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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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August
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https://doi.org/10.11588/diglit.2801#0113

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N; 179


Sontttag, s. Attgust

InsertionSgrbübren für^ Zspalüge Petit-

18«S.

-» Auf die „Hekdelberger
Zektung" kann man fich

_ ^ noch für dke Monate

August und Zeptember mit 36 Kreuzern abon-
niren bek aüen Postanstalken, den Boten und
Trägern, sowke der Erpeditkon (Schiffgaffe
Nr. ä).

Rußlands Antwort.

Es kann nicht gelängnet werden, sektdem
der volle ALortlaut der russischen Antwort auf
die drei Noten der Großmächte bekannt gewor-
den, ist die Hoffnung auf Erhaltung des Frie-
denö sehr herabgestimmt worden. Dieser mkß-
liche Eindruck ist der glciche in Öesterrekch,
England iifld Frankreich, in der Preffe unv
bei der Börse, bei dem Publikum, wie bei den
Regieriuigen und Diplomateii. Rußland hat,
obwohi mit süßer Miene und höflichen Wor-
ten, allc Näthe zurückgewiesen, und aüe Ver-
antwortlichkeit auf die Rathgeber gewälzt.
Fast mit kronischem Tvne gkbt eö zu verstehcn,
daß fie die polnische Frage nicht recht ange-
griffen haben, und daß mir den sechs Punkten ber
drei Noicn den viel wciter gehenden Wünschen
der Polen nicht gebient sei, vielmchr burch
jene nur Ort unb Form gegvffcn werde; daß
man enblkch von einer europäischen Conferenz
und selbstverständlich noch weniger von einem
Waffenstillstande etwas wiffen woüe, dagegen
füc Adhattung cines specieiten Congreffes mit
den Theilungsmächten (Oesterreich und Preu-
ßen) geneigl sek. Dieser ietztere Vorschlag
enthielt nur allzu deutlich den Versuch, Oester-
reich von den Westmächten zu trennen und
aus die rusfische Seite hknüber zu drängen.
Das Wiener Eabinet zeigte jedoch eine mcrk-
würdige Festigkeit, und es hat, um allen Zwek-
fel ber derden Westmächte zu beseitigen, zu-
erst die russische Antwort fur ungenügend er-
klärt unb die Jnitiativx znr Bereiiibaruug wei-
terer Schrktte ergr'iffcn. — Noch bevor Frank-
reich und England gesprochen, erkiärleOester-
reich offen, was es wiü unb nicht will, und
lehnte Vamil jede Sonderverhanblung mit
Rußland ab.

Was wird nun geschehen? Wird es nun
doch zu einem Kriege kommen? Rußland sprach
wohl allgemein iu der zuversichtiichen Vor-
aussetzung, baß ein Krieg wegen Polens eine
Unmöglichkeil sei, und in der That hat eine
solche Annahme Mancherlei sür sich. Jn die-
sem Jahre w>rd ekne Erpedition nach der Ost-
see kaum noch möglich, km nächstcn Fruhjahre
aber dke Kraft des polnischen AusstandeS ge-

brochen sekn. Auch würden mkt der Zekt die
Wege der drek vereinigten Mächte, die für
jctzt auf ekner gemeinschaftlichen Basis stehen,
wahrscheinlich anseknandergehen. Oesterreich
kann alS Theilungsmachl Polens, wenn es
dereknst zu ofsenen Fekndselkgkeiten kommt,
nicht so rücksichtslos vorangehen als Frank-
reich. Auch kn England hegt man wohl große
Spmpathren für Polen, und ist geneigt, den-
selben jede möglkche moralische Unterstützung
zu gewähren, ohne fich jedoch allzu große ma-
terielle Opfer und, namentlich einen offeüen
Krieg auf den Hals zu laden. Da nun Ruß-
land so vorsichtig war, die Vorschläge der drek
Mächte, gls eine Einmischung kn eine innere
Angelegenheit, nicht geradezu in einem barschen
Tone nach Art des allmächtigen Zornes Nico-
laus zurückzuweisen, indem eö doch immerhin
eine Coalition diescr Mächte fürchtet, — so
wkrd man von Seiten dkeser Letzteren wekter
unterhandeln und eine neue gemeinschaftliche
Note entwerfen, die zwar entschieden gefaßt
sein, aber nicht eknmal den Charakter eknes
Ultimatums haben soll. Es wird hauptsäch-
lich auch darauf ankommen, ob auf der For-
derung eines Waffenstlllstandes entschieden be-
harrt wird, auf welche Rußland eiiizugeheii
am wenrgsten geneigt kst, und kaum nachgeben
kann. Wird hierkn von Seiten der drei Mächte
eine Modification eintreten, so kann Rußland
seinerseits auf die übrigen Punktc, unbeschadct
seines Selbstgefühls, um so leichter eingehen,
und es wäre damit immer noch Hofsnung auf
Erhaltung des Friedens vorhanden.

* Politische Umschau.

Dke badische Regiernng hatte bei den Zoll-
vereins-Staaten vor einiger Zekt den Borsch'lag
gemacht, für jeden Geschäfts-Reisenden allge-
meine Legitimations-Karten einzusühren, die,
gteichwic dke Paßkarten, kekner Vistrung bc-
dürsen und im ganzen ZollvcrekSgebiete Gültkg-
keit hätten. Auf der knrzlich geschloffenen
General-Zoll-Conferenz ist die Sache zur nähe-
ren Besprechung gelangt und darüber cine
allseitige Verständigung km Sinnc des badischen
Antrages erfolgt.

Ein „officköses" Pariser Blatt behauptet,
das Londoner Cabinet schwanke noch zwischen
drei Maßregeln: Abschickung gesonderter No-
ten mit gleichlautenden Forderuiigcn, Sendung
gleichlautender Noten; Uebersendung einer ein-
zkgen gemeinschastlkchkli Note. Für den letzten
Fall würde Lord Ruffell wünschen, daß man
einige zu herben Ausdrücke der sraiijvstschen

Modrrne Gauner.

Ein scltencs Gauuerstück Passirte dteser Tage in
London. Jn einc groste Ahrrnhandluiig der Lity
^ tritt ein Dandy iiach iicueftcr, tadclloscr Faoon,
kauft nach kurzer Auswahl eine goldeuc Uhr für
28 Pflind Sterling und händigt dcm erfrcutcn
Vcrkäufcr, ohnc ain Prcisc zu inäkcln, eine Hun-
dertpfund-Notc cin, kamit er sich aus Lerselben
bezahlt machc. Dicser prüft dic Note sorgsältig,
sindet, daß sie ächt ist, und zahlt K Pfund-Ster-
ling zürück. Jn dem Äugcnblick, wo sich dcr reiche
Dandy entfernen will, begcgnet cr in dcr Laden-
thür cincm andern, ntcht minder elcgant ausstaf-
" sirten Gentlcman, dem er die gekauftc Uhr zcigt,
und welcher zur Freude des Kaufnianns in eifrige
Lobcserhebungcn über di« rcizendc Ausstattung
dcrsclben sich ergeht. Bcide treten in dcn Ladcn
zuruck, und nach kurzem ZuredcN von Seiten des
crsten Dandy's entschließt stch der Neuhinzugekom-
menc, cine gleiche Uhr für denselben Preis zu
kaufen. Auch cr bezahlt mtt einer Hundcrtpfund-
Rote (mit kleinereni Gelde scheinen fich die cng-

lischen Dandy's gar nicht aufzuhalten), und erhält,
nachdem fich der erfahrene Uhrcnhändler anch von
der Riebtigkcit dicses Scheines übcrzeugt hat, 88
Pfund Sterling (circa 546 Thaler zurück. Zn dem
Augenbtick abcr, wo er Geld und Uhr einstreicht,
werdcn bcidc Käufer plötzlich auffallend unruhig,
blicken nach der Straße hinauS, fiüstern mit etn-
andcr, und wollen endlich hastig von dannen eilen.
— Da — zum Entsetzen dcs Londoner Uhrcnhänd-
lers — springt ihnen an dcr Ladenthür ein Con-
stabler entgegcn, packt beidc ohnc Umständc am
Kragcn und führt ste mit eincm triumphircndcn
'„Goddam, hab' ich euch cndlich, ihr Hallunken?!"
i» dcn Laden zurück. Htcr thcilt er dem glückltchen
Profitentcn des gemachten guten GeschäfteS mit,
daß die beidcn Gentlcmen ein paar der schlauestcn
Schwindler LondonS seien (und das will bckannt-
lich schon ctwaS sagen!) und fragt ihn, durch welches
glänzendc Gcschäft ihn dieselben geprellt bättcn.
„Dic Hcrren haben zwci goldcnc Uhrcn für 48 Pfd.
Sterling bei mir gekaust und richttg bezahlt," sagtc
der entfctzte Händler, der noch immcr seinen Augen ^
nicht traut. „„Aha !"" lgchtc der Lonftabler, ,,„und I
haben jedcr mit einer Hundcrtpfund-Note bezahlt, '

Note besektkgte; tm ersten Fall würde man dke
Schlußfordernug etwas milver ausbrücken (?).
Die französische Regierung soll aber für eine
gemeknschaftliche Notc sein, welchc Oefterreich
beauftragl wurde zu übergeben.

Die „France" berichtct, gerade wie jüngst-
hin Wiener Blätter, daß dic drei Höfe gegcn-
wärti'g Notenentwürfe auswechscln, die dazu
dienen sollen, flch über ekne endliche Faffung
der Antwort an Rußland zu verständkgeN. —
Dasselbe Blatt behauptet, pie letzten Nach-
richlen aus Petcrsburg gäben Anlaß zur An-
nahme, Rnßland sei genekgl, sich entgegen-
kommender alS bksher zu zeigen.

Der Artikel des Palmerston'schen Tagblattes
Mornsg Post, beffen Richtung wir berekts an-
gegeben, sagt im Wesentlichen Folgendes:

Bereinigllng (uuion) ist Frieden. Wenn brek
Großmächte sich vereinigen, von einer vierten
zu verlangen was gerecht und gemäßigl ist,
so läßt sich nicht wohl absehen, wie Krieg auS
ihren Forderungen entspringen kann. Rpßland
gibt deshalb nicht sogleich nach, weil es nicht
an das Bündniß glaubt. Sein erster Schritt
war, Oesterreich von dem Bunde hinwegzu-
locken; das ward entschieden zurückgewiesen.
Wie vor dem Krimkrkege will Rußland nicht
glauben, daß England und Frankreich Hand
in Hand gchen können. Die TimeS schrieb
vor zehn Zahren gegen die Türkek und das
französische Blmdniß, und half dadurch wäch«
tig zur Selbsttäuschung des Kaisers Nikolaus.
Zetzt schreibt die TimcS gegen Polcn und das
sranzösische Bündiß, und wird abcrmals ein
Anhänger Rnßlands. Dic „Rheingrenze" kst
daö Gespenst, das nochmals hervorgesucht wkrd,
um das Vertrauen zu untergraben und das
Bündniß zu sprengen. Wic die Sache lkegt,
habe» wir dic feste Ueberzeugung, daß dke
Kriegsfrage nicht nur weit entsernl ist, son-
der» daß sie gar nicht erhoben werden wird.
Die drei Mächte sind eius kn ihrem Wollcn
und Streben, und so ist ksne so ungeheure
Kraft kn Bewegung, daß ihr Gewicht unwi-
dcrstehlich auf Rußlauds Berathungen fallen
muß. Man sagt, schon zeige stch Fürst Gort-
schakow geneigter. Wie bem sei, nachbem der
ruffische Hof die Polen zum Aufstand gelrie-
ben und sich zu deffen Unterdrückung unfähig
gezeigt, kann er unmöglich es dahin kommen
laffen, daß die Kräfte dcr drei lektenden Mächte
Eurvpas die Feinde des Czaren verstärken.
Das wäre mehr als wahnsinnig, es wäre
lächerlich. Wir dürfen sicher sekn, daß vies
nicht i» seiner Absicht liegt, und so brauchen
wir ein solches Begebniß nicht inS Auge zu

ntcht wahr?"" — „Ja!" und dem armen Kauf-
mann scheint ein schrcckltches Licht aufzugehen. --
,,„Wo sind die Noten, zeigcn Sie her."" — Die
Lorpor» ckelieti «crden hervorgehvlt, dcr Coiistabtcr
untcrsucht sie, erklärt dem ntedergeschmettertcnHänd-
ler, daß sie gefälscht seien, und überwältigt von der
Wucht dicscs großen Momentes, gestchen die zer-
knirschten Verbrccher stumm die Unthat zu. Unter
dem Jubel über scinen glücklichen Fang packt der
gestrcnge Constablcr dic llhren, Notcn, Getd und
Berbrecher in etne Droschke, bescheidet den B-sitzer
. dcS Locals für die nächste Stunde auf taS Pollzei-
bureau, und fährt im Galopp von dannen. — Crst
als das lctzte Rollen deS CabS verstummt tst, er-
holt fich der Kaufinann so weit, daß ihm cinfallen
kann, es wäre doch beffer, wcnn cr die seltsame
Erpedition begleitc, um nach seinem Gute zu sehen.
AthemloS stürzt -r der Drofchke nach, — fie ist
verschwirnden; er fragt anf dem Polizetamte nach,
— kcin Mensch wciß »on der ganzen Geschichte ein
Wortj das schlauc Trio lst sammt allem Zubehör
verschwunden, und Roß und Reiter sah man nie-
malS wteder. Tief gekränkt übcr die Verderbtheit
seiner Zcit, welche sogar auch dic heilige üntform
 
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