Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
November
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2801#0453

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
D 2tt4


Dienstag, tv November

ZnserttonSgebühren für die Sspalttge Pettt-
;eile werden mit 3 kr. berechner.

L8tt3.

^ Auf dke »Heidelberger
Zeitung" kann man stch
noch fur die Monaie
Nooembcr und Drrcmber mit 36 Kreuzern abon-
niren bei allen Postanstalten, deu Boten und
Trägern, so wie der Erpedltion (Schiffgaffe
Nr. 4).

* Politische ttmschau.

Die Bcrliner Spener'sche Zeitung erfährt
aus guter Quelle, daß eine sehr einflußreiche
Persönlichkcit eifrig bemüht sein soll, Wege
zur Ausgleichung dcs ConflictS zwischen un-
serer Regierung und dem Abgeordnetenhaufe
anzubahnen.

Die ,,Köln. Blätter" theilen vom Nieder»
rhein mit, daß nach einem gestern den ver-
schiedenen Truppentheilen zugegangenen Be-
sehle dieselben Alles für einc elwa cinzulei-
tende Mobilmachung in Bereitschaft setzen
sollen.

Nach der „France" hat der Kaiser uiimittel-
bar an die Frankreich befreundetcn und alliir-
ten Souveräne Schreiben gerichtet und das
Prosect eines europäischen Schiedsgerichtes
ihrer Billigung unterlegt. Der Congreß kann
als einberufen betrachtet werven; in wenigen
Tagen werden wir wissen, ob er angenom-
men ist.

„Dailp NewS" sagt: Frankreich wird die
Stelle des Schiedsrichters von Europa unb
des Beschützers der Nalionalitäten einbüßen,
wenn es nicht für Polen Krieg sührt. Nie
wird stch aus Einladung Franki eich's ein Con-
greß versamirieln, um die Verträge von 1815
sür erloschen zu erklären.

Ueber die kaiserliche Thronrede sagt der
„Constitutionnel": „Niemalö ging ein Herr-
scherwort mit splcher Kühnheit, mit solcher
i?opalität und Freimülhigkeit aus den Ärund
der Sache ein; niemals legte eine Thronrede
mit so ergreifendcr Klarheit unb edler Auf»
richtigkeit die Lage und die Angelegenheiten
des Landcs nach Außen und im Jnnern dar,
niemals zeigte man von ber Höhe des Thrones
den Regierungen und den Bölkern mit mehr
Uneigennützigkeit und wahrhaster Größe das,
was man hoffen und fürchten muß, unb ba-
hin, ,,wo bie Gesahr und wv dic Reilung"
ist." Zn Bezug aus bas Zustandekommen des
Congreffes zeigt stch der „Constikutionnel" sehr
zuversichtlich: „Dieser Aufruf einer scharfdlik-
kenden, verftändigen Politik, die stolz ist, ohne
stch deii Andern aufzwingen zu wollen, natio-
nal ohne Eroberungsgelüste, und ebenso sehr

der Orduung, als dem Fortschritt zugethan,
wird von ganz Europa angehört werden, weil
der Kaiser im Namcn Frankreichs spricht, wie
er selbst sagte, unv weil er — fügen wir
hinzu — Napokeon Hl-, d. h. der gerechteste
und gemäßigtefte Herrscher ist." Die „Natioa"
meint, daß der Kaiser die große Tagesfrage
ganz richtig vost der praktischen Seite anfaffe,
wo man stc von Anbeginn an hätte anfaffen
müffen. Mit der gemeinschaftlichen Action sei
eö zu Enbc, ebenso auch mit dcren illusorischer
Basts, den Verträgen von 1815. „Frankreich
erhebt stch allein in Europa und reiht neben
dem Rechte der Souveräne daS Recht der
Völker an, die cS allein in ihrem ganzen Um-
sange und mit aller ihrer Autorität vertritt.
Frankreich nimmt die polnische Frage wieder
aus, »icht um ste durch leere Worte wieder
einzuschläfern und unter der Last langer unb
unnützer Discusstonen zu ersticken; es nimml
ste nicht mit dem Hinlcrgedanken wieder auf,
fie im entscheidenden Augenblicke wieder aus-
zugeben, wie es biö jetzt Oesterreich unb Eng-
land gethan, sondern mit dem sesten Wille»,
sie zu lösen." Dabei hat aber die „Na-
tion" kein großes Vertrauen in vas Zustande-
kommen und den Erfolg eineS Congreffes.
Das „Paps" eonstatirt den iingeheuren Ein-
druck und vie große Tragweite der kaiserlichen
Rede. Jm höchsten Grade vom Natioiialge-
fühle und von einer hohen Weisheit durch-
brungen, werbe diese Sprache den einstimniigen
Beifaü des Landes eüiernten. — Die „France"
widmet bem benkwürdigeii 5. Novbr., wie ste
ihn nennt, cinen sehr jchwungvoüen Artikel.
„Was diese Erklärungen charakteristrt (rust
sie aus), bas ist das Wort, welches der Er-
wählle der allgemeinen Wahlen ausgesprochen
hat, alö daS Urtheil der Civilisation, ber
Völkersreiheit und der Ehre Frankreichs: „Es
gibt kiine Verträge von 1815 mehr." Wcnii
Eurvpa den Frieden will, so ist es nöthig,
daß dasselbe dic Elemente seiner politischen
Organisation umbilve; es ist nothwendig, daß
cS die Mißbräuche absteüe, baß eS die Lei-
denben freigebe, damit diejenigen cntwaffnet
werden, welchc stch empören. Der Ruhm des
Eroberers ist der Negierung deS Kaisers un-
nöthig; er würbe der mvbernen Gesellschaft
verderdlich sein. — Die „Preffe" widmet ber
Thronrede wenige aber anerkennende Worte.
„Indep. belge" hält bic Rede für entschieden
friedlich unv diesen Eindruck habe sie auch in
diplomalischen und Regierungskreisen gemacht;
das Wesentliche in dersclben sei, daß isvlirtes
Handeln Frankreichs in der polnischen Fragc

nicht mehr zu fürchten ist. „Dailp NeWS"
erwartct nichts von einem Congreß, keine Con-
ferenz werde erklären, daß dic Verträge von
1815 nicht mehr bestünden. „Dailp Tel."
fragt, ob Frankreich dem Congreß auch die
Occupation Rvms vorlegen wolle? Und waS
es thun werde, wenn Rußland ihn nicht be-
schicke. „TimeS" sagen u. A.: Dem AuSland
hat Napoleon wieder einuial ganz nach seiner
Art ein Räthsel aufgegeben, eS mag sich ei'nst-
weilen damit den Kopf zerbrechett. Halten
die übrigen Mächte, wie zu erwarten steht,
mit England, so ist bas Räthsel tndeß bereitS
gelöst, da dcM Kaiser augenblicklich nichts fer-
ner licgt, als cine Herausforderung Englands.

Dcr sranzöstsche Gesandte in Rom, Fürst
de la Tour d'Auvergne, hat dem Papst scin
Rückberufungsschreiben präsentirt.

Nach der „Londoner Gazette" bringt Graf
Ruffel's Depesche vom 29. Oct. in Erinne-
rung, daß die Rechte der Polcn mit den Rech-
ten bes Czaren auf Polen in demselben Schrift-
stücke stehen.

Die Nachrichten auS Griechenland stnd so
despcrat, daß man schon davon spricht, der
neue König werde am Ende vor dem Ablauf
von drei Monatcn 'wicder nach Dänemark zu-
rückkehren. Dieß bedarf indeffen um so mehr
der Bestätigung, als Frankreich Und England
dem König bcr Hellenen ihre Hilsc bestimmk
zugesagt haben.

Alle englischen Blättcr verwerfen Napoleons
Congrcßvorschlag und bemerken, England werde
eine Revisivn dcr Kartc Europas bekämpsen.
Times finbet heute die Thronrede weniger
sriedlich.

D e u t s l a n d

Karlsruhe, 7. Nov. Jhre Königlichen
Hoheiien der Großherzog und die Frau Groß-
herzogin mit Seiner Königlichen Hoheit bem
Erbgroßherzog und der Großherzoglichen Prin-
zcsstn stnd heutc Abend (5^/, Uhr) nach länge-
rem Ausenthalt aus Schloß Mainau im er-
wünschtcsteii Wohlsein wieder dahier einge-
troffcn. (Karlsr. Ztg.)

Frankfurt, 6. Novbr. Nach einer Mit-
lheilung dcr (großdeutschen) „Asch. Z." soll
der Ausschuß des Resormvercins beschlvffen
habcn, folgende vier Blätter zu subventioniren:
1) den hiesigen „Bolksfreunb für das mittlere
Deutschland", 2) ben „Münchener Volks-
boten", 3) das „Mainzer Journal", 4) eine
von Herrn Zimmern in Hetdelberg zu grün-
dende Zeitung.

An dem schönen Hause.

„Wcr so glücklich sein und in so hcrrlicher Woh-
nung leben dürste", sagten Viele, dic vorübergingen
und LaS schöne HauS betrachteten. „Diese hohen,
hellen Fenster mit den prächtigen Vorhängen da-
hinicr, die grünumranktcn, mit auSerlescnen Ge-
wächscn verzicrten Altane und geschmackvollen Orua-
mente. Es müffen reiche, benridenswerthc Men-
schrn sein, die dort wohnen; die Glücklichcn!"

Und wirklich, dcr Besitzer deS Hauscs «ar cinst
ein glücklichcr, relchcr Mann. Die ganze Stadi,
obwvhi cs eine schr große Stadi war, wußte davon
zu erzählcn, wie er, cin cinfächer Handwcrker, fich
durch ciserncn Flejß, vurch Kcnniniffc und giück-
Uche Spccülaiivnen nach nnd nach ein so bedeii-
tendes Vermögen erwyrben, daß er zu den Begü-
tertstcn der Stadt zu zählen war. Damals kaufte
er das fchönc Haus und führte eine junge Krau
hinein, währcnd scine umfangreiche Fabrik in den
alten RLumen fortgeführt wurde. Sritdem warm
aber schon vicle Jahre vergangcn und cr bewohnte
jetzt die Parterre-Wohnung des schönen Hauscs,
während er früher den ersten Stock inne gehabt.

Der Abend dunkelie nur erst,'der unablässig
sich forirollcnde Menschenstrom wogie noch in sum-
mender Geschäftigkeit vorübcr, aber in dem ersten
Stockwerk und zu ebener Erdc stnd die Fcnster des
schönen Haufts schon hell crleuchtei.

Zn dem geräumigcn Wohnzimmer dcs HauS-
besitzers flammen auf filbernen Candelabern Wachs-
kerzen, ruht die kostbar grkleidcte HauSfrau un-
thäiig in «cichem Fauieuil, prüfen vor hohen Spic-
gcln zwei junge Mädchen ihre ariigc Erscheinung,
ihre reiche Toileiie. Jn dem Labinet, dcffen Thüre
nur halb gcöffnet, stchi indcß der ^ausherr am
einfachcn Arbeitspuli und rechnet. Die cine Hand
schreibt eifrig Zahlcn nebcn Zahlen, die andcre
stützt das ergraute Haupi dcs Mannes. Er icgt
nach einer Wcilc die Feder nicder und drücki auch
dic zwkiie Hand an die Stirn, bcugt das sorgcn-
volle Angcsichi ii-fcr und iiefer, alS ob er nichis
von der Welt mchr fthen und hören wollc. So
stehi er da, lange, lange. Die Damen im Neben-
zimmer plaudern lustig fori, von Bällcn niid Con-
cericn, von zukünftlgen Badereisen und den neuc-
sten Moden, alberne Sachen durcheinander, nicht
des Hörens «erth.

, „Papa, die Equipage ist da, bist Du noch nicht
! scrtig?" „Väterchcn, wir versäumcn sicher die
^ Ouveriürc!" rufen schon mehrere Male ungeduldig
die Töchtcr, „Aotzann, meinen türkischen Shawl !"
befiehli herrisch dic Frau Mama dem in reicher
Livröc harrcndcn Dicner.

„Fahrt nur", antwortei des Vaters sondrrbar
gedämpftc Siimme, „ich komMe spätcr nach"; und
während ftine Frau und Töchter gedankenlos in
eitler Bergnügungssucht sich in eincr Loge drs ersten
RangcS bcwundern und bcncidcn laffeu, scufzt der
Mani, daheim, in bittercm Gramc: „Unsinnigc
Verschwenduug, thörichtes Nachgeben, wohin, wo-
hin habi ihr mich gcbrachi? Roch eine kurze Zeit
und all daS rcdiich Erworbene ist dahin! jO, daß
ich nie mehr das Tagcslichi schauic, daß diese
Nacht die Ictzie meines Lebens wärc!"

„So wcrden Sie heute Abend unsern Kreis durch
Jhre Gegenwart erfreucn? Jch bat Sie ofi schon
vergcbens darum," sagte die schöne junge Frau des
rcichen BanquicrS, der dit fürstlich cingcrichteten
Räumc des ersten StockeS in dem schönen Hauft
bewohnt, indem fie mit anmuthigem, heißen Er-
 
Annotationen