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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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Oktober
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247.


Mitttvoch, 21. Oetober


L8G3.

*Politische Nnischau.

Die Bedeutung der Feier des lT. Oktober
wird von der Volkszettnng für Mittelveulsch-
land in nachstehenden Sätzen präcisirt:

Wir fetern die Befretung von dem frem«
den militärischen Joche —

Wir seiern nicht d ie Befreiung von der
Fremvherrschaft, denn bis 1854 — bts zum
Kri'mkn'ege-— beherrschte uns unini'ttelbar durch
unfcre Kabi'nette statt ves Westens der Osten;
statt Frankreich — Rußland.

Wir fci'crn den Sieg über eincn fremden

Despoten —

Wir feiern nicht den Sieg über eine audere
Na t ion.

Wir fei'ern die Befreiung deS Vaterlandes
von fremdcn Tprannen — ^

Wir feiern nicht die Freiheit des Vater-
landes, die wir erst erwarten.

Wir feiern dic Erhebung des deutschen

Volkes von 1813 —

Wir feiern nicht die Erniedrigung des
deutschen Volkes von 1814.

Wir feiern die Znitiative des Volkes, das
die Fürsten mit fortriß —

Wir feiern nichtden Wortbruch der Fürsten
nach dem blutigen Siegc —

Wir feiern das erste Erwachen des deut»
schen VolksbewußtseinS als einheitliche Nation.

Wir feiern nicht die Zerreißung Deutsch-
lands durch dic 18l5er Akte dpnastischer Jn-
teressen.

Wir feiern die erste Erhebung desBür-
gerthums im deutschen Volke z»r Hand-
habung der Waffen und Gescße —

Wir feiern.nicht die Wiederaufrichtüng des
Zunkerthums und adeligeu Eindiiugeiis in aüe
Stellen.

Wir feiern das Zusammenstehen aller
europäischen Völker gegen den gemeinsamen
Friedensstörer —

Wir feiern nicht die Wiederaufrichtung
einer heil. Allianz zur Bcdrückung der Völker
iin Frieden.

Wir seicrn das mit seinem Blut erworbene
Nccht des Volkes auf sein Necht, seine Selbst-
bestimmung — scine Selbsthcrrschaft —

Wir feiern nicht die nach dem Kriege wie-
der hcrvorgekrochene Höflingswirthschast.

Wir feiern den Sieg im Kriegc wegen
des Segcns im Frieden.

Wir feiern nicht dic diplomatischeii Kriege,
die den Segen des Friedeas stets in Frage !
stellen.

Wir feiern die Solidarität der Jnteressen
aller Kulturvölker.

Wir feiern nicht die Svlibarität der dp-
nastischen Jntereffen ohne Rücksicht auf Völker-
kultur.

Wir feiern den S>eg über einenTprannen,
der sein« eigene Mutter, die Revvlution von
1789, verricth —

Wir feiern nicht den Sicg von Herrschern,
die nach bem Siege das Vaterland verriethen.

Wir feiern die Gedankenfreiheil, die-ein
Volk zu heroischcn Thaten sührte —

Wir feiern nich4 die Gedankenniedrigkeit^
die dcn Volksgeist in 50 Zahren herunter-
drückte.

Wir feicrn endlich das Volk und seine
Erhebung äus aller Erniedrigung.

Die Eröffnuiig des preußischen llandtags
soü am 14. November crfolgen. Es ist nicht
zu bezweifeln, daß er sehr bald wieder nach
Hause geschi'ckt werden wirb, da die Wahlen
durchaus im Slnne der Maforität des aufge-
löslen Hauses ausfaüen werben.

DaS in Erfurt auf AnregUng der städtischen
Behörden zufammengetretene „Festkouiitec zur
Feicr des 18. Oktober" macht so cben bekannt,
daß nach einer Verfügung der wohll. Pollzei-
verwaltung daffelbe dafür veranlwortlich ge-
macht wirb, daß bei dem Festzug keine deutsche
Fahne' entfaltet werben sollc. Das Komitee
hat dahcr die Veranlaffung aller Festlichkeiten
von öffentlichem Charakter, namenklich öffent-
liche Äufzüge und die für den Abend im Thea-
ter beabsichligtc Feieilichkcit, soweil Beibes
von rhm ausgeht, aufzugeden beschlossen.

Ueber die Begrünbung ciner preußischen
Hegemonie in Deutschland überhaupt äußert
die N. Fr. Ztg.: Schon der Versuch der Her-
stellung svlcher „Führerschaft-- wäre der Bür-
gerkrieg für uuser gesammtes Vaterland!
Oesterreich läßt sich ni'chl gutwillig auS Dcutsch-
land hinauswerfen, nnd seine materieüe Macht
ist noch immer nahezu doppelt so groß als die
Preußens. Daß allc andern Dpnastien nichts
wiffen woüen vop einer Unterwcrsung unler
daS Haus Hohenzoüern ist bekannt genug. Aber
nicht blos die Dpnastien, sondern — man
gebe stch keinen Täuschungen hin! — auch die
meisten Volksslämme würden den entschie-
densten Widerstand leisten. Es würden in
einem solchcn Falle ganz gewiß die Bapern
und Württemberger nicht allnn stehen. Auch
dic Badcner und die Heffen denken nicht an
eine sol ch eUntcrordnung. Ja man würde sich
bitter täuschen, wcnn man das Verlangen dar-
nach auch nur in Rorbdeutschland voraussetzte.

Man versuche es in Hannover, in den Hanse-
fiädten, im Königreich Sachsen!

Kann irgend Zcmand ernstlich glanben, daß
Preußen im Stande sein würde, das übrige
Kleindeutschland sciner Hegemonie zu unter-
werfcn troß des in diesem Falle zum Kriege
bereiten Oesterreich; trotz des Widerstrebens
aller Dpnastien, ja iroß des Widerstands aller
bedeutenden BolkSstämme?

Währenb dic Vertheidiger der „Führerschaft«
grwöhnlich bavon reden, man müffe „Rechnung
tragen" den „Machtvcrhältniffen", müffe nach
dem „Möglichen", nach dem „Errcichbaren"
streben, schen wir hier gerade das grellste
Mißachten cben dcr faktischen Machtverhätt-
niffe, sehen wir ein Haschen geradezu nach
dem Unerreichbaren, ja nach dem Unmögliche».
— Und das will man„RealPolitik" nennen!

Nach Merico gehen wiedcr nene Truppen
ab; 500 Mann nahm das Postschiff von St.
Nazaire mit; 1200 Mann werden in Cher-
bourg eingefchifft. Anfangs November geht eine
weitere gleiche Truppenzahl nach Merico ab.

Nachdem der Fürstbischof von Trient den
„Meffag. von Roveredo" für seine Diözese,
der Lischof vvn Verona das „Giornale v.
V." für bie seinige verboten und der Bisthums«
Verwescr vou Udine der „Rivista Friulana,,
ihres irreligiösen Verhaltens wegen eine ernste
Mahnung gegeben hatte, mußten, wie der
„Vlkfb." meint, die übrigen Bischösc im Vcne-
tianischen, wo die gcnannten Zeitiingeii ihre
meiste Verbreitung haben, falls diese Blättcr
nicht eine befferc kirchliche Richtung einschlügcn,
zum geistigen Wohle der ihnen anvertrauten
SHäflein, einen ernsten Schritt gcgcn dieselben
machen. ,Und dies ist schon geschehen. Der
ganze venetiänische EpiScopat (10 Bischöfe u.
1 Bisthumsverweser) mit vem Patriarchen
von Venedig an der Spitze, hak in cinem
Collektiv-Pastoralschreiben vom 23. Septbr.
allen ihm unterstehenden Diöcesanen das Lesen
und Behalten der drei Zeitungen verboten:
des „Meffagiere von Roveredo", des „Gior-
nale bi Verona", und der „Rivista Friulana."
Der erwähnte Hirtenbricf schließt mil folgen-
dcn Worten: „Diescr unserer Äacht uas be«
dienend, verwerfen, verbieten und verdammen
wir obige drei Zeitungen, so zwar, daß alle,
welche unserer geistigen Pflege unterworfen
sind, von nun an sie wever lesen noch behalten
dürfen, ohnc eine schwere Sünde zu begchen,
liiid ohne den von den Kirchengesetzen ver-
hängten Ltrafen zu verfallen."

Das „Dresd. Journal" meldet telegraphisch
aus Warschau, 18. d.: Heute Morgcn ift in

Die Himichtung zu Blidah.

Folgender abscheuliche Auftritt hat sich am b.Oct.
zu Bltdah in Afrtka zugetragcn. Cs handelt sich
um die Hinrichtung eines gcwiffcn Boudisre vom
2. afrik. Bataillon, dcr «egcn eines an einem Ka-
meraden verübtcn Mord- und Raubversuches zum
Tod durch Pulver und Blei vcrurtheilt worden
war. Wir geben den Vorgang so wieder, wke er
in cinem durch den „Lourrier dc l'Akgerie" ver-
öffcntlichtcm Bricfe dcschrteben wird: „Heute, Mon-
tag, den 5. October, um 6 Uhr Morgcns begab
sich djc Garnison von Blidah nach der geradc ne-
bcn dem.Schlachthause gelcgcnen Richtftättc, wo
bercits einc große Menschenineiigc vcrsammelt war.
Um ,7 Uhr crschien Boudiöre in dem von etuer
Schwadron dcs 3. HusarcnregimentS» einer Lvm-
pagnte dcS 2. Bataillons und einer Compagnic
Zuavew gebildeten Zuge. Ltnks stützte cr sich auf
eincn seiner Kamcraden, rechtS auf den Pfarrer
von Bltdah, doch mit ficheren, langsamcn Schritten,
und lcgte eine großc Faffung an den Tag. Die
Augeii lteß er sich ntcht verbinden und stellte sich

freiwillig aus den zur Hinrichtung bestimmten Punkt,
wo sich mit eincr Umarmung sein Kamerad und
dann untcr Weincn der Pfarrer von ihm verab-
schiedeten. Boudiere commandirte selbcr mit fester
Stimme Fcurr. Die Gewehre krachtcn alletn der
Gercchtigkeit der Mcnschcn war keine Gcnugthuung
gcschchcn. Baudiöre wankte und warf sich dann
sclber auf den Boden, um den Gnadenschuß des
Sergeantcn zu erwarten. Dicser tritt heran, setzt
ihm den Lauf ans Ohr und der Schuß versagt.
Da springt Boudierc wieder auf, als sei er ganz
unvcrletzt und droht mit'Stimme und Hand dcr
Erccutionsrotte. Dann lcgte er sich abcrmals auf die
Erde nicdcr, währcnd dic Mcnge mit lauter Stimmc
nach Pardon schric. Znzwtschen hatte dcr Scrgecmt
ctn anderes Zündhütchcn aufgesetzt und drückte loS
— und wicdcrum versagte das Gewehr! Zum zwei-
ten Malc springt Boudiörc tn die Höhe, außer
fich, und überhäuft dic Soldaten mit Verwiin-
schungen. DaS Volk befand sich in der äußcrstcn
Aufrcgung. Endltch naht der Sergeant zum dritten
Male mit frischgeladenem Gewehr und jagt Bou-
diere, der fich wixder auf den Boden gelegt hatte,
eine Kugel in dic ltnke Schläfe, daß er todt blieb.

Als der Delinquent vor der Erecutionsmannschaft
vorübcrgtng, hatte cr ihr noch zugerufen: „Fehlt
mich nicht!" allein von 11 Kugeln hatten ihn nur
4 getroffen: eine tn den Untcrhals, eine in die
Hand und cine in je eine Schulter."

Leipzig, 14. Oct. Dte Ordnung deS FestzugeS
am 19-October ist folgcnde: SLmmtltche am Feft-
zug thcilnchmende Körperschaften und Veretne vcr-
sammcln sich an bcsonderen von thnen sclbft zu be-
sttmmenden Plätzcn und treffen geordnct Punkt
9>/-Uhr von dcr Seite des Augustusplatzes hcr
an dcn AufstcllungSplätzen ein. Die Ausftellung
gcschicht durchgängig tn Rcihen von acht Mann.
Die Vereine scnden um 9 Uhr Beauftragte an daS
Petcrsthvr, wo diekclben Namentafeln erhalten und
von Zugordnern (kenntlich an schwarzrothgoldener
Schärpe mit wetßem Achselband) anf den Aufstel-
lungsplätzen vcrthcilt werden. Die Reihenfolge deS
Zuges ist: 1) Reitveretnc. 2) Leipziger Turnver-
ein. 3) Schulcn und Gymnafien. 4) Veteranen
mit Ehrenbegleitung »on Jungfrauen. Mitglieder
des sächstschen BannerS. 5) Letpztger Schützenbund.,
6) Leipziger Fcstcomtte. 7) Vertreter der sestgeben-
 
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