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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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November
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https://doi.org/10.11588/diglit.2801#0454

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München, 5. Nov. Der gesetzlose Ueber-
muth unserer Haberfeldtreibcr hat sich bis zur
Frechheit und soffar zum Hohne qegen die
Äsaßregeln der Behörden gesteigert und damit
cinc neue Jllustration zu der „naturwiichsigen
Ritterlichkeit deS alibayerischen Krystallisa-
tionskernes unseres Landes^ geliefert. Man
erzählk sich, daß fast unmittelbar nach oem
Durchmarsche des, wie berichtet zur Sicherung
der Gegend vor jenem gesetzlosen Dreiben ab.
gegangenen Truppen » Commandos in einem
Dorfe unweit Miesbach ein Habcrfeldtreiben
abgehalten, so wie daß dic Ankunft des von
hier entsendeten Commiffärs, Regierungsrath
». Mangotl, abermals mii einem solchen feier-
lich begangen worden sei. — Gewiß ist, daß
in Folge deffen heute Morgen wieder cine
bereits marschbereit gehaltene Compagnie der
hiesigen Garnison mittelst Eisenbahn in die
bedrohte Gegend befördert wurde. Es ist um
so mehr höchste Zeit, dem sich steigernden Un-
fuge mit der ganzen Strenge des Gesetzes
cntgegenzutreten, als bei dem letzten Treiben
in Lenggries — das unter andern dcr Be-
sitzerin des Schloffes Hohenburg, welches von
dcn Ercedenteu dabei mit bengalischem Feuer
beleuchtet wnrde, galt — bereits mit Brand-
stiftnng gedroht wordcn sein soü. Sowohl
Anstifter als Theilnehmer des Unfugs sollen
übrigens der dortigen Bevölkerung wohl be»
kannt, diese aber zu feig nnd dubch die Furcht
vor der Rache jener zu eiiigeschüchtert sein,
als daß man auf ihre bereitwillige Mithülfe
zur Entdeckung der Uebelthäter rechnen könnte.
So ragt in unser 19. Iahrhundert ein Rest
mittelalterlichen Treibens hincin, den man
heute fast nicht mehr für möglich halten sollte,
dcm aber hvffentlich bei dieser Gelegenheit für
immer ein Ende gemacht werden wird.

(N. Fr. Z.)

Munchen» s. Nov. König Ludwig hat
heute die Reisc nach Algier angetreten.

Dresden, 4. Nov. Zum Präsidenten der
1. Kammer wurde vom König der Kaminer-
herr v. Fricsen ernannt.

Aus Preußen, 4. Nov. Aus Elberfeld
ist der Nedaction der Berliner „Tribünc" sol«
gendes Schreiben zugegangen: „Elberfeld, 28.
Octoher 1863. Im „Vereiiishanse" in Elber-
feld wurde Sonntag vor acht Tagen über die
bevorfiehcnden Wahlen heftig debattirt. Einer
der Pfarrer sprach im versöhnlichen Sinne
und meinte, „auch untcr den Demvkraten gebe
es sehr rcchtschaffene und biedere Leute, und
man müsse schon aus chrisilicher Nächstenliebc
ben Bruch nicht zu weit treiben„" Da sprang
Hr. Aug. v. d. Hepdt, der neu creirte Baron,
auf unv sagte: „Jch halte alle Demokraten
so lange für Spitzbuben, bis man' mir das^
Gegentheil beweist." Es ist dieses der älteste
Sohn des Staatsministcrs a. D. Äug. v. d.
Heydt. Für die Wahrheit des Vorgesagten
stehe ich cin." (Folgt die Uiiterschrifk.) —
Aus dem Wahlkreise Beckum-Warendorf und
Lüdinghauscn, 3. Nov., schreibt der „Lippst.
Patr.": Kurz nach dem Wahlacte tritt der
Landrath - Wahlcommiffär, Graf Schmiesing-
Kerffenbrock, auf einen Amtmann-Wahlmann

röthen den Eingetretenen begrußt. „Nein, gnädige '
Frau," erwidert der jungc Mann, und fetne Stimme >
klingt traurig, sein Angesicht ist sehr bleich. „Jch '
iam nur, um Jhnen Lebewohl zu sagen. An der ^
nächstcn Morgenfrühe reise ich, und kchre nie mchr
wicdcr." '' !

„Nic mehr wteder?" wiedcrholt fast tonlos dic
junge Krau. „lknd wohin gehen Sic?"

„Nach der Heimath, gnädigc Frau, ich hätte nie ^
hterhcr kommen follen."

Dir junge Frau stützt stnnend das holde Haupt
und zeigstückt träumerisch den Strauß seltener Blü-
then, die die Krystallschale vor thr füllen. Jst's
cine Thrane, dic ihr Auge in so feuchtem Glanze
schlmmcrn läßt? Beidc schweigen, dcr Gast er-
hebt sich. ^ .

„So gcfällt -S Jhnen gar nicht hier, in der
schönin, großcn Stadt?" fragte sie leisc. -

„Zch ertrage nicht länger dic übernomineiie Auf-
gabe," entgegnct cr heftig, mit untcrdrücktcm
Schmcrz in der Stimmc. „Es jst zu viel!"

„Sie haben, deüke ich, nur zwei Knaben zu ^
unterrtchten, und die grästiche Familie liebt und
achtet Sic schr."

zu, welcher für Versen seine Stimme abge-
geben, und bedeutete demselben, er werde das
Disciplinarveifabren einleiten, weil er einem
Manne die Stimme qegeben habe, der gegen
das Ministerittimstiminen werde.

Schweidnitz, 2. Nov. Wie das „Schles.
Mvrgenbl." meldet, erging gestern die Anzeige
der Dicnstentlaffuiig zum 1. Febr. 4864 an 6
bis 8 hiesige Corrertionshausbeamte. Die Ur-
sache soll in ihren Abstimmungen bei den
Wahlcn zu suchen sein.

Hannover, 3. Rovbr. Der ostfriesische
Verunglimpfer Friedrichs des Großen und
Gustav Adolphs, dcr jetzige Herausgebcr der
Leibnitz'schen Werke und Hauptwühler im groß-
deutschen Dereine, Dr. O. Klopp, läßt jctzt
scit einigen Wochen seine 3 Töchter nicht mehr,
wie bislang, die protestantische Religionstunde
besuchen, sondern sie katholisch werden, vicl-
leicht der Anfang auch des äußern Uebertritts
in das Lagcr, in dem er seinc besten Freunde
und seine Sympathien längst gefunden hat.
Einst Demokrat, auf ber Schwurgerichtsbank
wegen Majestätsbeleidigung, dann Borries'-
scher Parteimann, bei Hose gern gesehen und
jetzt durch königlichen Auflrag heimisch in dem
köniqlichen Archive!

Wien, 4. Nov. Jn der heutigen Sitzung
dcs Abgeordnetenhauscs wurde dem Grafen
der sächsischen Nation, Gubernialrath Konrad
Schmid, ein Schreibeii überreicht, wornach ihn
Se. Majestät znm zweiten Vl'cepräsidknten deS
Hauscs »ernannt habe. Abg. LandeSgerichts-
präsident Lapcnna, der bisherige zweite Prä-
sidcnt, hat diese parlamentarische Würde zu-
rückgegebcn.

Wien, 5. Novbr. Heute fand eine Ver-
sammlung von etwa siebzig der hervorragend-
sten österrcichischen JndustrieÜcn statt. Den
Gegenstand der Verhandlung bildete die Zoll-
»ereinsfrage. Schließlich wurde folgender An-
trag einstimmig angenommen, deffcn Sinn
nngefähr dahin geht: Dic Jndnstrielleii wenden
sich mit kiner Petition an beide Häuser des
ReichsratheS, dicser möge die Regierung ver-
anlaffen, bevor sie eine dics bezüglichc Vor-
lage zur verfaffungsmäßigen Verhandlung ein-
bringt, Enqueten zu bildcn, welche die Grund-
züge eines neuen Vertrages mit dem Zollverein
berathen sollen, wobei dic Verwerfung des
preußisch > französischen Handclsvertrags, die
Revision einzelner Tarifpostcn und die Fest-
stellung eines Uebergangsstadinms die Be-
dingnngen zu bilden hätken.

Wien, 6. Novbr. Die Wiener Abendpost
cnthält nachstehende Note: „Je bedeutender
die Tragweite der französischen Thronrede, je >
überraschender der dnrch fie hervorgebrachte
Eindruck ist, desto niehr fordert sie zu ruhiger
und ernster Prüfung auf, welche gegenüber
einer solchen Thatsache um so weniger das
Werk eines AugenblickeS sein kann, als es zu-
nächst daranf aiikommt, die Meinung aller be-
ckheiligte» Mächte kennen zu lernen. Nur die
eine Bemerkung könnc» wir nicht unterdrücken,
daß Verkräge darum zu eristiren nicht auf-
hören, weil sie entweder durch nachfolgende
völkerrechtliche Stipulationen theilweise abge-

„Ja wohl, dic Arbeitslast trägt sich schon, aber
so nebenher tragc ich noch ein tiefes Weh Und daS,
Marie, das wurde mir gar zu schwcr."

Marie lcgt verhüllend dic zartc Hand übcr dic
Augen. Strahlende Edelsteine stimmern an dcr-
selbcn, abcr fie zittert sichtbar.

„Haben Sie noch irgend einen Auftrag für
mich?" fragt dcr junge Mann, sich wieder faffenb.

„Ja, o ja," entgegnet sie nun hastig nnd wendet
ihm ein todtenbleicheS Angesicht, cin schmerzerfülltes
Auge zu. „Grüßeii Sic mir die Hcimatb, die licbe,
süße! Grüßcn Sie mir daS klcine, verödcte Vater-
haus, dte Linde in nnserm Garte» und vvr allem
die Gräber meiner Eltern. O wäre ich schon bei
ihnen!" und cin Thränenstrom stürzt plötzlich un-
aufhaltsam über ihre Wangcn.

Todtenbleich starrt dcr junge Mann sie an. „Nm
Gott, Marie, so sind Sic nicht glücklich, in dem
ftlbstgewähltcn Loose? Auch das, auch das noch,
großcr Gott!"

„Jch glücklich? und das feagen Sie, Sie Arthur,
dcr Sic mich seit meiner Kindhcit kcnncn? Ja,
ich habe mir selbs! dieS LooS gcwählt in eitler
Selbsttäufchung, in dem thörichtcn Glauben, Rcich-

s ändert sind, oder wei'l auf ei'nzelnen Punkten
an ihrem Bestanbe gerüttelt wird. Oesterreich
eriüllte dieselben stets redli'ch; seine Bemühun-
gen auf dem Gebiete der dentschen Reform-
poli'tik bcwegen sich auf der Li'nie des enröpäi-
schen Vertragsrechtes und sind besiimmt, die
Agitirung Deutschlands zu besei'ti'gen. Der
Gruudgedanke der französischen Thronrede ift
die Verständigung unter den Mächten, bie mög-
lichste Bkseitigung der Eventualitäten des
Krieges. Mit diescm Gedanken kann man
sich vollkommen einverstonden crklären, das
Urtheil über die Mittel zur Erreichung dieses
Zieles in gleicher Weise der aUseitigen Ver-
ständigung anheimgebend."

K r a tt k r e i ch.

Paris, 6. Nov. Herzvg v. Mvrny hat
hcute die Sitzungen des gesetzgebenden Körpers
mil folgeiider Rede eröffnet: Meinc Herrcn!
Dic letzten Wahlcn haben politische Bestreb-
ungen wieder erweckt, welche selt mehrercn
Zahren geschlummert hatten, das Wort Frel-
heit ist oft genannt worben; das wird ohne
Zweifel noch öfter der Fall sein, die Regie-
rung beunruhigt sich nicht darüber. Es ist
uns nicht erlaubk, zu vergeffen, daß derjenige,
welcher die erste Ursache zu dieser Bewcgung
gab, der Herrscher sclbst ist. War es uicht
der Kaiser, der die Jnitiative aller Rcformen
ergriffen hat, welche der letzten Kammer gc-
gebcn wnrden? Die bewunderungswürdige
Rede, welche Si'e gestern mit so großer Be-
geisterung aufgeuomme» haben, enthielt noch
die Auszählnng wichtiger Veränderungen in
der Verwalkung der Gesetze, und alle tragen
einen ti'cs li'beralen Charakter. Niemand in
dicsen Mauern begrüßt mehr als ich selbst
dicse Maßregeln. Jch bin erzogen worden,
diese englische Gesellschaft zn bewundern, wo
di'e tndivlduellk absolute Freiheit den Bürger
mit dem Gefühl selncr Würde und seiaer Un-
abhängigkeit erfüllt, wo bas Vereinsrecht die
periönliche Jnitiative mit der Sorglostgkeit
wcgen der Bevormundung des StaateS ent-
wickelt; wo die aiisgebreitete politische Frei-
heit durch eine gewiffenhaste Beobachtnng des
Gesetzes, dnrch eine blnide Unterwerfung unker
das Rcgierungsprtnzip und endlich durch den
gcsunden öffentlichen Verstand.gcmäßigt wird.
Nun ertheilk die Zeit deM, woran ffe selbst
mitgebaut hat, ihre Weihe; sehen Sie, wie
viel Jahre England nöthig hatte, um die
Güter zu vcrwirklichen, von dcnc» ich Jhnen
sveben ein so wundervolles Gemäldc eiilrollt
habe. I» Frankreich hat der Kampf zwischen
den großcn öffentlichen Gewalten Revolutionen
hervorgernfen; wie aber gingen sie zum Vor-
theii einer dauerhaften Freiheit aus? Glauben
Sie mir, meine Herren, ich spreche aus pa-
triotischer Ueberzengung, tie Frcihei't kann nur
auf friedlichem Wege, nnr durch die anfrich-
tige Uebereinstiulinung zwischen einem frei-
sinnigkii Herrschcr und einer gcmäßigten Kam-
mer begrundet werden. (Vielfache Zustim-
muug.) Deßhalb war ich auch fortwährend
befliffen, diese Ueberesnstimmung zu erhalken.
Das Vertraue», welchcs die bkiden früheren

thum nnd Glück seien EinS. Jch zog den begütcr-
tcn, aber herzlosen Mann, dcr meincr Schönheit
huldiate, mir glänzendcn Tand zu Fi'ißen legte,
dem bcschetdenen Augcndfreundk vor, dcffen edleS
Hcrz ich kanntc, deffen Auge mir oft gesagt, daß
ich thm theucr, abeveich büße dafsw, Arthur, ich
büße entsetzlich. Ja, tch bin nun retch und doch
uncndlich arm, ich darbe schmerzlicher wie dcr Lrmste
Bettler, denn dcr Svnnenschein der Liebe jfehlt
mcinem Lebcn, mcinem Herzen, und da ist allkS todt,
alles farblos, das Lcbcn eine Last. Nnd nun gehst
auch Du noch fort?"

Ein schwerer Senfzcr cntringt sich Arthur« Brust.
Er athmet.schwcr nnd preßt die Livven fest auf-
einander, a!S fürchte er seine eigeneii Worte. „Wenn
Dir einst ein Freund fehlt," sagt cr endlich mtt
schwankender Stimme, „Du weißi Maric, Ich bleibe
Dir's für immer. Uno wenn eS Drr Frieden gcben
kann — ich vezgab Dir längst, jch bete für Dein
Wohl. Gott bchüte Dich!" Er schließt ihrc Hände
sest in die seinen, druckt einen Kuß darauf, dann
stürzt cr hinaus.

Marie siebt ihm starren AugeS nach, ern leiser
Schrei zittert von ihreii Lippcn, stk sinkt in dte
Knie, verbirgt das Haupt in dcn Händcn und weint
so heftig, so heiß, alS könnten dre Thräne» ihre
Schmcrzen crtrankeii. „AllcS dahin, alleS verloren
auf immer und daS Lcben so kalt, sö schwer! wie
werde ich es nur crtragen?" flüstern ihec bebenden
LiPP-n- (Forts. sotgt.)
 
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