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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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August
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N 18»


Frettag, t'i. August 18SA.

Die -eutfche Derfaffungs-Frage.

U.

. Man war bi'sher gewohnt, auf jeden Bun-
deSreformvorschlag, der von den Höfen aus-
gi'ng, ohne besondere Hoffnung zu blicken, ja
ihn mit einem gewiffen Mißtrauen anzusehen,
welches lheilweise durch di'e hierüber zur Oef-
fentlichkeit gelangten Plane und Projecte ein-
zelner, Cabinete nicht ungerechtfertigt war.
Der bevorstehende Fürstentag in Frankfurl
bildet jedoch einen großen, hiermit nicht zu
vermengenven Unlerschieb. Nicht die Minister,
die Cabinetc der Fürsten werben hier tagen,
sondern diese Letzteren selbst: die deutschen
Fücsten haben damit selbst anerkannt,
daß die deutsche Bundesverfassung
bringend einer Reform bedürftig ist,
und es ist der höchste und äußerste Ehrenpunkt
fur ste, für den sie gleichsam mit ihrer eige-
nen Person eingestanben sind, daß irgend eine
namhaftx Verbefferung zu Stande komme, und
sie nicht unverrichteter Sache auseinander ge-
hen! Sie machen stch hier unter anderm ver-
traut mit der Jdee der Bildung eines deut-
schen Oberhauses,einer Jdee, deren Ausführung
in den dreißiger Jahren der als sreisinnig be-
kannte badische Minister Winter für einen Cin-
griff in die Souveränetät ber deutschen Fürsten
erklärte. Die der Ausführung einer grünb-
liche» Reform im Wege stehenden Hinderniffe
dcs deutschen Bundesrechtö sind unS wohl bc.
kannt; Man wird aber über solche, wenn man
ernstlich will, leicht hinwegzukommcn ver-
Mögen. Es isi unter solchen Umständen von
einem Theile der Preffe viel zu weit gegan-
gen, der bevorstehenden Zusammenkunft aüen
und jeden practischen Erfolg schon im Voraus
absprechen zn wollen. Jeder wirkliche Fort-
schritt, er gehe aus von welcher Seite er wolle,
wird dem deutschen Volke willkommcn sein.

Die curopäische Lage ist gefahrvoll und er-
heischt die Eintracht Deutschlands. Antrieb
genug zum Zusamnienhalten aller deutfchen
Bu'ndesglieder ist gegeben. Zur Vermeidung
eines KriegeS gibt es keine beffcren Mtttel als
Deutschlanbs Einheit. Sv kanu z. B. Ruß-
land seinen Widerstand gewiß nicht fortsetzen,
wenn ein starker deutscher Bund unb die West«
mächlc vereinigt ihre Erfüllung der Wiener
Verträge in Bczug auf Polen fordern, Wäre
Deutschland nicht zerriffen, wäre es jetzt schon
einc zusammenwirkende Macht, s» würden die
bisherigen diplomatischen Verhandlungevsüber
die polnische Frage bereits einen gänz ändern
Fortgang gehabt, und ihre Witkung nicht er-

mangelt haben. Die russtsche Regierung stützte
sich bis jttzt hauptsächlich darauf, daß ste un-
ter den deutschen Mächten nur Ocsterreich
gegen sich hat; da der Zugang zu dem Theile
ihres Reiches, der in einem Kriege Schauplatz
werden müßte, durch Norddeutschland führt
und von Preußen biS jetzt geveckt und ver-
schloffen wird, so fürchtet sie die übrigen
Mächte und ihren Angriff nur wenig. Schon
im Krimkriege hat die russtsche Politik von
einer ähnlichen Spaltung in Deutschland gro-
ßen Vortheil gezogen. Ändererseits nährt
die Schwäche Deutschlands in den Führern
der polnischen Bewegung die Hoffnung auf
eine kriegerische Jntervention FrankreichS und
auf die Wiederherstellung des ajten Polcnrei-
ches i'n den Grenzen von 1772. — Die Noth-
wendigkeit, daß Deutschland ein staatsrecht-
liches Band der Einigkeit umschlinge, springt,
wie bei hundert andern Anläffen, so wieder
durch diese Gestaltung der neuesten allgemeinen
politischen Lage aufS deutlichste i'n die Augen.
Wenn der bevvrstehcnde Einigungsversuch miß-
lingen sollte, so haben unter den gegenwärti-
gen Weltvcrhältniffcn »ur bie Feinde Deutsch-
lands den offenbaren Nutzen davon. Hoffen
wir daher, daß kleinlichc egoistische Znteressen
und particnlaristische Bestrebungen nicht daS
Scheitern des angebahnten großen WerkeS ver-
anlaffen. Erleichtert ist dasselbe wesentlich
dadurch, daß Oesterreich nach neueren Nach-
richten nur mit seinen deutschen Staaten in
den ntncn Bundesstaat eintreten, auch den
Wünschen des deutschen Volkes Rechnung durch
ein aus freien Wahlen zu Stande gekommeneS
Parlament Rechnuug tragen wiü.

* Politische Umschau.

Die freie Stadt Lübeck wird auf dem Con-
greffe durch ihren Bürgermeister, Herrn Rock,
verlreten sein.

Dcr König von Hannover wird mit großem
Gefolge am 16. August in Frankfurt eintreffen
und im Russischen Hof absteigen. Der Her-
zog von Sachsen-Meiningen, begleitet von sei--
ncn Ministcrn, trifft bereits am Freitag, und
der Herzog von Braunschweig am Samstag
ebendaselbst ein.

Die vorgestrige „Augsb. Allg. Ztg." be-
merkt in ei'nem Aufsatz über die Bundesreform
und das constitutionelle Princip: Es sei die
gänzliche Umwandlung des geistigen und ma-
leriellen Verkchrs in Folge der neuen Erstn-
dungen im Gebiete der praktischen Natur-,
wiffenschaften, welche mit unaufhaltsamer

Drr Spion Napolcons.

' (Fortsetzüng.)

Jn Prag angelangt, wurde cs ihr nicht schwer,
die Wohnung Schustlcrs in Erfahrung zu bringen;
als reicher und geachteter Mann war er in der
, ganzcn Stadt bekannt. Weit schwieriger war eS,
eine Wohnung, der seinigen ganz nah, ausstndig
zu machen, allein der Zufall, welcher nur zu häufig
das Böse begünstigt, kam ihr zu Hülfc. Ein alter
Pergamentmacher, Danycck mit Namcn, brwohnte,
einen Büchsenschuß von Schustler's Hause cntfernt,
ein cinstöckiges, im ländlichcn Styl aufgcführtes
Gebäude, und da dersclbe schon lange etnen KLufcr
für sein Erbe gesucht, so «ar es dcr D—s leicht,
mit ihm Handels einig zu werden. Sie kaufte
daffelbe für 32,000 Krcs., und nachdem fie cintge
ihr nothweNdig scheinende Rcparaturen an dem-
selben hatte vornehmen laffen, war fie tm Befitz
eincr angcnehmen geräumigen Wohnung, die so
günstig lag, daß fie von thren Fenstern aus in die
mtt lururtöser Pracht ausgestattetcn Gemächer deS
Mannes sehen kvnnte, deffen Befitz der Zweck ihrer
Reise s>ar. Es galt also n»r nvch, den Letzteren

zu crobern, und hier war Fräulcin D—s in ihreM
Elemente. Sic ahnte nicht, daß das Blatt fich
lcicht «enden könne. . !

Schustler war ein heiterer Lehemann. Er liebte !
es, oft im fröhlicheN Freundeskreise bei Wein und '
Spiel seine müßige Zeit hinzubringen; fast jeden ,
Nachmittag führte ihn sein Cabriolet zu diesem
Zwcck zur Stadt, und auf diese Ausflüge baute
Fräulein D—S thrcn Plan.

Eines Tages, als fie gcsehen, daß Schustler !
scine Wohnung verlaffen, rüstetc auch fie sich zu !
einer Spaztertour. Nachdem sie sorgfältig Toilette >
gemacht und durch dicse die reizenden Formen thres
Körpers auf die «erlockendstc Art zur Geltung gc-
bracht hatte, bestieg fie ihr Reitpferd, und da sie
es verstanv, sich auf höchst graziöse Weise im Sattel
zu bewegen, so bot sie die ltcbltchste Erscheinuiig,
welchc die Phantasie nur immcr zu erdenken ver-
mocht HStte.

Als fie sich vcr Stadt bis auf ctne Viertclstunde
genähert, verkündete ihr cine dichte Staubwolke in
der Ferne und das Gcräufch von Rädern einen
dahcrkominenden Wagen. Sie ritt langsamer, um
denselben zu crwarten, und als dieser nur noch

Macht di'e zu starren Schranken der Klein-
staaten zusammevbreche und zur Formation
großer Machtgebiete hindränge. Die groß«
deutschen Organe überhaupt erinnern jetzt an
das Zusammentreffen des DalumS des Fürsten-
tages mit andern Daten, welche sich an daS
Aufhören des deutschen Reichsiags anknüpfen.
Gerade 1663, also vor 200 Zahren, habe in
Regensburg dic letzte Conferenz deutscher Für-
sten stattgefunden. Bekanntlich schrumpfte ber
Regensburger Reichstag immer mehr zu Zu-
sammenkünften der Bevollmächtigten der Für-
sten, welche damals schon nach Znstructionen
hanbelten, ziisaminen, bis er nach Auflösung
des Reiches als Bundestag wieder erstand.

„La France» theilt mit, die Erwählung deS
erzherzoglichen Kaisers durch die von den Fran-
zosen erwählten Notabeln habe den üblichen
EnthusiaSmus, eine begeisterte Stadterleuch-
tung und eine Zustimmungs.Riesenadreffe her-
vorgerufen. Sie sagt ferner, die Entscheidung
der Notabeln werde noch der Genehmigung
der einzelnen mericanischen Staaten vorgelegt
werden. Wie kann aber das sein, da schon
die fünf Abgeordneten deS Notabeln-HumbugS
mi't ihrer Kaiserkrone im Feüeisen nach Wien
abgereist sind? Doch läßk stch die Sache cr-
klären, wenn man annimmt, daß den Einzcl-
staaten das Genehmigen, aber nicht daS Ab-
lehncn und Verwerfen gestattet wird. DieS
ist um so wahrscheinlicher, da „France" be-
reits mit Bestimmtheit verkündigt, der neue
Kaiser werde im Zanuar 1864 in Merico ein-
treffen und „scinen" Thron besteigen. „France"
zählt so fest auf die Annahme von Seitea deS
Erzherzogs, daß ste glaubt, es werdc hierdurch
der Bund zwischen Wien und PariS in der
polnischen Frage enger und fester werden.
Sollte wirklich das alte verständige Oester-
rcich sich in solchen amerikanischen Schwindel
einlaffen? Wir können eS nicht glauben, bis
wir es gesehen habcn.

Deutschland

Frankfurt, 9. Aug. OesterreichS Einla-
dnng ist bekanntlich durch cin kaiserl. Hand-
schreiben erfolgt, das von einer Nvte des
Grafcn Rcchberg begleitet war. Letztere knüpft
an die österrcichische Erklärung am Bundes-
tagc bei Gelegenheit des BeschluffeS über die
Herbeiführung eines allgcuieincn deutsche»
Obligationsrechtes an, und findet die jetzige
Lage der deutschen Verhältniffe dem bestchen-
den Bedürfniß nach Reformen gegenüber so
trostlos und so sehr einer durchgrLifenden Ab-

eine kurze Strccke von ihr entfernt «ar, erkannte
fie die Equipage des Herrn Schustler.

— Fertig zum Gefecht.

Sic richtete sich stolz im Sattel auf, schlug den
Schleier von ihrem verführerischen Geficht zurück
und gab plötzlich ihrem ruhig schreitenden Pferd
die Sporen. Jn dtesem Augenblick «ar Schustler'S
Wagen zur Stclle. Der Schtmmek, vom Sporn
verwundet und zu gleicher Zeit stark gezügelt,
machte mit seiner Reitertn einige gewaltige SLtze.

Schon «ar die Aufmerksamkeit des galanten
Böhmen gcfcsselt, mit Bewunderung hatte er dte
schöne Reiterin bereits aus der Ferne bemerkt, und
als es ihm jetzt vorkam, alS wolle das Pferd fich
seiner Last entledigen, bcnutzte er die Gelegenheit,
die reizende Unbekannte näher kennen zu lernen.

Eilig sprang cr auS seincm Wagcn und fiel ihrem
Thicr in die Zügel. Er hatte sich vorgenommen,
sie mit einer der gewöhnlichen Phrafcn anzureden,
aber als er jetzt ihr Auge i» Auge gcgenüberfiand,
versagtc ihm die Sprache ihren Dienst; die Retzc
dcr Amazonc schienen ihn zu versteinern; er' stand
eincn Augenblick, krampfhaft die Zügel umfaffend,
den Blick starr auf fie gehcftet.
 
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