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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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Juli
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D 1«S


Freitag, 17. Zuli


1863.

^ Zur Schulreform.

(Schluß.)

Daß di'e Sonntagsforibildungsschule, die in
der Wirklichkeit eher eine Rückgangsschule war,
aufgehoben ist, können wir nrir billigen; eine
WcrktagSfortbildungsschule soll aber nur da
bestchen, wo die Gemeinde sie verlangt und
dem Lchrer eine Vergütung dafür gewährt.
Sie ist dadurch aus der Classe der öffentlichen
vdcr Staatsschulen in die der Privatschulen
zurückgetreten,' weßhalb auch der Unterricht
den besonderen Bedürfniffen der örtlichen Be-
völkerung, in den Dörfern der Landwi'rthschaft,
in den Städten den Gewerben und dem Han-
del, dienen soll. Ein Schulzwang kann hier
selbstverständlich nicht stattfind?n.

Der Lehrplan ist von dem Lehrer zu ent-
werfen, von der Ortsschulbehördc gutziiheißen,
und von der höheren Aufsichtsbehörde zu ge-
nehmigen. Die Jnitiative geht also natur-
gemäß von unten hinaüf, nicht von oben her-
unter; die Alles generalisirende, die Bedürf-
niffc des Bejondern und Einzelnen nicht be-
rücksichtigende Ccntralisation hat einer in dem
Recht der Jndividualitäten (der Gemeinden,
wie der Lehrcr) begründetcn Freihcit und
Mannigfaltigkeit-weichcn müssen, die übrigens
in dem allgemeinen Lehrplan sür einfache und
erweiterte VolkSschule ihre nothwenbige Be-
grenzung finden. So ist also hier das Allge-
meiue, zu dem Besonperen, bie Nothwenbigkeit
zu der Freiheit in däs richtige Verhältniß ge-
bracht.

Was die Schulzucht betrifft, so wird darauf
hingewi'rkt, daß die Kindcr durch die Ermah-
nungen und das eigene gutc Bcispiel bes Leh-
rers angeleitet wcrden, auS freiem Willen bas
Rcchte zu ihun. Der Gebrauch von Schimpf«
worien und die Anwendung von Schlägen ist
gänzlich untersagt. So ist denn endlich der
Herrschaft des Stocks, dcm wir svgar in der
neuesten Zeit noch von Geistlichen das Wort
reden hörcn, glücklicher Weise cin Ende ge«
machtz das Schulhaus wird nun aufhören,
cin abschreckendcs Zuchthaus zu sein, und der
in die Jugend zu streuende Samen der Bil-
dung wird unter dem Hauche der Freiheit u.
Liebe fröhlicher aufgehen und gedeihen.

Dic bishcr bestandenen gesonderten Coufes-
sionsschulen können auf Antrag der politischen
Gemeinde in gemischkc Schulen, b.,h. in
Schul/n, an welchen Lehrcr bcider Confessio-
nen angestellt wcrden können, unter der Be-
dingnng verwandclt werpcn, daß die Mehrheit
der stimmfähigcn Einwohuer eines jeden Con

fessionstheils sich dafür erklürt und daß das
jedem ConfessionStheil eigenthümlichc Schul-
vermögen getrennt erhalten, nur deffen Er-
trägniß für die gemeinschaftliche Schule ver-
wcndet wird. — Diese Bestimmungen, die im
Einzelnen consequent und meisterhäft durchge-
führt sind, rechnen wir zu den wichtigsten der
Vorlage, und zwar in principieller w^e in
praktischer Beziehung. Es ist dadurch der
Weg zur Comumnalschule geöffnet, ohne einen
Zwang gegen die Gemeinden auszuüben oder
ihrem Gewiffen zu nahc zu treten. Dieser
Wqg ist vffenbar der allein richtige und den
Zeitverhältniffen entsprechcnde, und wir geben
uns der Hoffnung hin, daß die Vertreter deS
Communal- wie die des Confesstonsschulprin-
cips, falls sic nicht in ihren Ansichten allzu
festgerannt sind, sich mit den hier gemachten
Borschlägen befreunden werden.

Ebenso zweckmäßig und wohldurchvacht sind
die Bestimmungen über Schulaufsicht. Die
Ortsschulinspection als besvndere Stelle fällt
wcg und die Ortsschulaufsicht, die freilich ein
Theil der Lehrer nicht auf bie Berufsführung
und Lehrthätigkeit ausgedehnt, sondern auf
dic Oeconvmie uyd Besolbungsverhältniffe be-
schränkt wiffcn will, wird von dem Ortsschul-
rath geführt, der, wie schvn bekannt ist, iheils
aus derufenen, theilS aus für sechs Zahre ge«
wählten Mitgliedern, deren Zahl größer als
die der berufenen sein soll, besteht. Wo con-
fessionell getrennte Schulen bestehen, wird für
jeden Confesstonstheil ein besonderer Orts«
schulrath gebildet; doch wird es bem sreien
Willen beider EonfesflonSlheile anheimgegebcn,
ob ste nur eincn gemischten Ortsschulrath
für ihre getrennt bleibenden Schulen aufstellen
wollen. Auch hier. wird also dcr Einsicht,
dem religiösen Gefühle und den öconomischen
Verhältniffen der Gerneinde in entsprechcnder
Weise Rechnung getragen, eine Vermiktlung
entgegenstehender Ansichten möglich gemacht u.
die in weiterer Ferne stehende Coinmunalschule
in freiester uno schonendstcr Art angcbahnt.
Wir erblicken darin ein Meisterstück legisla-
torischer Weisheit, und zwar auf einem der
schwierigsten Gebiete.

Dic bisherjgen Bezirksschulvisitatoren, welche
die mittlere Schulaufsicht als cin Nebenge-
schäst des kirchlichen Amtes besorgten, werden
durch vom Slaat angcstellte Krcisschulvistla-
toren ersetzt, dic sich biesem Amle ausschließ-
lich zu widmen haben und dafür bezahlt wer-
deiu Dies ist ebenfalls eine höchst wichtige,
dem Wohle wie der Würde unb Bedkutung
der Schule aiigemcffene Verbefferung, welche

die Emancipation der Schule von' der Vvr-
mundschaft der Kirche ausspricht.

Aus den Paragraphen über die Bildung
für dcn Schullehrerstand heben wir nur das
hervor, daß die Heranbildung dcr Aspiranten
freigcgeben ist, daß dagegen das Maß der
für den Eintritt in das Seminar nachzuwci-
senden Kenntnisse genau festgestellt werden soll ,
und baß der Unterricht in dem Scminar in
drei Jahrescursen ertheilt wird. Dieser Un-
tcrricht soll sich auch auf die Literatur unseres
Volkes, auf Wirthschaftslchre, auf die jetzt
zur unuistgängliche» Nothwendigkrit gewordene
französtsche Sprache und am Schluffe deS Ge-
schichtsunterrichts auf eine Ueberstcht der grund-
gesetzlichen Einrichtiingen unsereS Staqtes er-
strecken. Dadurch ist.für eine von der Zeit
gebotene höhere Ausbildung der Lehrer gesorgt,
vcn höhercn Ansprüchen an dic Leistungcn ber
Volksschule Genüge gethan, und doch die Frei-
heik des Weges gewahrt, auf welchem di'e
Aspirantcn ihre Vorbildung zu erlangen stre-
ben. Die höchstmögliche Bildnng an der Hand
der höchstmöglichen Freiheit.

D'er Meßner-, Glöckner- und Organisten-
dienst wirb von dem Schuldienst gctrennt und
die Besetzung des ersteren der Kirchenbehörbe
überlafsen. Aus dieser Trennung soll jeboch
dem Lehrer keine Einbuße an seinem bisheri-
gen Diensteiiikommen erwachsen, 'sondern ihm
vielmehr eine Aufbcffernng möglich wcrden.
Den Orgauistenbienst ist nämlich ber Lehrer
zwar zu übernehmen verpstichtet, wenn ihn
bie Kirchenbehörbe dazu auffordert, jedoch nur
unter ber Bedingung, daß ihm eine mäßige
Vergütung dafür gewährt wird. So tritt
also a» die Stelle der sclavischen Unterord-
nung der Schule unter die Kirche eine freie
Verbindung mil derselben, um kcincn feinb-
lichen Gegensatz z» nähren, sondcrn die Zwecke
der Kirche burch die Schule zu fördern und
beibc zum gcmeinschafilichen friedlichen Auf-
bau deS Werkes ber Humanität zu ermuntern.
Anstatt einer „mäßigen" Vergütung würden
wir lieber eine „angemeffene" oder „entsprc-
chende" setze», damit es nicht den Schein ge-
winnc, als od der Dienst der Schule für die
Kirche doch noch eine Arl von Frohndienst u.
so wohlfcil als möglich sein solle. Der Um-
fang unb die Schwierigkeit des jeweiligen Or-
ganistendienstes und dcr Bilbungsgrad des
Organisten sollten hier maßgebend sein.

Was die Borlage über die Einlheilung der
Lehrcrstellen in drei Claffcn bemerkt, übergehcn
wir, weil unS dieser pecuniare Theil der
Schulreform noch nicht spruchreif zu sein

Eidgenösfisches Schützensest.

Basek, 10. Juli. Nach dem feierlichen Empfäng
der deutschen Schützcn unb nach beendigtcm
Kestzug vor's Rathhaus bcgadcn sich dic Gäsic in
ihre Quartiere. Um 8 ühr sammclte man sich zum
Bankett. Die Terraffe dcs GcscllschaflshauseS an
dcr Rhcinbrücke war zu dicsem Zwccke eingcrichtet
wordcn. Auf den Kandclabcrn und an der Wand
prangten die Namen berühmtcr Deutschen, als:
Humboldt, Arndt, Schillcr, Körncr, Schill, Blüchcr,
Aork u. s.«., nicht zu vergeffen deSjcnigen, der
daS Pulvcr erfunden und damit dic cdlc Schützen-
kunst geschaffcn, dcs Mönchcs Berchtold Schwarz.
Beim Bankctt entwickclte fich bald cin regcs und
gcmürhlicheS Leben. Durcheinander gcmischt in den
»erschiedensten Formen, war dic G-sellschaft bald
tn ihrcr Gesinnung eins. Vom Worte wurde an-
fangs kcin Gebrauch gemacht. Hr. ür. Heinecken
»on Bremen brach demselben cndlich burch einen
voy stcigcndem Beisall begletteten humoristischcn
Toast, in welchcm er die BaSler durch daS Lob
ehrte, daß fie den Rhkin dc"tsch erhalten, den Weg

burch allen LLrm der Festltchkeit. Zhm folgte eben- .
salls in sprudelndcm Humor.Herr v. Hcyman, !
der angclegcntlich Lic Baslcr und dic gesammte !
Schweiz etnlud) das Frcischießen in Bremen wie !
dasjcnigc in Frankfurt vcrherrlichen zu helfcn.
Mit kraftvvllem Wortc schildcrte ür. Sigmund
Müller, der Festpräsidcnt von Frankfurt, das
Verhältniß zwischen dcr Schweiz und Deutschland, !
alS das Vcrhältniß verwandtcr Nationcn, dic sich !
gcistig und siltlich bcrühren und ihrc Errungen-
schaftcn mitthcilen, die sich politisch nicht zu an-
ncktiren brauchen, um glcichwvhl in Gcflnnung
und Strcben Freundc zu scin. Als das Einzige, !
was Deutschland von der Schweiz zu annektircn ^
trachtcn sollc, bezeichnete er die schweizcrische Ver-
faffung, wclchc die Freiheit der cinzclncn Landes-
theile in vollstem Maße bewahrc und' doch dic Ein-
hcit dcs GesammtlcbenS der Natton herstelle.
Währcnd dcs Mahles langte vom Frankfurter
Schützenvercin fvlgender tclegraphischer Gruß an
dcn deutschen Schützenführcr an: „Schützenbrüder!
Befestiget neu daS Band, das im vergangencn
Zahre in unserer Vaterstadt mit dcn Brüdern der ?
Schwciz so herrlich geknüpft wurde, nunmehr selbst !

in der Eidgenoffen frciem Vaterlandc. Hoch unsere
Schweiz! Hoch Deutschlanp!" WLhrend des ganzen
Banketts wurde auf dem Rhein gefeucrwcrkt, daß
cs eine Art hatte.. BcngalischeS Feuer crleuchtctc
die Rheinbrücke in magischcm Lichte. Kopf an
Kopf stand auf ihr die theilnchmendc Maffe des
Volkes. Unter den deutfchen Schützcn sind auch
mehrere Schützinncn und ein Schützc eu miniatuie
von höchstcns 12 Jahrcn, der abcr unter dcm
Schatten scincs Eichenlaubes einhermarschirt trotz
Einem. (Bund.)

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zeitsgcwehre. Schauplatzgaffc Nr. 228. (Bcrner
Jntell.-Bl. Nr. 167.) — Eine stille honette Tochter
verlangt auf Zacobi odcr bei rechtschaffenen Leu-
ten cin meublirtcs Zimmer. (Daffelbc Nr. 170.)
— Ausverkauf einer großen Auswahl seidener,
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ncnschirme und „Spazierstvcke" zu den billigsten
Preisen. (Züricher Tagbl. v. 19. Auni.)
 
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