Sonntag, 27. Septeurber
L8«3.
Preußische Denkschrift zur Buudes-
Reform.
Bericht des preußischenStaatsmini'
steriums an dcn König Wilhelm.
Ew. Mas. Allerh. Besehlen entsprechend,
beehrt sich das Staatsministeri'um über die
von der kalserl. österr. Regierung angeregte
Bundesreformfrage in Nachstehendem allerun-
terthänigst zu bcrichten.
Die erste Anregung zu einer t>em nativna-
len Bediirsniß entsprechendcii Ausbildung der
Bundesvkrfassung ist von Preußen ausgegan-
gen, ehe die Ereignisse von 1848 hereinbrachen.
Die ernsten Ersahrungen, dic darauf gesolgt
sind, haben wedcr in den Regenten noch in
dciii Volke Preußens das Bestrebcn vermiii-
dert, dem berechtigten Verlangen nach Ver-
besseruiig dcr bestehenden Einrichtungen Ä5e-
sriedigung zu verschaffen; aber sie haben die
Schwierigkeiten richtiger erkennen laffen und
heilsame Lehren gegeben, die zur Vorstcht mah-
»en müffcn in einer großen Sache. Sie haben
auch gezeigt, daß eS nicht wohlgethan ist, daS
vorhandene Maß des Guten zu unterschätzcn
und das Vertrauen auf bestehende Jnstilutio-
nen zu untergraben, ja diese selbst zu er«
schüttern, ehe das Beffere mit Sicherheit in
Ausstcht steht.
' Diese Erwägungen ließen es Ew. Maj.
als geboten erscheinen, in Zeiten, welche jedcn
Theilnehmer deS Bundes den Werth der äuße-
ren und inneren Sicherheit, die ihm derselbe
bisher gewährte, besonders anschaülich machen,
die wünschenswerthen Neformen nur mit sorg-
fältiger Schonung des vorhandenen Maßes
von Einigkeit und .von Vertrauen auf die
Bürgschaften der besteheuden Bundesvcrträge
anzustreben. Wir haben aus den uns von
dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten
vorgelegten Actenstücken ersehen, daß dieselbe
Vorsicht von anderer «eite nicht bevbachtet,
die Aenderung dcr Buiidesverfaffung vielmehr
aus Gründen verlangt worden ist, deren Dar-
legung das Vertrauen auf ven Werth u»d
den Bestand der Bundesverträge schwer er-
schüttern und Zweifel an denselben hervor-
rufen mußte, welche noch heute der Wider-
legung harren.
Um so dringender wäre zu wünschen ge-
wesen, vaß die Einleiiung von Berhandlun-
gen zur Verbefferung und Befestigung der so
gelockerten Beziehungen auf Wegen erfolgt
wäre, welche einen befriedigenden Abschluß
mit möglichster Sicherheit in Ausstcht stellten.
Unter denselben lag ohne Ztbeiscl der Versuch
X Zm Gründung einer höhercn Töchtcrschule
in Heidelbcrg.
(Fortsetzung.)
„An Geld fehlt's nicht, nur an Willcn und Ein-
stcht. — Derjenige, dem es gelänge, durchzusetzcn,
daß eine Klaffe nicht über 20 Schüler haben dürfe,
würde sich um die Nation verdient machcn."
Die neueSchule soll demGeist derNeu-
zeit cntsprcchen^ somit auf nenen Grund-
lagcn crrichtet «crden. Unsere Volks-
schulen dagegcn sind Bekenntniß-, nicht
Gemeinde-Schulcn.
Der fiitlich-religiöse Gcist," sagi das Mannhci-
mer Programm, „wclcher im Leben, aiso auch in
der Schulc hcrrschen soll, verirägt sich nichi mit der
Einbannung in dic engen Schranken confessioneller
Formen. Der wahrhafi fromme Sinn und Ge-
danke, der in treuer Pflichterfüllung thäiige Geist
der Liebe zu Gott und selnen Mümenschcn kanff
seine Herrschaft nicht früh gcnug beginne»; zu
ciner Verständigung Preußens u. Oesterrei'chs
über die Grundzüge der zu machenden Vor«
schläge ain nächsten, und konnte das kalserl,
österr. Cabinet einer bundesfreundlichen Auf-
nahme derselben von Seiten Ew. Maj. gewiß
seiu. Statt dcssen ist von Oesterrcich einscitig
die demnächst in Frankfurt vorgelegte Reform-
acte ausgearbeitel und über deu Jnhalt der-
selben Ew. Maj. am 3. August d. Z. so un-
vollständige Mi'ttheilung gemacht worden, Laß
stch darauf ein Urtheil über die Tragweite der
Vorschlägc nicht begründen ließ, Nur die be-
absichtigte Form der Verhandlung war klar
und gab Ew. Mäj. zuerst zu den gerechten
Bedenken Anlaß, welchc Allerh. gegen daS
Beginnen des Werkes durch einen schleunig zu
berufcndcn Fürste» - Cougreß, in dem Schrei-
den vom 4. August d. I. an Se. Majestäl
den Kaiser von Ocstcrrei'ch, ausgesprochen
haben.
Nichi wenige Tage einer unvorbcreiteten
Besprechung und nicht der edelste persönliche
Wille der Füisten konnten ein Werk zum Ab-
schluß bringen, dessen Schwierigkeiten nicht
allein in den verschiedenen persönlichen An-
sichten, sondern in Berhältniffen liegen, welche
tief im Wesen der deutschen Nation wurzeln
und Jahrhunderte hindurch in wechselnden
Formen sich immer von Neuem geltend ge-
macht haben.
Nichtsdestoweniger haben Ew. Maj. Jhre
Bereitrvilligkeit ausgesprochen, im Zntereffe
eines so großen Werkes auch auf einen, ohne
Preußens Mitwirkung vorbereiteten Versuch
desselben einzugehen und nm Len Aufschub der
vorgeschlagenen Fürsten-Versammluiig bis zum
1. October d. Z. verlangt, ein Ausschub, der
neben wesentlichen, außerhalb der Sache lie-
gende» Hiudcrniffe,! der Beiheiligung Ew.
Maj. durch die für emen Congreß zahlreicher
Souveräne noihwendigen geschäftlichen Vor-
bereitungen bedingi war. Wenn ungeachtet
dieses Enigkgenkommciis Ew. Maj. mid nach-
dem Allerh. wohlbegründete Weigerung, am
16. Angust d. I. in Franksurt zu erscheinen,
dem kaiserl. österr. Cabinete bekannt war,
die Einladung zu -diesem Tage dennoch unler
einein, der erficu Miitheilung an Ew. Maj.
vorhergehenden Datum, an alle Genoffen des
Bundes erlaffen wurde, so können wir uns
des Eindrucks nicht erwehrcn, als ob dem k.
österr. Cabinete von Hause aus nicht die Be-
iheiiigung Preußens an dem gemeinsamen
Werke, sondern die Verwirklichung des Se-
parai-Bündniffes als Ziel vorgeschwebt habe,
welches schvtt in der evsten, an Ew. Majestät
gelangten Mittheilung vom 3. August für den
Fall ln Ausstcht genommen wurde, daß Preu-
ßen stch den Anträgen Oesterreichs nicht an-
fchließen werdc.
Die Letzteren sind auch bis zum heutigen
Tage m'cht amtlich zur Kenntniß der königl.
Regierung gelangt; dagegen ist Ew. Majestät
durch das von einem Theile der in Frank-
furt a. M. versammelt gcwesenen Fürsten u.
den Vertretern »er freien Städte an Allerh.
gerichtete Schreiben vom 1. Sept. d. I. das
von den hohen und höchsten Unterzeichnern
dieses Schreibens bedingungsweise angenom-
mene Ergebniß der Frankfurter Verhandlungen
mitgetheilt worden.
Diese Mittheilung haben Ew. Maj. Zhrem
Staaks-Ministerium übergcben, in Ausführung
der in Allerh. Antwortschreiben an die Theil-
nehmer des Fürstentags ck. ck. Baden den20.
August ausgesprochenen Absichk, Allerh. Ent-
schlleßung erstdann feststeüen zu woüen, wenn,
durch geschästsniäßige Bearbeitung der Angc-
legenheit von Seiken Zhrer Räthe, die zu er-
wartenben Abänderungen der Bundes-Verfas-
sung in ihrem Verhältniffe zu der berechtigtcn
Machtstellung Preußens und zu den berech-
tigten Znteressen der.Ration eingehend geprüft
sein würden. Als Ergebniß dieser Prüfung
haben sich die gewichiigsten Bedenken heraus-
gestellt, welchc den Enttvurf für Ew. Maj.
weder als König von Preußen noch als deut-
scherFürst annehmbar erscheinen laffen, wenn
nicht Veränderungen mit ihm vorgenommen
werden, welche seine Grundlagen selbst be-
rührend, seinen ganzen Charakter wesentli'ch
verändern. Wie der Entwurf vorltcgt, kan»
unser allerstnterthälii'gsier Antrag nur dahi'n
gehen, daß 'es Ew. Majestät gefallen möge,
demselben di'e Allerh. Zustimmung zu ver-
sagen.
Di'e verhältnißmäßige Schwäche des Bun-
des, im Vergleich zu der der deutschen Natton
innewohnenden Gesammtkrüft, beruht m der
Schwieri'gkei't, die Äuiidescentralgewalt so zu-,
sammen zu setzen und mit solchen Altributt'o«
nen zu versehen, daß ste kräfti'g und wirksam
sei, zugleich aber die berechtigte Unabhängig-
keit der einzelnen Siaaten schone und erhalte,
und der Bedeutung der einzelnen Bundesglie-
der nach Maßgabe ihrer eigenthümlichen und
selbstständigen Machiverhältniffe Rechnung
trage. Diese Schwierigkeit wurzelt in einer
tausendjährigen Geschichte des Landes u. läßt
sich bei dem bestcn Willen aller Betheiliglen
weder schnell, noch vollständig übcrwinden.
Si'e stei'gert sich nothwcndig in dem Maße,
Hause soll er erzogen und in der Schule gepflegt
wcrden."
Was nun die «issenschaftlichc Seiie dcr
neuen Schule anbelangt, soll die Art dcs Unter-
richierö oder die UnterrichiSmeihode eine mögiichst
einfache, naiürliche odcr naturgemäße sei»,
angemeffcn der Natur dcs Kindes und deö Gegen-
standes, durch naturgemäßc Mitiel glcich er-
sprießltch und fruchtdringend für Schüler und Lehrer.
Der Unterrichi soll das Wissen und Könncn
verhäiinißmäßig gleich umfaffcn — er soll iheore-
iisch und prakiisch fein, nicht blos das Gedächtniß
üben, sondern vorzüglich Herz und Verstand ver-
edeln und bllden. Was nun den
Unterricht
ftlbst betriffi, so beruhi er hier, wie in allcn
größeren Siädten, namenilich in Karlsruhe und
Mannheim, auf dem Grundsatze, daß die Töchtcr-
schule ein mögltchst selbstständigcs, sür sich
bestehendes, organisches Ganze fti, ste soll
drei Bildungsstufen, Einsaat, Keim und Blüthe
in stch schließen, — Vorschulc, Mitielschnle
und Oberschule, — in dcr Weift, daß jcdc
höhere Stufc auf den unteren Stufc» ihre
noihwendige Vorbereitung finde. Mitder Vor-
schule schließt stch der Elemeniarunterrichi ab; die
Mittelschule und die Oberschule erstrebt die Ent-
«icklung der FLHigkeiten und die Erweitcrung der
! Kenniniffe — die Bildung der Zöglinge.
Unumgänglich nothwendig find jedoch die beiden
^ letztcrcn Stufen; die Vorschule als Vorbereitnngs-
unicrricht oder Eicmentarlehre könnie im Nothfalle
- noch durch die vorhandeuen Schulen verireten wer-
den. Eine solche Vertretung würde auch für un-
ftre ncue Schulc staitfindcn müffen, fallS widcr
Vcrhoffcn dic Gcldmittcl nichi ausreichen sollten.
Die höhercTöchterschuie hat dieAufgabe,
denBcwohnern dcrSiadt undUmgebuug
Gelegcnheit -zu vollständiger geistiger
Ausbildung ihrcr Töchter zu bieten. Nicht
länger soll Hcidelbcrg gczwungcn ftin, dieft Gelc-
gcnheii anderswo, im Jnland vder Ausland, für
theures Geld zu suchen, und die Fremden, welche
Heidelberg durch scine besondcren Vorzüge anzichi,
sollen, bei der Füllc von wiffenschaftlichcn Jnsti-
^ tuicn und Bildungsanstalien aller Art, eine höherc
Töchierschule nicht länger vermiffen und vielleicht