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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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September
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Mittwoch, 3«. Septemver


L8G3.

Preußifche Denkschrift zur Bundes-
Ikeform.

(Schluß.)

Zndkm wir Ew. Maj. die Parität Prru-
ßeiis mit Ocsterreich und die Beilegung eineS
Veto in den oben bezeichoelen Grenzen als
unseres allerunterth. Dasürhaltens nothwen-
dige Vorbedingungen der Zustimmung zu einer
Erweiterung deS Bundeszweckes und der Bun-
des-Central-Behörde bezeichnen, verkcnnen wir
nicht, daß -amit die Aufgabe einer Bermitt»
lung der divergirenden dRnastischen Zntereffen
Behufs Erleichterung dcr einheitlichen Action
deS Bundes nicht gelöst wird. Den L>treit
derselben durch die MajoritätS-AbstimmNngeu
der im Directörium vertretmen Ncgierungen
kurzer Hand zu entscheiden, scheint uns weder
gerecht noch politisch anneymbar. Das Ele»
ment, welches berufen ist, die Sonder-Znte-
reffcTi der emzelnen Staaten im Jntereffe der
Gesammtheit Deutschlands zur Einheit zu ver-
mitteln, wird wesentlich »ur in der Vertre-
tung der deutschen Natiön gefunden werden
können. Um die Znstitution der letzteren in
diesem Sinne zu einer fruchtbringenden zu
machen, wird es mothwendig sein, ste mit ent-
sprechcnderen Attributiönen auszustatten, als
dies nach dem Frankfurter Entwurf der Fall
seiii soll, und ihre Zusammensetzung so zu
regeln, daß die Bedeutung eines jeden Bun-
deölandes den- seiner Wichtigkeit angemeffenen
AuSdruck darin finde.

Die ausgedehnten Befugniffe, welche in der
Reform-Acte dem aus wenigen und ungleichen
Stimmen zusammkngesetztcn Directorium, mit
und ohne Beirath des Bundesrathes, gegeben
werden; die unvollkommene und den wirk-
lichen Verhältniffen nicht entsprechende Bilbung
der, an Steüe ciner National-Vertretung vor-
geschlagenen „Versammlung von Bundeö-Ab-
geordneten", welche durch ihren Ursprung auf
die Bertretung vöu Particular - Zntercffen,
nicht von deutschen Jntereffen hingewiesen ist,
und die aus einen kleinen Kreis verhältniß-
mäßig untergeordneter Gegenstände beschränkte
und dknnoch vage und unbestiuimte Befugniß
auch dieser Versammlung — laffcn jede Bürg-
schaft dafur vermiffen, daß in der beabsichtig-
len neuen Organisation des Bundcs die wah-
ren Bedürfniffe und Zntireffen der deutschen
Nation uud nicht particularistische Bestrebuii-
gen zur Geltung kommen werden. Diese
Bürgschast kann Ew. Mgj. Staats-Minifie-
rium nur in einer wahren, aus directcr Be-
theiligung der ganzcn Nation hervorgehenden

National-Bertretung stnden. Nur eine solche
Vertretung wird für Preußen die Sicherheit
gewähren, daß es nichts zu opfern hat, was
nicht dem ganzen Deutschland zu Gute komme.
Kein noch so künfilich ausgedachter Organis-
mus von Bundesbehörden kann das Spiel «.
Widerspiel dpnastischer und particularistischer
Znteressen ausschließen, welchcr sein Gegen.
gewicht und sein Correctiv in der National-
vcrtretung finden muß. Zn einer Versamm-
lung, die aus dem ganzen Deutschland nach
dem Maßstab der Bevvlkernng durch directe
Wahlen hervorgeht, wird der Schwerpunkt,
so wenig wie außer Deutschland, so auch nie
in einen einzelnen, von dem Ganzen sich inner-
lich loslösenden Theil fallen; darum kann
Preußen mil Vertrauen in sie eintrete». Die
Zntcreffen und Bedürfniffe dcs preußischen
Volkes sind wesentlich und unzertrennlich iden-
tisch mit denen des deutschen Volkes p wo dies
Elcment zu seiner wahren Bedeutung und
Geltung kommt, wird Preußen niemals be-
fürchten dürfen, in eine seincn eigenen Jnte-
reffen widerstrebende Pglitik hineingezvgeir zu
werden; — eine Befürchtung, die doppelt ge-
rechtfertigt ist, wenn neben einem Organis-
mns, in welchem der Schwerpunkt außerhalb
Preußens fällt, die widerstrcbenden particu-
laristischen Elemente principikll in die Bildung
der Volksvertretung hineingebracht werden.

Wir haben uns erlaubt, in Vorstehendem
nur die wesentlichfien Mängel hervorzuheben,
ohne deren Beseitigung unseres allerunterth.
Dafürhaltenö eine Bundesreform der vorge-
schlagenen Art für Preußen nicht annehmbar
ist. Auch haltcn wir eine Kritik der Einzeln-
heiten des vorliegenden Entwurfs sür un-
fruchtbar, so langc eine Verständigung über
jene Hauptpunkte nicht erreichk ist. Wir steüen
dcshalb Ew. Maj. allerunterth. anheim, über
die Letzteren zunächst mit Allerh. Bunbesge-
noffen in Veihandlung zu treten, und sobald
Ew. Maj. der Geneigtheit begegnen, auf die
vorstehend angcdeutcten Gruiidlagen einzu-
gehen, die kaiserl. österr. Regierung zu cr-
suchen, in Gemeinschaft mit Ew. Maj. Re-
gierung Ministerial-Conferenzen zu anderwei»
ter Feststcllung eines demnächst den beutschen
Fürsten und freien Städten zur Genehmigung
vtzrzulegenden Neformplanes zu berufen. Von
bem Beschluffc der deutschen Souveräne wird
es alsdann abhängen, vb sie über dasjenige,
was sie der Natlön darzubieten beabstchtigen,
die Acußerung der Letzteren selbst durch das
Organ gewählter Verlreter vernehmen, oder
ohne beren Mitwirkung die verfaffungsmäßige

Elnwilllgung der Landtage jedes einzelnen
Staates herbeizuführen versuchen wollen.

Für Ew. Maj. Regicrung wird der nahe
bevorstehende Zusammentritt des Landtags dic
Gelegenheit darbietcn, die Auffassung dcr preu-
ßischen Landesvertretung in Betreff bes Jn-
halts der vorliegenden Reformacte und dcr
von der königl. Regierung derselben gegenüber
vertretenen Grundsätze kcnnen zu lerneu, und
wie wir nicht zweifeln, werden die Kund-
gebungen der preußischcn Landesvertretung
schon jetzt mit Bestimmtheit erkennen lassen,
daß nur solche Aenderungen der bestehenden
Bundesverträge auf ihre demnächstige ver-
faffungsmäßige Zustimmung zu rechnen haben,
vermöge deren die Würde und die Machl-
stellung Prcußens und die Jntereffen der ge-
sammten veutschen Nation in gleichem Maße
ihre Bcrückstchtigung finven.

Das preußtsche Vvlk bildet einen so wesent-
lichen Bestandtheil des Deutschen unv ist in
seinen Bedürfniffcn und Zntereffen, wie in
seinen Wünschen und Gestnnungen mit der Ge-
sammtheit den deutschen Nation so innig ver-
wachsen, daß bie Stimme des preußischen Land-
tags zugleich die bisher fehlenden Anhalts-
punkte für die BeurthciliMg der Aufnahme
der beabsichtigten Znstitutiöncn von Seiten
des deutschen Valkes gewähren wird.

Berlin, den 15. Septeuiher 1863. Das
Staats-Ministerium. v. Bismarck. v. Bodel-
schwingh. v. Roon. Gr. v. Ztzenplitz. v. Müh-
ler. Gr. zur Lippe. v. Selchow. Gr. zu
Eulenburg.

* Potttische Umschau.

Vor einigen Wochen wurden fast sämmtliche
in Berlin erscheinendc politische Zeitungen —
ma» berechnete ihre Zahl auf 12, und auch
dic „Kreuz-Ztg." und die „Nordd. Aüg. Ztg."
befanden stch darunter — nachträglich tn den
öffentlichen Localen mit Beschlag belegt. Eö
handelte sich UIN den Abdruck kines Aufrufs
der polnischen Nationalregieriing, welcher der
Gränzen von 1772 erwähnt hatte.

Wie die seudale Zeidler'sche Correspondenz
mittheilt, soüen alle Beamten die Weisung er-
halten, sich an den Wahlen zu betheiligen.

Nach dem Wiener Botschaster ist ein briti-
scher Courier mit einer CabinetSnote bezüglich
deS WeitervorgehenS in der Polenfrage in
Wien eingetroffcn. Dem Vernehmen nach trägk
stch Englanb mit der Zdce, dcn ruffischen Be-
sitztitel auf Polcn nicht weiter anzuerkennen,
nachdem es selbst die Verträge von 1815 durch

Eine mhsterieuje Geschichte.

An einem neapolitanischm Blatt wird folgcndes
erzählt:

Man spricht in der Stadt vtel von einem schau-
derhaften und inysteriösm Ereigniß, «elches am
Abend des 11. Septcmber vorgekommcn ist. Jn
der Strada Feria, nicht weit «on einigen zum Um-
bau bestimmteu alten Hänsern «erden im viertcn
Stocke möblirte Zimmer an Arbciter vermicthet.
Ein Maurer bewohnte eines dieser Zimmcr. Am
vergangenen Freitag Nachts hörte er an seiuc Thüre
klopfen und scinen Na-men rnsen; er öffnetc und
sah fich zwci Männcrn gegeuübcr, welche ihn auf-
sorderten, fic zur Vornahme einer dringenden Arbcit
zu begleitenl

Der arme Mcnsch zauderte und schützte die späte
Nachtzeit vor; allein durch das Versprcchcn einer
guten Bezahlung gelockt, ließ er sich zum Gange
bereit finden. Auf der Straße angckommm, mußte
er mit scinen beiden Begleitern in eincn verschlos-
senen Wagen steigen, wvrauf die letzteren, einen
Revolver auS der Tasche ztehend, ihm die Augen
verbanden. Der Wagcn fuhr lange durch die

Straßen.und änderte oft seine Richtung. Als cr
endlich hielt, stieß man dm Maurer aussteigen und
führte ihn durch mehrere Stockwerke in cin Zim-
mer, wo ihm nunmehr die Binde von den Augen
genommen wurde.

Es wurde thm jetzt befohlen, in die schr dicke
Mauer cine Ocffnung zu brechen, stang und breit
genug, um einm Sarg aufnehmcn zu können.
Der Manrer widersetzte sich anfänglich, aber mit
augcnblicklichem Tod bcdroht, machte er sich noth-
gcdrungen an das thm bcfohlcne Werk. Als die
Oeffnung in der Mauer hergcstellt war, wurde aus
cincm anstoßmdcn Zimmer ein leerer Sarg nebst
Deckel herbeigeholt, und nun erschien auch das
Opfcr dieser scheuSlichen That — etne elegant ge-
kletdcte junge Frau, geknebclt und von den beidcn
Elenden fortgcschleppt, ungcachtct sie stch-mit dcn
Kräften der Verzweiflung wehrte. Das unglückliche
junge Weib wurde in den Sarg cingezwängt und
dcr Deckel über ihr geschloffen. Der Sarg wurde
hierauf in die Maueröffnung gcbracht, und der
> Arbeiter, beständig mit dcm Tode bedroht, mußtc
! die Oeffnung schließen, so daß nichts von derselben
zu sehen war.

ES wurden ihm jetzt von Neuem die Augen ver-
bunden, und dcrselbe Wagen, welcher thn zu dem
Ort der schaudervollen That gebracht, führte ihn
in die Nähe des Admiralitätsgebäüdes, woselbst
ihm die Binde Mit der BemerklMg abgcnommcn
wurde, daß er nun in Fricdcn laufen könne, und
daß man nicht einmal Schweigen von ihm verlange.
Dcr Maurer eilte sofort auf das Polizeibureau,
um von d'em Vorgcgangenen Anzcige zu machcn;
allcin da er auch ntcht den entferntcsten Anhalts-
punkt zur Entdeckung der Vcrbrecher angeben konnte,
war die Polizci außer Stande, etwaS AndereS zu
thun, als in der ganzen Stadt und in allen be-
nachbarten Ortschaftm Nachforschungen anzustcllen,
die bis jetzt noch zu ketnem Resultat geführt haben.

(Curiosum.j Jn Ujest passirte nculich dcr
Fall, daß die aus Bürgern bestehende Polizciwacht-
mannschaft Abends dic Lust verspürte, ein Kartcn-
spiel zu unternchmen. Da es ihr an eincm „Vicr-
ten" mangclte, zog sie cinen in etner Klausc im
Wachtlocal verhaftetcn Gefangencn zu diescmSpiele
hinzu und warf endltch dtesen „Vierten" hinaus,
wcil er Streit angefangen und auch falsch gespielt
hattc. Hierauf wurde denn am folgenden Tage
cine Untcrsuchiing gegen diese Wachtmannschaft we-
gen Befretuung einetz Gefangcnen auS der Haft
(der Htnausgeworfene kam natürlich nicht wieber)
eingelcitet.
 
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