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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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Dezember
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M 3V«


Donnerstag, 31 Deeeinber


18«3.

* Politische ttmschan.

Die Vermulhung, daß es dem König Chri«
stian sehr schwer sallen werde, ein neueS Mi»
nisterium zu bilden, wird durch die Kopen.
hazener Bri'efe bestätigt. Da es nun vem
Köni'g nicht gelingen dürfte, biS zum 1. Jan.
etn neues Ministerium zu bilden, und die Be«
rufnng des alteu Steichsraihs bis 31. Decbr.
dlirchzusetzen und von letzkcrem bie verfafflliigs«
mäßige Suspenston dcr November-Versaffung
zu erlange», so wird Christian IX. genölhigt
sein, um die Nachstcht Oeflerreichs und Pre».
ßens zu bitten und deuselbeii zu versprechen,
er werde später auszuführen suchen, wozu
seine Kräfte setzt nicht hinrcichen, wenn er
nicht zu einem Stüaisstreich grcifen Will, bei
dem er leicht seine Krone verlieren könnte.

Die Commiffäre deö Bundeötages haden in
'ihrer Bckanntmachung die Proclamirung bes
Herzogs Friedrich als Landeöhcrrn von S.-H.
alö einen widerrechtlichen Act, eine Störung
drr öffentlichen Ruhe und Ordnung behanbelt.
Wenn auch der Bundestag eiidgüllig über die
Successtonssrage zu enlscheiden hat, so ist eö
doch nicht zu rechtfertigen, wen» die Commis.
säre sich der Proclamirung Friedrich VIII.
entgegenstellen. Es ift ja ni'chl den Commis-
sären zugemuthet, daß ste rie Proclamirung
deS Herzogs selbst voriiehmen sollten, sondern
eS handclt stch allein darum, ob ste eö hin>
dern dürfen, daß das schleswig-holsteinische
Volk von dem alten deutschen und seinem
specieüen Landesrecht, den berechtigien Kron-
erben auszurusen und auf den Thron zu setzen,
Gebrauch machen dürfen, Will man abweik-
den, daß dcr Ausspiuch wie biöher so auch
ferner, in improvistrier Art vor sich gehe, fo
berufe man eine Vertretung veö Lanbeö. Ge-
schieht dies nicht, so nöthigt man zur Fort-
setzung deS seitherigen Verfahrens unb berech-
tigt dasfelbe allerwege.

General Murawiew ist seineS Postens als
Befehlshaber in Lithauen enihobcn worden.
An seine Stelle tritt General KrifchanowSky,
von dem ruffenfrcundliche Bläller sagen, er
sei cben so ihaikräftig, abcr viel milber und
gerechler äls sein Vorgänger.

Zur Schleswig-Holstein'schen
Sache.

Die Jnstcuction für bie zur Erecution i'n
den Herzogthümern Holstein und Lauenburg
bestimuilkn Civilcommiffäre lautet wie fvlgt:

1. Dte Civtlcommiffäre haben auf den Grund de-
Bm'bkSbeschluffes vom 7. Dec. 1863 dte Verwaltung der

Herzogthümer Holsteta und Lauenburg im Auftrage deS
deutschen Bundes und unbeschadet der nur zeitwetse suSpen»
dirten landesherrltchen Rechte zu übernehmen und so lange
zu führen bis durch etnen anderweitigen Beschluß der deüt«
schen Bundesversammlung die Beendigung deS angeordneten
VerfahrenS besttmmt setn wtrd.

8 2 Es werden thnen deßhalb hterbei neben jenem
BundeSbeschluffe dte demselben vorangegangenen vom 1!.
Februar unb 12. August 1858, 8. März 1860, 7. Febr.
1861, 9. Zuli und 1. October 1863 zu threr Kenntntß-
nahme zugeferttgt. Auch erhalten fie durch thre höchsten
Regierungen Mtttheiluag von den tn Gemäßhett deö Buu-
deSbeschluffeS vom 1. Octbr. d. I. über Zusammensetzung
und Berettstellung des ErLcütlvnScorp- und setner Reserven
getroffenen mtlitärischen Verabredungen und von der. tn
Folge deS BundeöbeschlusseS vom 7. December 1663 an
dte köntglich dänische Regterung gertchteten Eröffnung der
höchsten Regierungen von Oesterreich, Preußen, Köntgreich
Sachsen und Hanuover.

8 3. Dte Verwaltung ist in Ansehung aller Rcfforts,
unter alletntger Letlung der Ctvtlcommiffäre, nach den
Landeögesetzen zu führen. Alle zu diesem Zwecke geeigueten
Anordnungen, namentlich auch tn Ansehung der betzube-
haltendeu oder durch Andere zu ersetzenden Beamten, haben
dte Civtlcommtffäre zu treffen und deren Vollzug zu for-
dern, nöthtgensalls mtt Htlfe der Bundesexkcutionstruppen
zu erzwtngen. Bei Beendtgung der Ereculton wtrd sür
Sicherstellung der Erfüllung der Zusagen, welche von den
Civtlcommtffären den von ihnen verwendeten Beamten ge-
macht worden find, Vorkehr getroffen worden sind.

§ Soüte wider Erwarten dcm ErecutionSverfahren
tn setnem Beginne oder Fortgange gewaltsamer Wtderstand
geletstet werden, so haben dte Civtlcommtffäre, tm Ein-
vernehmen mit dem commandtrenden General, die mtt der
Erccution beaustragten höchsten Regterungen um Nachsen-
dung der erforderlichen weiterrn Reservetruppen auf den
Grund 'deö BundeSbeschlüffeS vom 1. October d. Z. zu
ersuchen.

8 5. Dte Ctvtlcommiffäre haben darauf bedacht zu setn,
daß dte Etnwohner der dctdrn Herzogthümer so wenig als
mögltch durch.dte Gesetzung derselben durch BundeStruppen
beläfttgt werden. Es ist daher entsprecheude Vergütung
aller sür dte Truppen crforderltcher Letstungen zu veran-
laffeü und dte Lruppen sivd so vtel atö mögltch zu ka-
serntren.

8 6. Dte Ctvtlcommiffäre haben bei threm Eintritt
tn dte Herzogthümer tn etner an dte Landesangehörtgen
gerichteten Bekanntmachung den BundeSbeschluß vom 7.
Decbr. 1863 und den thnen in Gemäßheit deffelben durch
dte gegenwärtige Znstruction erthetlten Auftrag zur allge-
metnen Kenntniß zu brtngen, unbedtngten Gehorsam sür
thre Anorduungen und wtllige Unterstützung ihrer auf Wah-
rung der LandeSrcchte gerichteten Aufgabe tn Anspruch zu
nehmen und die Verficherung htnzuzufügen, daß sie für
mögtichst gertnge Belästigung der Einwohner Sorge tragen
werden, und daß demgemäß entsprechende Vergütung aller
Letstungcn für dte Truppen stattfinden wtrd.

8 7. Die Kosten des angeordnetcn VerfahrenS sind,
unter Vorbedalt der Wiedereinziehung nach Maßgabe deS
ArttkelS XIV der ErecutionSordnung, aus den RegterungS-
etnkünsten dcr Herzozthümer Hotstetn und Lauenburg, so
weit dieselben ntcht zur regelmäßtgen Landesverwaltung er-
fordert werden, beztehungSwetse durch Vorschuß aus der
BundeSkaffe zu bestretten. Dte Civtlcommtffäre haberd
deßhalb auS den der BundeSkaffe in Etnnahme zu ftellenden
Ueberschüffen Zahlungen für Rechnung der BundeSkaffe auf
Requtsitton der Bundeökaffen-Verwaltung zu leisten und
dteser letzteren monatltche Nachwetse der für sie stattgefun-
denen Etnnahmen und Ausgaben einzureichen.

8 8. Dte oberstc Lettung deS angeordneten ErecutionS-

Anlergang des Schiffrs „Wilhelmsburg".

DaS „Neue Hamburg" entnimmt dem Privat-
briefe clnes der während der Katastrophc an Bvrd
Befindlichen u. a, Folgendes: „An 3V0 Menschcn
sino in dcr grauenoollen Nacht vom Donnerstag
bis zum Freitag crtrunken, darunter der Kapitän
und der steinaltc Doktor. An Kleidung ist nichts
gerettct, alleS hat das Waffcr fortgespült und an
unbekannte Küsten gcworfcn. Bon der ganzen
Wilhelmsburg, einem der größten Schiffe Ham-
burgö, ist nichts übrig geblicben als ein Stück des
Hintcrtheils, welcheS durch daS starkc Berdcck noch
ein wenig aus dem Wasser gchaltcn wird. Jn Kürze
will ich Dir erzählcn, wie es unS auf dcr ganzen
Fahrt ergangen ist. Gestern vor vierzchn Tagen
gtngen wir mit 3lb-20 Paffagicren von Stade
mit gutem Winde weg nach Scc zu. Wir waren
noch nicht lange in Sce, als wir Wcftwind be-
kamen, der sich von Tag zu Tag verstärkte, btS cr
zum Stnrme wurde und wir nicht mehr segeln
konnten, sondern zurückgetricben wurden nach der
Küste zu. Jn der Nacht vvm Donnerstag zum

Freitag wüthcte der Sturm so heftig, daß unS dic
festgemachten Scgel wegwehten und daß dlc noch
belgesetzten ganz kleinen, aber starken zerrissen. Es
konntc kcin Matrosc cS wagen, in die Masten hin-
aufzustcigen, alle waren wir bangc, daß die Masten
brächen, Das Schiff wurdc furchtbar von den Wellen
hin- und hergeworfen, man konnte es zuletzt nicht
mehr steuern. Um 1 Uhr rief der Kapitän unS
auf, das Loth zu werfen; wir warfen cS, und zu
unserem Schrcck fanden wir schon bei 17 Fuß Grund
und 18 Kuß ging daS Schiff tief. Wir sahen ein,
daß loir verloren. Nach wenigen Minuten stleß
daS Schiff vorne auf und mit furchtbarer Gewalt
sogleich auch hinten. Das Ruder zerbrach. Aetzt
kappten wir dte Mastrn, fie zerbrachen wle Stecken.
Dtc Trümmer derselbcn schlugen große Löcher ins
Deck, fo daß sich sofort das Zwischcndcck mit Waffer
füllte. Abermals ein Krachcn und daS Schiff brach
mitlcn entzwei. AUeö, was auf dem Bordcrtheil
des SchiffeS und im Zwischcndeck war, crtrank,
erstcreS sank mit allem, was darauf war, und das
zwcite war voll von Waffer. 250 Mcnschcnlcben
«arcn cin Raub der Wellcn in wenigcn Sccunden.
Doch wir konnten nichtS thun; i» solchcn Augen-

«erssheens ftcht d« deutschen Buudetversammiuug zu, an
welche die Eivllcommisiäic übcr den Gang ihrer Venval«
tung sortlauscnd zu berichten, und von wrichrr fte, so oft
ihnrn b-sondcre Anweisnngrn sne ihr D-rhalt-n nöthig
«erdrn, solche zn eebitten habcn,

Die in Hamburg beschloffene Peti'ti'on der
holstei'ni'schen Stände an den Bundestag lautrt;

„Hohe Biindesversammluiig! Dte dänische
Strei'tmacht ist im Begri'ff, daS Herzogthum
Holstei'n zu räumen und der deutsche Bund,
dasselbe i'n Besttz zu nehmen. Der ärgste
Druck, der auf dem Lande lastete, wi'rd da-
durch für jetzt gehoben nnd dle Frelidc wird
sich darüber bei dem Ei'nzuge der BundeS-
truppcn laut und jubelnd kund geben.

„Aber das Land ,'st dennoch tief ergriffen
von dem Ernste sei'ner Lage, wenn es den
Blick i'n die Zukunft richtet. Der Anhalt deS
BundesbeschluffeS vom 7. d. erhält di'e Be-
wohner fortwährcnd i'n der gespanntesten Un-
ruhe und cS ist ei'n unabweisbares Bedürf-
niß, das auSzusprechkn, waS alle Gemüther
so tief bewegs.

„Die bolsteini'schen Siände, das verfassungS-
mäßlge Organ des LandeS, sind ni'cht ver-
sammelt; ibre Berufung wird hoffentiich bald
erfolgen, aber daS Land kann auch bi'S dahi'n
nicht stumm bleiben.

„Di'e unterzeichneten Abgeorbneten und
Stellvertretcr zur holsteini'schen Ständever-
sainmlung, welche alS solche sich wohl als die
erwählten Vertrauensmänner des Landes be-
zeichnen dürfen, folgen daher nur dem Rufe
der Psticht, wenii ste unverholen auSsprechen,
waS nach ihrer gewlffenhaftesten Ueberzeugung
die Bewohüer der Herzogthümer hvffen und
anstrebcn.

„Di'c Vereinbarilngei, von 1851 und 1852
konnten sclbst während des Bestehens der dp>
nastische» Verbindung zwi'schen den Herzog«
thümern imd dem Köm'grei'che Dänemark zu
einer befriedigciideii Ordnung der Verfaffnngs-
verhältniffc nichl führen. Die vielfachen, sei't
längcr als 10 Jahren gemachten Erfahrungen
haben erwiesen, daß auf Grundlage jener
Verträge eine wahre Selbstständi'gkei't der Hcr-
zogthümer dem Köiiigrciche gegenüber gar nicht
erreicht werden kann. Der Kern des Slrei'«
tes ist das Herzogihum Schlcswig, auf deffen
unzertreniilichk staatsrechtliche Vereini'giing mit
Holstein di'eses wi'e jenes ein unbestrei'tbares
Rcchi hat. An diesem Rechtc haben wir seit län-
gcr als äOO Jahren zu allen Zci'teii festgehalten
und werdcn feriier festhalten, so langc noch eln
Funke vou Rechts- und Ehrgefühl in ihren
Bewohnern lebt. Di'ese Verbindung vöUig zu
lösen und Schleswig gcgen dos klarste Nccht

bllcken denkt man nur an sich sclbst, und hat auch
genug zu thun, um sich sclbst zu rcttcn. Da sank
! auch daS Htntcrthcil, aber nur wenig, unter den
Waffcrspiegel, der untere Theil hatte sich gut er-
haltcn u„d festgesctzt im sandigcn Grunde. Nun
kam aber eine See über die andrre auf Deck, schlug
! dle Verschanzung weg und nahm Alle mit, welche
sich nicht halten konnten. Wir sprangen Alle iu
! daS große Boot, das, zwischen den Masttrümmcrn
. und Waffcrsäffcrn festgcrammt und eingeklemmt,

^ sich auf Tcck hielt. Hinter mir und vor mir lagen
! Todtc und Verwundete, untcr denen sich auch der
Kapitän befand. So im Boote zusammengekauert,

! jcder Sturzstc auSgefttzt, einma! aus Todten lie-
gcnd, das anderemal zwischcn Todte verpackt, er-
wartete tch den Tag. Es war wohl 7 Uhr, als
wir in dcr Fernr eine nordische Bark -mtt gekapp-
ten Masten, sonst aber uoch ganz erhalten, an
Strand treiben sahen. Zhrc Mannschaft fetztc ihr
großeS Boot aus und kam glücklich anS Land.
Zhrcm Betspiel folgten wir, obwohl unser Boot
leck geworden war. Aetzt kamcn hinter dicsem und
jenem Waffcifaß, hintcr diesen und jencn Trüm-
- mern, au« allen Ecken »och Menschen hervor, fast
 
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