager
eine gewiffe Geneigtheit vorhanben sein, sür
zwei Drittel her ParlamentSsitzc unmittelbare
Volkswahl eiutreten zu laffen. — Dem „S.
M?' wirv aus Frankfurt geschrieben: Be-
züglich des Fürstencongreffes hört man nur so
viel, daß die Fürsten von einer Einigung noch
weit entfcrnt sind. Baven, Coburg und Wei-
mar sollen eine wahre Volksvertretung beast-
tragen, einige, worunter Würtemberg genannt
wird, sollen dem österreichischen Project bcige-
treten scin.. Eine Einigung der deutschen Für-
sten scheint aber nicht zu Stande zii kommen,
und das ist lcider bei dem Projectc, wie cs
vorliegt, auch nicht zu bedauern. Die Skim-
mung für den Fürstenrongreß und den Kaiser
von Ocsterreich ist hier feit Bekanntwerden des
Neformentwurfs außerordentlich abgekühlt.

In einer Depesche der k. preuß. Regierung
an ihren Gesandten in Wien, Freihetrn von
Werther, aus Gastein vom 14. d. M., bezüg«
lich der Ablehniing der Einladung zum Fürsten-
tage, sagt Hr. v. Bismarck am Schlnffe: Die
k. Regierung hat ihrerseits den Moment zur
Ergreifung der Jnitiütive von Reformvor.
schlägen nicht geeignet gehalten; wenn sie aber
veranlaßt wird, stch auf diesem Gebicte aus-
zusprechen, so kann ich, unter Bezugnahme
auf die Ew. Er. bekannten, in unserer Ab-
stimmulig in der Delkgirtcnfrage in der Sitzung
vom 22. Januar d. I. niedergclegten Motivc
lediglich die Meinung wiederholen, daß ich
nur in einer nach dem Vcrhällaiß der Volks-
zahl der einzelnen Staaten auS birectcn Wah-
len hervorgehenden Vertretung deS deutschcn
Volkes, mit Befilgniß zu beschließender Mil-

wirkung in Bundesangelegenheiten, die Grund-
lage von solchen Bundesinstitutioncn erkennen,
zu deren Gunsten die preußische Pegierung
ihrer Selbstständigkeit in irgend welchem er-
heblichen Umfange entsagen könnte, ohne die
Zntereffen der eigencn Unterthanen und die
politische Stellung deS preuß. Staates wesent-
lich zu benachtheiligen.

Der Berliner „Zeidl. Correspondenz" zufolge
wäre dic Auflösung deS Abgeordnetenhauses
beschloffen, «nd bei der Rückkehr der Minister
handelte es fich nur noch um die Bestimmung
des Zeilpiinktes, wann diesclbe erfvlgen soll.

Die „N. F. Z.« verstcherk, daß die Königin
Bictoria von England aus Betreibcn ihrer
Tochter, der Krvnprinzesstn von Preußen, die
feit dem 19. ebcufalls ckuf Schloß Rosenau
weilt, stch entschloffen hat, dem König Wil-
helm über die Gefährdung der Jntercffen des
künftiaen Königspaares durch die Politik Bis-
marcks Vorstellungeu zu machen.

Nach der „Europe" habe Rechberg im Na-
men des Kaisers bcn Ministern des Auswärti-
gen der deutschen Skaaten einc Denkschrift zu-
gesteüt, welche wirksamere Mittel zur Herbei-
führuiig einer raschen Lösung der Reformfrage
angibt. Darin wird gesagt, dic Fürsten soü-
ten den wesentlichsten Punkten der Reformacte
beistimmen und sich nicht vor der Vereinba-
rung darüber trennen.

„France" ändert heute ihre Sprache über
die deutsche Bundesresorm; cine Centralere-
cntive, die nach Majorität entscheidc, änderc
das Gleichgewicht Europs's und dieses könne
daher uicht gleichgültig bleibcn bei einer Aen-
derung, welche aus Deutschland statt einer
Consöderativn einc einheitliche Macht schaffe.
„France" hofft, daß es durch Preußens Wider-
spruch beim 8tatus quo bleiben werde. Auch
„Nation" sagt, Europa dars der Bewegung
in Deutschland nicht fremd bleiben. „Debats"
bemerken, man dürfe stch darüber nicht tänschen,
daß die deutschen Fürsten nicht um ihrer eige-
nen Angelegenheiten wiüen versammell wärcn,
sie wolltcn auch Frankreich ein Wenig in sci-
nen Angelegenheiten hesfen. — Welche Anstcht
man auch von den vorgeschlagenen Reformen
haben mag, franzöfische Einsprache würde ste
sofort populär selbst bei Denen machen, welche
nur gcringen Gefallen daran finden. .

Die englischen Blätter bcurtheiten das jetzt
vorliegende Reformproject des Kaisers Franz
Zoseph günstig. „Glvbe" sagt, der Kaiser
wolle die neiien Bundesorgane vurch das Volks-
parlament stärken und erkenne damit die volle
Bebeutung constitutioneller RegierungSformen

an; die deutsche Einheit werde fortan auf
thatsächlichem Boden stehen; stc sei nui^kkine
Viston mehr. „Sat. Review" bemerkt: »ach-
dem vie Einfältigkeit, Oesterreich voM Bunde
ausschließen zu wollen, beseitigt ist, so muß
jede Bnndesreform auf Oesterrckchs Ansichten
mitbegründet sein. „Times" sagen, wenn man
auch glaube, daß Oesterreichs Borhaben miß-
glücken werde, so würde es doch die deutsche
Einheit wesentlich gefördert haben; der Kaiser
habe vie allgemeine Vcrachtung vor dem Bis-
marck'schen Ministeriuin geschickt benutzt und
wenn es auch wahrschcinlich sei, daß dre Für-
sten stch trennen, ohne den beabstchtigten Zweck
erreicht zn haben, so würde ihr ZugestäNbniß,
daß Deutfchland zu einer wirklichen Conföde-
ratiost umgestaltet werden sollte, doch wichtige
Folgen haben.

D eutsch land

Karlsruhe, 24. Aug. DaS heutigc Reg.-
Bl. Nro. 36 enthalt: 1) Erlaubniß zur An-
nahme des von König Victor Emanuel dem
Consul Traumann in Mannheim verliehenen
Ritterkreuzes des St. Mauritius- und Laza-
rusordens und bes Ritterkreuzes des franz.
Ordens der Ehrenlegion an Hofknpferstecher
Professor Willmann dahier. 2) Dicnstnach-
richten (außer Vereits mitgetheilten): der pröv.
Dampfschifffahrtsverwalter Bischoff in Konstanz
ist wiedcr als Postrevisor hierher versetzt, Prof.
Hochstetter erhielt den Charakter als Baurath,
Profeffor vr. Schmidt von der Universität
Heidelberg die nachgesuchtc Entlaffung aus deM
Staatsdienfte; der ev. Pfarrverweser Wuchettr
in Singen ist zum dortigen Pfarrer ernannk.
3) Bekanntmachungen von Ministerien: a)
Namensändcrung des Sigmund Levp Hanf zu
Mannhcim (in Sigmünd Lewp) betr., b) Er-
nennung von Schwurgerichtspräsibenten für
nächsteS Quartal: in Mannheim: Hofgerichts-
rath Reinhard (Stellvcrtreter Löwig), in
Bruchsal: H.-G.-R. Bohüi (Gerbel), in Frei-
burg: H.-G.-R. Wielandt (Kirn), in Kvüstanz:
Hofgerichtsr. Mann (Bujard); o) Staatsge-
nehmigung von stiftungeii im Seekreise; «!)
der Mcris'sche Freiplatz im weiblichen Lehr«
institut zu Baden ist erledigt; «) Wilh. Halm
in Konstanz und Friedrich L-choch in Lichtenau
erhielten Apothekerlizenz; t) Erfindungspatent
erhielten: Jngenieurkapitän Wchouberzkp in
Petersburg'für sein Schwungradapparat für
Lokomoliven und Bahnzüge; g) die Poftstall-
meisterei Wiesenbach ist aufgehoben. 4) Er-
ledigt sind: das Diaconat und bie erste Lehrer-

/X Baden, 18. August. Unscrc Qucllcnstadt
wächst riefig! Wie cin aufgchender Tcig ist sie aus
dem frühcrcn engen Maucrband übcr dic HLgel
ringSumhcr gesticgen und hat in 50 Aahrcn dre
Bevölkcrung «erdrciiacht. Anno 1793 warcn 53
Badegäste hier und in dcr l-tztcn Zcit zählte man
jährlich über 40,009. Wann der Höhcpunkt ein-
tritt, kann Niemand bestimmen, und doch schcint
es unmögltch, Laß eS so noch Jahrhundcrte steigert !
Natürlich jst das ganzc Lebcn ein anderes gewor-
den. Vor fünfzig Zahren hcrrschte hicr cinfache
Gemüthlichkeit; auf Bauerwagen mit Brettern oder
Sttohsäckcn setzten sich Bürgerfamilicn und licßen
sich lachend durcheinanber fchütteln. Ein Bad war
für 3 Kreuzer zu habcn. Jm Conversationshause
saßen Frauen mit Handarbeiten und plaudcrtcn,
die Spaziergängcr betrachtend. Aetzt wird ein
Stickmuster, als gegen den Anstand fehlend, con-
siSctrt. Dcr Satz: „Man fcicrt die Gegenwart
eines Ehrenmannes durch nützliche Arbeit", scheint
verloren gcgangrn; denn man ehrt jetzt dnrch Richts-
thun. Eben so Lngstlich wird die Toilettc, ob mit
oder vhne Lravatie, beobachtet; höfiich erinnert

man den in den Saal Schreitenden, wenn er eintge
Fuß weit von der Thür den Hut noch ntcht gcsenkt.
Die Scencn find nicht ncu: wer gedeykt nicht noch
der gelben Westc, «elche dem nordamerikanischen
Gcsandten tn London den Etntritt bei Hof ver-
schloß? Man nennt das Badefrcihciten und Gc-
denkblätter des Anstandes. Auch das Spiel hat
sich sehr verändert, einst konntc man mit 24
Krcuzern setn Glück machcn (?), jetzt gehört
mindestcns 1 Thaler dazu. Dieser Aufschlag tst
zum Besten des Publikums, in Wahrhcit kommt
er jedoch der Bank zu gutc, wte bewiesen ist; denn
je höhcr die SLtze, um so höher auch dic Procente
dcs grünen Tisches! Vonr Sptclc abgchaltcn wird
durch den größeren Satz nur selten Zcmand. —
Das Geld ist nie so unentbchrlich gcwesen, als
jetzt, und nie sv werthloS; denn dte Guldtnstücke
allcin gelten zu wenig, nur in großer Gesell-
schaft erringen sic noch Achtung. Dic Prcisverän-
derungcn überall in den letzten Jahrzehenten find
gewalttg, abcr am gcwaltigsten in den großen
Städtcn und BLdern, wo der Lurus cin'zog und
Paläste dre ländliche Einfachbelt verdrängten. —
An Badcn «ird nicht seltcn geklagt, daß das Lese-

kabinet tn patrtarchaltscher Einfachheit verharrt,
schmale Räume und Lectüre, namentlich im Vcr-
gleiche mit Homburg und Wicsbaden, während Ball-,
Theater- und Spielsäle auch hier zettgemäß wuch-
scn. Tritt etnmal Regenwcttcr cin, dann tst ost
kein Blatt zum Lcsen und kcin Sjtz zu haben,
weil die RLumc dem Bedürsniffe nicht entfprechen.
Dazu «erden erst 11 Uhr dic Conversationssäle
geöffnet, und cs tritt (ür Vtcle dann -ine wahre
Unterhaltungsnoth ein. Einem Lurusortc ersten
Ranges, wic Baden ist, sollte auch in diefen Hin-
fichten eine paffende Rechnung getrageN werden,
und dabei der Winkel, wohin daS Lcfeziinmer
mündct, von dem draußen davor meist stattfinden-
dcn störenden Geplauder auch etwaS gesäubert wer-
den. — Unvergänglich ist dafür und unrrreicht
(wenn man pittoreSke Lagen, wte die «on Gaftein
etwa, ausnimmt) BadcnS Naturschöne. Dic Kunst
brauchte nur einc kletne Fetle anzulegen, um alle
Wünsche zu befriedigen. Das fühlten schon unscre
Vorfahrcn vor Aahrtausenden, und ÜM-e-Mr »vch
unverwischten Tritte find daher sür.de» Woller der
Ncuzcit phantasieerrcgend. Phantastjsch gofovmte
Bcrgkcgcl steigen, dies Thal umlagcrnd, empor,
 
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