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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.2801#0049

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ADr. tD Srscheint, MontagS auSgenommen, täglich. ZnsertionSgebühren für die Zspalüge Petit- M M- F*

^UAEDck PreiS vierteliahrlich 54 kr. zeilewerdeamit 3 kr. berechnet. ' M.^DMWEAO

Bestellungen auf die „Heibelberger
Zeirung" nebst Beilage „Heidelber-
ger Fawilienblatter" für das mit 1
Juli 1883 beginnende 3. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition.

* Politische Umschau.

Jn Hannover sind die Wahlbürgerwahlen
überwiegend zu Gunsten der FortschrlttSpartei
ausgesallen, so daß zu erwartcn steht, daß
auch die Abgeordneten freisinnig sein werden.

Berlin soll jetzt befestigt werdcn. Nach der
„ Abcndzeitung" sind im Kriegsministerium
Pläne zur Errichtung cincs starken Kastells
anf dem nahegelegenen Kreuzberge und zur
Befestigung niehrcrer Kasernen auSgearbeitcl
und der näheren Prüfung unterbreitet worden.
Auch die sranzösische Iulidpnastie glaubte sich
zu befestlgen, indem sie Paris befestigtc.

Nach der officiellen Mittheilung über die
BnndcStagssitzung vom 9. d. verzichtet die
dänische Regterung auf die active Theilnahme
an der diesjährigen Musterung deS Bündes»
heerS.

Wieder „Osts.-Z." von Warschau geschrieben
wird, hat die russische Regierung cinen guten
Theil ver auS der Generalstaatökaffe entwen«
deten Gelder bereitS zurückcrhaltcn.

Dik Einnahme von Meriko war keine
Waffenthat, daher haben die Kanoncn dcr Jn»
validen in Paris geschwiegen und hat die Ein-
nahme überhaupt wenig Eindruck gemacht;
Jcdermann ist der Ansicht, baß die Schwierig-
keitcn jetzt erst beginncu.

Der „Sieclc" ist elnigerniaßen erstaunt dar«
über, daß Mcriko nicht vertheidi'gt wurde, zu-
mal so viele natürlichc und küustliche Verthei-
digungsmittel zu einem längeren Wiberstand
veranlassen konnten. Nlin- sei der Zweck dieser
beschwerlichen fernen Erpedi'ii'on crreicht, oder
werde es bald sein, und der Siccle hofft deß-
halb, daß die unerschrockenen Solvaten, nach-
dem sie jenscitS deS Meeres die Nationalchre
gerächt, bald zurückkehren und auf ihren Lor-
beeren auSruhen werben.

Deutschland

Karlsruhe, 11. Zuli. (äO. öffentliche
Sitzung ber 1. Kammcr. Schluß.) Die Ta-
geSordnung führt zur Berachung ves Berichts
des Ministerl'alraths Dr. Jvllp «ber den Ent-
wurf einer Strafproceßordnnng. Eine allge-

meine DiScussion fand nicht statt. Die von
der Commisfion beantragten Aenderungen wur«
den fast alle genehmiqt und zwar größtentheilS
ohne Besprechung. Bei §. 251, welcher vor-
schreibt, daß das Urcheil sofort zu fällen und
mit dem Wesentlichsten der EntscheidungSgründe
zu verkünden sei, stellt Gxaf v. Hennin den
Antrag auf Wiederherstellung des Regierungs-
entwurfes, welcher dasür eine Frist von Z Ta-
gen festsetzte. Freiherr v. Göler unterstützt
diesen Antrag, gegen welchen Bluntschli und
Jollp stch aussprechen. Letzterer will wenig-
stens den AuSspruch über die Thatfrage sofort
haben. Bei der Abstimmung ergaben sich 6
gegen 6 Stimmen. Der Präsident entschied
zu Gunsten der Zkägigen Frist. §. 275 han-
dclt vom Resume des Präsidenten. Hier stellt
Graf v. Hennin den Antrag, die Faffung
II. Kammer auzunehmen. Fromherz und
Frhr. v. Göler unterstützcn diesen Antrag.
v. Mohl will gar kein Resume. Minister
Stabel bemerkt, daß dieses sich beim Schwur-
gericht als gut bewährt habe, cs sei keinc
Klage gegen daffelbe eingekommen. Jollp
und Bluntschli vertheidigcn den Commis-
sionSantrag, dem auch Schmidt beitritt, weil
jetzt die Zeit noch nicht da sei, in wclcher
man das Nesuins enibehren könne. Mohl's
Antrag wurde nicht unterstützi, jener des Grafen
Hennin aber mit 9 gege» 3 Stimmen ange«
nommen. Bei §. 301 bemerkt Fromherz, er
hätte gewünscht, daß die schriftliche Beschul-
bigung in geringcren Sacheu verlescn werden
dürfe, will aber keinen Antrag stellen. Mini-
sterialrath Ammann bedauert leßtcres, auch
die Regierung sci der Ansicht, welche From-
herz ausgesprochen. v. Mohl ist dagcgen, er
will keine Actenwirthschaft. Minister Stab el»
glaubt, daß biesrr Paragraph mit seinen Fol-
gen Lächerlichkeiten erzeugen werdc. Graf v.
Hennin: Anklage und Verlheidizung sollen
mündlich erfolgcn, der Richter dürse nicht zu-
gleich Ankläger seiu. Bluntschli spricht eben-,
falls für den Cvmmissionsantrag.' Frhr. von
Göler stellt den Antrag auf Wieverherstellung
des RegierungSentwurfs, Fromherz unter-
stützt. Bei der Abstimmung fallen aber nur
noch 3 Siimmen auf denselben (Kuntz, von
Schilling und v. Berlichingen).

v. MohI erwähnt uoch kurz der Todesstrafe.
Die großh. Rcgierung werde thun, was recht
fei und sich nicht durch jeden belikbigen lösch-
papiercnen Strom leiten lassen. DaS Gesetz
wird einstimuüg angenommen. Ebenso dcr
Wunsch der II. Kammer, daß vor der Eides-
leistung bie EideSbelehrung nicht nothwenoig

stattfinden müffe. Bluntschli wünscht die
Belehrung nur in Ausnahmefällen, sonst sei
sie ganz unnütz. Minsster Stabel: Die Be«
lehrung habe allerdings manche Mißstände;
früher seien gcwiffe Klaffen davo» auSgenom-
men gewesen, dieseS Privilegillm habe man
aber beseitigt. Der jetzkge Antrag habe eine
andere Gcstalt und die Regierung werde ih«
prüfen. Schließlich berührt von Mohl die
Aeußerungen dcS MinisterS Stabel und tzeS
Abg. Kirsner in der II. Kammer bezüglich der
Wahrscheinlichkeit, daß daS Gesctz über die
Rechtsverhältniffe der Richter wegen Unvoll-
zähligkeit der l. Kaminer nicht mehr zur Er-
ledignng kommeu dürfte. Dicser u. BluntschIi
wünsche», daß den nicht anwesenden Kammer-
mitgliedern ein Beschluß des HauseS zugefer-
tigt werdc, welcher besage, daß bereitS ein
Gesetz wegen Unvollzähligkeit der I. Kammer
gcfallen sei, ein zweitcs sei eben dadurch be-
droht, die Ehre und Pflichk des HauseS fordere,.
daß die Mitglieder diesem Uebeb durch ihr Er-
scheinen abhelfen und seien daher auf den Lag,
an wclchem das Richtergesetz auf die TageS«
ordnung gesetzt werde, eingeladen, hier zu er-
scheinen und ihrer Pflicht nachzukommen. Graf
v. Berlichingen kann diesem Antrage nicht
zustimmen; es sei diese Einladung lediglich
Sache des Prästdenten und die bezüglichen
Hcrren seien letztmals fast alle erschienen und
würden wieder erscheknen. Fromherz ist
gleicher Ansicht. Die Kammer ersucht daS
Präsidium, die Einladung zu besorgen. Schluß
der Sitzung. (B. B.)

Karlsruhe, 12. Juli. Nach dem von
Kirsner erstatteten Bericht stimmt die Com-
mission der zweiten Kammer dem am 22. v.
M. vorgelegten Gesetzentwurf über Erbauung
der beiben Eiscnbahnlinien Offenburg-Hausach
und Gkrlachshcim-Wertheim vollständig bei.
Am Schluffe dcS Berichts stellt dic Commission
— mit Bezug auf eine Bemerkung der Re-
gierung, daß man vi'elleicht, je nachdem sich
in Folge der technischen Untersuchungen die
Auspicicn für die weitere Kinzigthalbahn ge-
stalten, veranlaßt werden könnte, den Bau
der Bahnstrecke von Jmmendingen nach Engcn
aufzugebcn und durch eine Wuttachthalbahn
zu erseßen — den Antrag, die Kammer wolle
den Wilnsch zu Protocoll erklären, „rS möge
der Vvllzug deS Art. 4 des GesetzeS vom
24. Iuli 1862, welcher unbedingt befiimmt,
daß die Bahn von Donaueschingen biS gegen
Engcn sogleich in Angriff genommen werden
soll, nicht mehr länger verzögert werden."
Eine Petition der Stadtgemeinde Pfullendorf

Ein Freund anf dem Sterbebette.

Dem Briefe eines tm Unionistcnhcere dicncnden
Lanvsmannes entnimmt dcr„N.K."dic nachstehcnde
rührende Scenc: „Schon seit langcrer Zeit ist meine
Wunde fo weit hergestellt, daß ich zwar das Bett,
aber nicht das Hospttal habe verlaffcn könncn. Jch
versehe seitdem den Dienst eincs WärterS, leistc
Beistand, wenn Glicdcr abgenommcn und Wun-
den verbunden wcrdcn,' und du magst es mir glau-
ben, ich kvnnte Bände schreibcn von den herzbrc-
chenden Gcschichten, dic ich hier gesehcn und erlebt
habe. Doch bcstand das schwerste Stück Arbcit,
welches ich habc verrichten müffcn, darin, daß ich
mctnen Daumen von dem Oberschenkel eines Bcr-
wündrten zurückzog. Du «irst nicht bcgreifen, aber
höre und urthctle. Unter eincr Menge von Ver-
wundeten wurde cin junger Mann in das Kran-
kenhaus gebracht. Die Kugel war durch den Obcr-
schenkcl gegangen und es mußte zur'Amputation
geschritten wcrden. Das Bein «urde dicht am
Leibe weggeschnitten, die Arterien wurden unter-

bunden. Der Kranke befand fich erträglich und
man glaubtc gcwiß, thn am Leben erhalten zu
können. Nach einigen Tagen sprang eine der klci-
ncn Arterien. ES «urde ein Einschnitt gemacht
und diesclbe wieder untcrbunden. Dcr Wundarzt
sagte, es set cin Glück gewesen, daß nicht dic
Hauptarteric gesprungcn, sonst wäre der Mann
todtgcblutet, ehc ihm hätte Beistand geleistet wer-
den können. ES befferte stch dänn crheblich mtt
Lharlcy und wir freuten unS Alle über ihn. EineS
Nachts, wo ich im Krankensaale zu thun hatte,
sagtc er Plötzlich, als i-b an setncm Bctte vorbci-
kam, zu mir: „Heinrich, mein Bein blutet wtcder!"
Jch warf die Betten zurück und das Blut fpritztc
in die Luft. Der Schurf der Hauptartcrie hatke
sich abgetrennt. Glücklicher Weisc wußte ich, was
zu thun war, im nächsten Augenblicke drückte ich
meinen Daumen auf die Stellc und stopfte dic
Blutung. Es war so dicht am Lcibe, daß kaum
Raum für meinen Daumen blteb, aber eS gclang
mir, ihn daselbst festzuhalten. Jch «cckte einen
der Rcconvalescenten und sandte denselben zum
Wundarzt, der in der nächsten Minute erschten.
„Ach dankc Jhncn, A —", sagtc cr zu mir, als er

mich sah, „daß Sie zur Stellc gewesen find und
wußten, was zu thun set, denn außerdem wäre er
verblutet, bevor ich hicr sein konnte." AlS er aber
dic Stelle nntersucht hattc, nahm sein Geficht einen
sehr ernsthaften Ausdruck an, und er sandte zu
den andern Wundärzten, mtt der Bitte, fie möchten
sogleich kommen. Es erschiencn alle, die im Hause
waren, und fie gingen zu Rathe Lber de» armen
Burschen. Jhre Entschcidung war einstimmig. Es
war kein Raum da, wv fie operiren konnten, außer
der Stelle, auf welcher mcin Daumen lag; unter
dem Daumen konnten sie nicht arbeiten, nahm ich
denselben fort, so würde er zu Tode geblntet sein,
bevor die Arterie untcrbunden werden konnte. Es
gab kcinen Weg, sein Lcben zu retten. Armer
Charley! Er war sehr ruhig und gefaßt, alS ihm
sein nahe bevorstehendes Ende verkündigt «urde,
und bat, daß sein Bruder, der gleichfalls im Hos.
pital lag, gcweckt und zu thm gcrufen wurde. Diese»
kam, sctzte sich an dcr Bettseite nieder, ich stand
drci Stundcn, htclt durch den Druck meineS Dan-
mcns das Leben von Charley auf, während dle
Brüder zum letzten Male auf Erden mit einander
sprachen. Gewiß, cs war eine ganz eigenthümliche
 
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