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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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November
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R» 26V. D-nnerstag. 3. November ^s.r.iAM°-.^ 1863.

* Auf die „Heidelberger
Zeituiig" kann man stch
noch sür die Monate
Nouember und Decrmbcr mi't 36 Kreuzern abon-
niren bei aüen Postanstalken, den Boten und
Trägern, so wie der Erpedition (Schiffgaffe
Nr. ä).

* P-iitische Umscha».

Ein Berliner Corrcspondent der »A. Z."
sagt: Daß Bcrlin in der Person des Prof.
Temme einen radikalen Großdcutschen gewählt,
dcr m der Schweiz gelcrnt hat,^ wie abge-
schmackt der Gevanke eines Kleindeutschlaiids
ist, wacht Aufseheu.

Das Organ des Herr» v. Bismarck, di'e
„N. A. Z.", sieht in der Eroberung einigcr
Siße im Abgeordnetenhausc den Ansang thres
schließlicheii Sieges und sagt: „Die Demo-
kratie hat es, als sie unter vcr Gunst dcr
Zeitströmung vor wenigen Jahren wieder
krästig in's pvlilische Leben eingriff, zuerst
kauui zu 40 Sitzen im Abgeordnetenhause ge-
bracht; auS der kleinen Fraklion Zung-Litthauen
ist aber in etwa zwei Zahren die große sort-
schritlliche Mehrheit erwachsen. Es sind An-
zcichen ro Fütlc vorhanden, daß die jetzige
konservative Minderheit von äO Stimmen eben-
so rasch wachsen wird, wenn die Negierung
>,i Geineinschast mit ihren treuen Anhangern
in, Laiibe fest und zuversichtlich aus bem be-
trctenen Wege weiter geht, wenn das Land
iminer mehr ben uuerschütierlichen Wülen und
die ungebrochene Krast erkennt, die voüen
Nechte oes köuiglichen Regiments aus dem
Böben der Verfassung zu wahren unb zu üben.
Dte Regierung hat, wie wir im Voraus an-
gedeutet, keineswegs auf eine» so raschen ünd
ptötzlichen Umschlag rechncn könneii, raß sie
rtwa von den jetzigen Wahlcn eine burchgrei-
sende Umwandelung bes Abgeorbnetenhauses
yätte erwarten sollen. Woy! ader dars sie
mit der konservativen Partei in den erreichten
"Ersolgen «eine Ermulhigung finden, bcn Kampf
sür bie höchsten Güler Preußens auf dem Boden
vcr Versaffung fortzusetzen bis zum endlichen
voüen Siege."

Der „Mvniteur" zeigt an, daß ber Kaiser
Napöleon persönlich die Kammern eröffnen
wird.

Nach ber „Eurvpe" tst Däncmark den in
der Depesche des Grafen Nuffell vom 27. Sept.
ausgedrückten Ansichten, welche der Herzog-
ihümersrage einen internationalen Charakter
geben, beigetreten.

Did „Correspondencia" und „El Constitu-
cional" erklären daS Gerücht, daß spanische
Truppen nach Rom geschickt werden würden,
in bestimmtester Weise für unbegründet.

Der junge König von Griechenland hat,
bevor er Paris verließ u»d sich einschiffte,
Nadar'S Einschiffung beigewohnt. Als Man
ihn fragte, warum er dies gethan, sagte er:
„Jch will mich an dcm Muthe diescs Mannes
stärken, denn auch ich weiß nicht, wohin ich
segle!" Man sieht, daß der junge König seinc
Situation genau kennt!

Ein Meeting der Democraten in Newpork
sprach sich dahin aus: Nie zur Zerstörung dxr
Univn die Zustimmung zu geben, die Forlsüh-
rnng des Krieges zu begünstigen, die Jnter-
vention FrankreichS und Englands abzuweisen.

Das Ergebniß der Wahlen, welche am 13.
Oct. in den Staaten Pennsplvanien, Ohio und
Jowa abgehalten wurden, zeigt große Mehr-
heiten zu Gunsten der Regierung Lincolns.
Das Volk hat durch seine Abstimmuug erklärt,
daß es des Krieges nicht allein nicht müdc ist,
sondern daß es deffen euergische Fortsührung
mit allcn Mitteln will, und daß eö sowohl
weiße wie schwarze Svlbaten dazu verwandt
sehen will. Die moralische Wirkung bieser
Siege ist die Hanptsache. Die letzle,Hoffnung
der RebeUeu, Spaltuug des Nordens in Be-
treff des KriegeS selbst, ist bamil geschcitert,
und dieß muß aus die Skiminimg namentlich
ihrer Armeen einen ungünstigen Rückschlag
ausüben.

D e u t sch t a n d

Aus Baden, 30. Oclbr. Schon von
verschiedenen Seiten unb nicht vhne Grund
ist barauf hingewiesen wordeu, daß der zur
Zeit tn unscrcn inneren poliiischen Verhäll-
nifsen gemachte Vcrsuch, alle Parteischattirun-
gcn zu einem Ganzen zu vereini'gen, auch leicht
seine Rachtheilc haben kaiin. Anstatt eines
vielsarbigen, rührigen und bewegten politischen
LebenS dürste Icicht eine große politische Gleich-
gültlgkeit in Form eines einsarbigen grauen
Deckmantcls hicraus enlstehen und das Slaats-
wcsen überwuchern. Die große Mehrheit des
babischen Volkes ist unbestreitbar uüt Ler gegen-
wäriigcn Regierung einverstanben, und fie hat
daö Recht dazu, ja sogar bie Pflicht: Denn
die badischc Regieruug ist in ihren Vertretern
und in ber Person ihres Fürsten sicher bie-
jenigc, der cs mit ber Versaffungstreue in
Bezug auf innere Angelegenhciten und mit
vcui wirklichen Rechlsstaate am meisten Ernst

ist l'n Deutschland. Daneben stehen aber im
Volkc auch Minderheiten, die ein Recht der
Vertretung selbst dann noch besitzcn, wenn man
sie nur als thatsächlich, nicht als rcchtlich be-
stehend anerkcnnen wollte. Dt'es ist z. B. die
conservative unh bureaukratische Partei auf
der ei'nen (wenn man will auch die ultramon-
tane, obwohl diese eigentlich keine politische
Partci ist, und den Kampf vor Kurzem sclbst
aufgegeben hat), södann aber auf dcr andern
Seite die entschiedene oder demokraüsche Fort-
schrittspartei und auf beiden Seiten endlich
die Anhängec der großbeutschen Richtung. Na-
mentlich viese letztere Richtung hat sich in
Badcn noch mehr zu klärcn. Mit Unrecht
wurde dieselbe und wird noch allzu häusig mit
der reactionären oder gar ultramontanen bei
uns in eines zusammengeworfen, inbem die
Begriffe Beider stch in unserem engeren Va-
terlanbe allerbings oft gedeckt haben, und in
einer großen.Wechselwirkung gestanden sind.
Baden lst aber nur ein kleiner Theil von
Deutschland, und in den meisten andern deut-
schen Länbern ist vie Sonderung dicser Be-
griffe längst vor sich gegangen. So besteht
in Bapern eine liberal-großbeutsche Partei,
unb in unsereui Nachbarlanbe Württembcrg
ist fast bie gesammte Demokratie mit ihren
Wortführern großdeutsch.

Aus Baden» 30. Oct. Unscre badische
Verforgungsanstalt hat gestern in Karlsruhe
eine Generalversammlung gehalten, auf wel-
cher bie Erweiterung der Anstalt einstimmig
beschloffeii wurde. Sie hatte bisher haupt»
sächlich nur die Altersversorgung im Auge.
Zetzl schlteßt sie sich wesentlich den Einrich.
tuiigen der beidcn würtembergischen Anstalten
an. Cigeiithümlich ist ihr, baß sie zugleich
Bankgeschäste, namenklich alle Arteu von ES-
compt- unv Girogeschästen betreibt. Bei dem
bebeutenden Activvermögen der Anstalt, übec
8 Mill. Gulden, hofft man, daß dadurch die
Grilnbiilig einer besonderen badische» Bank,
wie srüher beabsichtigt wurde, alS überflüssig
erscheinen werde. "

— Vow Neckar, 3. Novbr. Auch in
Zhre Zcitung ist, wie in die Bad. Landesztg.,
die zunächst aus dem S. M. entnommene,
aber ursprünglich durch ein bekannteS ultra,
montanes Blatt verbreitcte Nachricht überge-
gangen, daß die Generalversammlung des re-
ligiösen Resormvereins zu Frankfurl eine tele-
graphische Bolschast an unsern Großherzog
beschloffen habe, um bie Zustimmung deö Vcr-
eins auszubrücken, wenn bei unö (wörtlich)
,CommunalschuIen an die Stelle der römijchen

Eine wunderbare Gcschichtc au§ Cngland.

Vor ungefähr sechs Monatcn «urde auf der
Colonie St. Wauritius ein rcicher Kaufmann,
Llodomir FrönoiS, todt, gräßlich verstümmelt in
seiner Behausung gefunben. Sein Gesicht war
durch eincn Schuß gänzlich zcrschmettert und auf
bem Boden lag das Pistol, mit dem der Selbst-
mord ausgeführt war. Aus dem Tische danebcn
faud sich folgcnder Brief:

„Jch bin ruinirt.... ein Schurke hat mtr
SLMO Pf. St. geftohlcn .... mir blcidt nur
noch die Schandc, un» ich «ill sie nicht über-
lcben.... Jch übcrlaffe meiner Frau die Sorge,
die mir bleibendcn Güter unter meine Gläubiger
zu verthetten, und btttc Gott, mcinc Kreundc und
meine Feinde, mir mctnen Tod zu vergcbcn... .

Llodomir FrenoiS."

Die Bestürzung über dicS Ereigniß war groß.
Die Wittwe ging in ihrer Trostlofigkcit in ctn
Kloster und überlteß dem Neffen ihreS Mannes,
«incm Arzte, dic ErbschaftSregulirung. Dcr Ver-

dacht des ,Diebstahls, der dte Veraülaffung zum
Sclbstmordc gegcben hattc, siel auf cinen gewiffen
John Moon, Lommis bei Elodomir Frenois, der
kurzc Zeit ivor dcm traurigcn Ereigntß verschwun-
den war. Es warcn einigc Monate settdcm ver-
floffen, als Zohn Moon wieder aus der Znsel er-
schten. Ueber Lic Veranlaffung sciner Abwesenhcit
besragt, behauptete cr, daß sein ehemaligcr Prin-
cipal ihn nach Frankreich geschickt habe, um aus-
ftehcnde Korderungen cinzuziehen, die übrigenS ver-
jährt wären, und daß, wcnn derselbe ihn des Dieb-
stahls beschuldtgt habe, dteS nur ein Vorwand
gewrsen fei, um cin Deficit zu rcchtfertigen, daS
ihm, dcm Prtncipal, selher zur Last fielc. Hiemit
schicn dic Sache erlcdigt.

Nun begab es sich, daß «ieder nach einlgen Mo-
natcn cin Herr William Burnett, Hauptgläubigcr
des Sclbstmörbcrs, um ö Uhr Morgens Zemanden
an seinc Thür klopfen hörte. Er lteß öffncn und
sein Diener meldete einen Fremden, der ihn zu
sprechen wünschte, abcr sich nicht zu erkcnnen gebcn
wolltc. Herr Bnrnctt stand auf und begab sich ins
Bcsuchzimmer. Hier fand cr tn einem Lchnstuhi,
das Gesicht abgewendet, etnen Herrn, der in die

Lectüre der „Morning Post" versunken war und es
sich wie ein Freund des Hauseö bcquem gemacht
hatie. „Was steht Zhnen zu Dicnsten, mcin Herr?"
redctc Herr Burnett dcn Frcmdcn an. Dicsrr drchtc
sich um und grüßte srenndltch. Herr Burnett stieß
einen Schret auS. Clodomtr Frenois, scin Schuld-
ner, deffcn Letchenbegängniß cr beigcwohnt hatte,
stand vvr thm. WaS darauf zwischcn dicscm, Herrn
Burnctt und sctncm Diencr im Laufc des Vormtt-
tags vor sich ging, wird der Leser später erfahren.
Herr Burnett verließ öfter das Haus und man sah
ihn wtcdcrholt in daS des Richters gehcn und noch
au demselbcn Tagc, in dcm Augcnblicke, wo Zohn
Moon unter den Palmenbäumcn seines Gartens
dcn Thcc schlürfte', hollen die Polrcemen ihn ab
und führten ihn ins Gcfängniß. Vor das Gericht
geführt, wo cr eines DiebstahlS mittclst Einbruchs
angeklagt war, lächelte er mit der Zuvcrsicht eincs
Unschuldigen, der nichts zu firrchten hat. Auf die
Frage deö Vorsitzcnden, °b er sein Verbrechen, bei
Hcrrn Frenvis gcstohlcn zu habcn, etugcstehc, be-
zeichnete er die Anklage als abgcschmackt und bcrief
sich auf den Maugel jedes ZeugniffeS gegcn ihn.
„Jch würdk", sö schlöß er ftine Vcrtheidigung, „vor
 
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