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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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August
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M 18«


Samstag, L3 August

ZnsertionSgebübreu für die 3spaltige Pettt-
zeile werden mit 3 kr. berechnek.

L8«3.

* Politische ttmschau.

Ze cntschi'edener Prenßen auftritt, um den
Fürstentag zu stören, desto mehr wird derselbe
in eme pre>ußenfeindliche Stellnng gcdrängt.
Es ist diescs nun von um so größerer Be<
deutung, je näher die Vcrwicklungkn der aus-
wärtigen Politik an Preußen und Oesterreich
herantreten. EinerscitS ist dic Lage des pol-
nischen Aufstanbes einc solche geworden, daß
eine cntscheibende Wendung der polnischen
Frage, sei es zur kricgerischen, sci cs zur dip-
lomatischen Lösung, nahe bevorzustehe« schcint.
Andererseits ist zu konstatiren, daß Napolcon III.
sich angelegentlich um die Bundesgenossenschast
des Hauscs Habsburg bcmüht. Er schmiegt
sich in der polnischen Affaire möglichst an seine
Politik, eröffnet ihm bie Pcrspective auf den
merikanischen Thron und hält das kriegslustige
Jlalien im Zaum. Was nun die nächste Zu-
kunft bringen mag, jedenfalls ist es schon jetzt
jeder ber Mächte zur dringenben Psiicht ge-
worden, sich zuverläffige Bundcsgenoffen zu
erwerbeii. Oesterrcich erhält dicselbcn durch den
Fürstentag, Preußen vollendel seine Zsolirung.
Die geradezu unerhört leichtsertige Weise, in
welcher Prcußen dies thut, wird selbstver-
ständlich auch auf den Stand der Zollvereins-
frage zurückwirken.

Die feudale Berliner Correspondenz ergeht
sich in folgcnder Betrachtung übcr den Frank«
furier Fstrstentag: „Der König hat bie Ein-
ladung des Kaisers von Oesterrcich bereits
vor der Berufung ves Kronprinzen in einem
Allerh. eigenhändigen Schrei'beü ,unter An-
führung der Gründe abgelehnt. Diese Gründe
sind, abgesehen von dem eben so verwandschaft-
lich wic politisch unpaffenden Verfahren des
Lsterreichischen Monarchen — die Ansicht, daß
eine Rcform der Bundesverfaffung zwar wün-
schenswekth und nothwendig sei, aber erst von
Fachmännern, ben Staatsministcrn, berathen
werdcn müffe, ehe eine Conferenz dcr Fürsten
zusawinentreten könne. Daß aus dieser öster-
reichischen Fürstencvnfcrenz in Frankfurt über-
haupt Etwas hcrauskommen wird, daran denkt
keine Partei. Das österreichische Cabinet hättc
sich wvhl bedenken solle», ehe es cinen solchen
Schritk, desskn Form Preußen offenbar belei«
digen muß, gethan hat. Äuf der aiibercn Scite
kann man sich nicht verhehlen, daß die Kvketterie
des Ministeriums Auerswalb-Schwerin init
dem anf offenbaren Umsturz der bestehenden
Ordnung in Deuischland hinausgehenden
Nasionalverein, welcher so lange auf die gänz-
liche Ausschließung Oesterreichs'aus bem deui-

schenBunde agitirte, und die Stellung PrcußenS
in dcm italieni'schen Kriege, jetzt ihre Folgen
tragen. Das schließt, wie gesagt, die Perfidie
der gewählten Form nicht aus.« Leute von
der politischen Bildung und Einsicht dieser
Corrcspondenzen stehen an der Spitze der
preußischen Regierung und sind die Rathgeber
des Königs Wilhelm. Jhr Uebermuth und
ihre Ungeschickiichkeit, sagt die N. F. Z., sind
so weit gediehen, daß ei'N Umschlag in Preußen
ni'cht ferne sein kann. Die Frage kann nnr
noch sein, ob der Staat oder diese Leute aus-
HLreu zu bestehen. Jn ihren Händen kann er
nicht, fortexistiren.

Die „Köln. Z." schrcibt: „Was die preuß.
Preffe betrifft, so ist sie nkcht in der Lage,
in der wichtigsten' Angelegenheit der deuischen
Nation ihre Meinung geltend zu machen. So
viel dürfen wir bescheidentlich sagen, daß, so
sehr man von der Erfolglosigkeit des Frank-
furter Fürstcntages übcrzeugt sein mag, Prcu-
ßen mit der bloßen Negative nichts erreicht.
Wenn wir clwas zu bestimmen hätten, so
bliebe Preußcns Stuhl nicht leer in Frankfurt,
sondern es ließe seine Stimme erschallen, um
die Wünsche der deutschen Nation kund zü
thun. Ob freilich bas ohne Wechsel des inne-
ren Regierungö-Spstems mvglich sein würde,
ist eine andere Frage."

Die Bcrliuer „Montags-Zeitung" sagt: Der
König von Preußen hat zwar die Einladung
nach Frankfurt nicht angenommen, aber „gleich-
zeitig wird von der preußischen Regierung ein
übergus freistnniger Antrag (?) wegen eines
Volksparlaments und einer kräftigen Central-
regierung eingebracht werden."

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" be-
hauptet, in der Lage zu sein, die von verschie-
Lenen Seiten her verbreitete Nachricht, der
Kronprinz von Preußen sei vom Könige nach
Gastein berufen worden, um sich »im Aller.
höchsten Austrag" zum Frankfurter Fürstentage
zu begeben, als durchaus unbegründet zu bc-
zeichnen.

Dic Wieuer Abeudpost bemerkt über einen
in der „Preffe" veröffentlichten Berliner Brief:
„Es ist sehr zu bedauern, daß in einem Augen-
blickc, wo dcr vom Kaiser unternommene große
Schritt zur Bundesreform das öffentliche Ja-
tereffc ungctyeilt befchäftigt und der Wunsch
nach Verstänbigung unv einträchtigem Zusam-
menwirken aller deutschen Fürsten als Grund-
bebingung einer glücklichen Lösung der ernsten
Aufgabe sich so allgcmein ausspricht, ein Lster-
reichisches Blatt eö angemeffen finden kann,
sich in Persönlichkeitcn verlctzeuder Art zu er-

gehen, dic an und für sich unschicklich und
'zumal im Hi'ublick anf die grvße Tagesfrage
geeignet erscheinen, Verstimmung herbeizufüh-
ren und dic angestrebte Harmonie zwischen
den verbündeten Regierungen zu stören."

Eine officiöse Mittheilung österrcichischer
Blättcr besagt: „Man glauht, daß die Fürsten-
conferenz bi'S zum 20. August beendigt sein
wrrd, denu es soll den versammclten Sou-
veränen vvn dem Kaiser das bis dahin streng
geheim zu haltende Rcformproject vorgelegt
und die Anficht der Fürsten im Allgemeinen
darüber eingeholt werden. Ein eingehenderer
MeinllligsauStausch sdll erst in einem späteren
Zeitpunkte, also gleichsam auf einem zweiten
Congreffe stattfinden, und erst dann definitive
Beschlüffe gefaßt werden. Man verflchert, eS
sei des Kaisers fefter Wille, das ganze Werk
cinzig und allein durch die gürsten vollende'n
zü laffen."

Die sranzösischen Journale fangen nunmchr
an, sich mit den deutschen Verhältniffen etwaS
näher zu befaffen. Die beabsichtigte Bundes-
reform veranlaßt namentlich die „Opin. nat."
zu mehrfachen biffigen Bemerkungen gegen
Preußen. Es wäre, sagt sie, nun wohl für
Hrn. v. Bismarck an der Zeit, seinen famosen
Reformplan durch Eisen uub Blut inS Werk
zu seßen, allein der heißblütige Minister ge-
traut sich wohl nicht in der jeßt schon vorgc-
rückten Jahreszeit inS Feld zn ziehen. Wahr-
scheinlich findet er, daß es diesen Monat zu
heiß ist und daß es in 2 Monaten zu kalt
sein wird. Man wird sich damit begnügen,
im September große Nevuen in Brandenburg
abzuhalten. 45,000 Männ soüen tn der Um-
gegend von Berlin manövriren, um den Be-
wohnern dieser Hauptstadt zu beweisen, daß
die preußische Armee die erste Armee Europas
ist. Unseren Soldaten kämc nichts gelegener,
als diese Erfahrung zu machen, wenn nur
König Wilhelm geruhte, dem Czar dcn Bei-
stand seines unüberwindlichen Kriegsheers zu
leihen. Se. preüß. Maj. fühlen sich aber sehr
gehindert, zuuächst bgrch die Empfindli'chkeit
der Cabinete von Paris, Loudon und Wien
und dann durch die Haltung der eigenen Un-
terthanen. — Der „Siecle" schreibt in Bezug
auf die deutsche Reformfrage: ,..Jft Oester-
reich selber so frei von jeder Verpflichtung,
der Vergangenheit gegenüber, um sich ansrich-
tig unb entschlossen an die Spitze der liberalcn
Bewegung Deutschlaiids stellen zu können?
Die engen Bande, welche Wien und Rom um-
schließen, gestatten hieran zu zweifeln. Auch.
können, unter den gegenwärtigen Verhältniffen,

Der Spion Rapoleons.

(Fortfttzung.)

„Wenn ich Sie nur nicht in Zhrem Vergnügcn
störc," sagte er bei scincm Eintrttt zu ihr, „gestern
erst störte i» Sie tn Zhrcm Nitt, aber ich versicherc
Zhnen, Sie sind in All-m gleich vvllkommen. Wcnn
ich am gestrigen Abend Zhrc Schönheit bewunderte,
s° laffen mich heute dic Töne, die Sie Jhrcm Zn-
strumentc zu entlockcn verstchen, kaum zu Athem
kommen."

„Herr Nachbar, ich bitte Sie, keine Schmciche-
letcn!" erwicderte Frl. D—S mit feinein Lächeln,
„auf dcm Lande mnß man einfach wie dte Natnr
selbst scin."

„Halten Sie etn, Madame,"' fiel ihr Schustler
tn die Rcde, dcr sich Zwang anthun mußte, nicht
vor ihr in die Knie zn sinken, „haltcn Sie ein!
Nie haben Tänschung und Lüge in mciner Seele
Platz gehabt. Zch sagc, waS ich denkc, und es ist
meinem Herzen nnmöglich, zu verschweigen, was
es auszudrücken verlangt. Kaum sind vier und
zwanzig Stunden verstoffen, seit ich Sic zum ersten
Malc geschen, und doch — ich schwöre es Jhnen —

wenn mir jetzt durch einen Zufall Jhr Anblick soütc
entzogen werden, so «eiß tch nicht, ob das Dasein
noch irgend einen Werth fikr mich haben könnte,
unü doch — warum sollte ich cs vcrschweigen —
bin ich der Vater eines Kindes." Er hiclt eincn
Augenblick inne, seinc Stimmc zitterte, Thranen
fcuchteten sein Augc. „Ja!" vollendetc er dann,
„ich bin cin guter Vatcr!"

An ihr Pianoforte gclehnt, stand die Sirene dcr
cythcrischen Cohorte da, sic sah blitzenden Auges
auf dcn Böhmen und — merkwürdig! — ihre Brust
wurde während seiner Rede nach und nach von
cinem Gefühle bcwegt, das noch nie in dcrselben
Raum gesunden.

Schustler hatte ausgesprochen; sie wollte etwas
crwidern, doch «ar fie kcincs Wortcs mächtig.
Stumm deutcte sie auf einen Stuhl, ihren Gast
zum Sitzen einladend. Es schien, als wollc dic
Verführerin aus ihrcr Rollc fallen, immer und
immer wieder schweifte ihr Blick auf ihr Opfer,
währcnd sie fich dte größte Mühc gab, ihrer Vcr-
legenheit Meister zu werden. Dcr Böhme dünkte
ihr in diesem Augenblick der schönste Mann, den
sic je gesehen.

„Sie schweigen^ Madame?" suhr dieftr fort.
! „Solltc ich Sie durch die Leidenschastlichkeit meiner
Worte beleidtgt haben? O, so verzethen Sic es
dem Manne, der das Zdcal seiner Träume in
Ahnen verkörpert sicht, ber ein Gott zu sein wähnt,
da er in Jhrer beglückenden Näbe weilt." llnd er
küßte zärtiich ihre weiße Hand.

Die Französin bemeisterte nach und «ach thre
Aufregung. „Sie bitten mich," lächelte sie, Zhre
Leidenschaftlichkcit zu verzeihcn und Sle werde»
trotzdcm immer leidenschaftlicher. Doch warum
solltc ich Zhnen zürnen; ich liebc diese poetische
Sprache. Fürwahr, ich wünschte, unftrc Bekannt-
! schaft wäre älter; nun, wtr werden das Versäumte
nachholen."

Die Unterhaltung ward auf djeft Wetse längere
Zcit fortgeführt; Frl. D—s lud ihre« Gast zum
Frühstück etn, und mit Freude» nahm dieftr die
Einladung an.

Die heiterste Laune wurzte die Genüffe der Mor-
gcntafel, dann verabfchtcdete sich Schustler bei ftincr
reizenden Wirthin.

„Wenn Ahncn meine Geftllfchakt nicht unange-
nehm ist," sagte er beim Fortgehen, wenn Zhue»
 
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