Heidelberger Zeitung (1863 (Juli bis Dezember))

zur Mederherstellung der durch die Verträge
von 1851 garantirien LandeSrechte. Gench-
un'gen Ste, Herr Redacteur, indem ich Sie
im Jntereffe und zur Unterstützung SchleS-
wigs um Abdruck dieseS Schreibens bittc, die
Versicherung meiner Hochachtung, mit der ich
die Ehre habe, zu sein Jhr Ergebenster Gustav
Rasch. Coburg, 23. Oct. 1863.

Frankfurt, 26. Oct. Seit zwci Abenden,
«amstag unb Sonntag, tagte im hiesigen
Saalbaü der religiösc Reformverein untcr dem
Prästdium deS Hrn. Joh. Ronge und Stephan
auS Birkenfeld; die Stelle eines SecretärS
versah cin ehemaliger katholischer Theologe aus
Frciburg, Hr. Damm. Jn seinem Eröffnungs»
vortrage bezeichnet Hcrr Ronge die Veran-
laffung zu der erstcn Versammlung des Rc-
törmvereins, einmal durch die jüngsten Ereig-
»iffe auf dem kirchlichen und zum andern durch
vie Begebenheiten auf dem politischen Gebiete
gegeben. Herr Schmelz, bis vor Kurzem noch
kathvlischer Pfarrer im Naffauischen, sprach in
mit Beifall aufgenommcnem Vortrage über
dcn kirchlichen Fendalismus der Bischöfe und
deffen verderblichen Einfluß auf den niederen
Clerus und führte eine große Anzahl von Bei-
spielen an, welche daS Thema seines Vortrags
unterstützen sollten. Herr Ducat von hier
iprach an beiden Abenden; am ersten übrr den
»achtheiligen Einfluß der römischen Hierarchie
und der Zesuitcn auf die geistige und sittliche
Eniwicklung deS deutschen Volkes, am andern
über den Raub füdischer Kinder in Rom. Hr.
Levinger aus Mainz ließ durch den Redner
bieran einige Anträge knüpsen, welche die Ver-
sammlung veranlaßte, ihr verdammendes Ur-
thcil über dics Gebahren dcr Hierarchie aus-
zusprechen. Herr Gustav Struve, stetS bei
seinem Erscheinen mit dem größtcn Jubel em-
vfangen, hielt am Samstag eincn Vortrag
über die dcmoralisirenden Folgen des Cölibats
und erzielte dadurch einen Beschluß der Ver-
sammlung, worin sie dasselbe verwarf und
gleichzeitig alle Gemeinden aufforderte, nur
'olche Priester anzustellen, welche verheirathet
sind, oder die Absicht zu erkennen geben, stch zu
vereheli'chen. Am Sonntag Abend erging er
stch über daS Thema dcr Nationalerziehung
des deutschcü Volkes. AlS Grundprincip be-
zeichnete er die srüh begonnene Wehrbarmachung
des Volkes in der Jugend durch die Schulc,
welche von der Kirchc voüständig zu trennen
iei. Der Antrag, welcher diesem Gedanken
Ausdruck vcrleihen sollte, wurde einstioimig
vvn der Versammlung adoptirt. Herr Joh.
Czcrski sprach über die Ohrenbeichte alS einem
verwerffichen, demoralisircnden Jnstitutc; Hr.
Damm über die Erziehung des Clerus, Herr
Leschmann über das höhere Princip der Ar-
dcit. Er forderte dazu auf, den Grundsatz
der Selbsthülfe auch auf dem religivsen Gebiete
zu verwirklichen. Durch Wort und Schrift
müffc dem Arbciter die Erkenntniß seiner Men-
schenwürde — der freien Entwickelung seiner
selbst gcbracht werden. Herr Böffer forderte
zur Verbrcitung des Reformvereins anf und
bezeichuete es als ein Zcichcn der praktischen
Wirksamkeit, wenn der Verein bei allen Wah- j

Theil durchgeführt und wie aus cinem Guffc ge- ,
formt. Noch cin origineller Einfall am Schluffe !
ift zu crwähnen. Jm eilftcn Takte vor dem Schluffe, l
welchem einc Gencralpause vorausgeht, bringt die
erste Violinc daS Thema piaoissiwo noch einmal, !
aber nicht tn SechSzchnthcilen, svndern in Achteln, '
gleichsam als wäre eine Ermattung eingetreten, !
das Thema mit Mühe noch fortschlcppend, hält fie ^
sogar tm dritten Takte dcffclben auf dcm vierten
Achtel os an, durch cine Fermatc, und scheint damit
anzudcuten: „kann nicht weiter". Die Fagottc er-
barmcn fich und bringen mit Anstrengung den
vierten Takt dcr Melodie, aber auf dcm vierten
Achtel anhaltend, ebenfalls ausruhcnd, und nun
kommt noch dtc zweite Violinc und Bratschc und
bringen den letzten Takt dcs Themas ebenfallS mtt
einein Ruhepunkt auf dem letzten Achtel. Doch fich
ihrcr Schwäche schämend, raffcn fie sich zusammen
und beschkießen rasch durch fünf Takte daS Ganze
im körtissimo. So lächerlich diese Dcutung schrint,
so findet sie doch gewiffermaßen ihren Grund darin,
baß der zwctte Fagott die hohen Noten § k es ä
mitbtasen muß und eine phyfische Anstrcnguiig
beansprucht, d« der zwette Fagotttft in dieser Ton-

len zu kirchlichen Aemtern darnach trachte, daß
nur Männcr des entschiedenen FortschrittS mit
kirchlichen Ehrenstellen betraut werden, baruni
^ solle der Reformverein fich nstt allen Männern
des Hortschritts, stünden sic auch außerhalb
sei'ner Gemeinschaft, verbinden. An beiden
Abenden waren die Versammlungen äußerst
zahlreich besucht und zwar von ei'nem Publi-
kum, welches nicht allei» allen Ständen, son-
dern auch allen Confessivnen angehörte; selbst
die Diplamatie und der Clerus hatten ihre
Vertreter gcschickt. Herr Ronge schloß die
Versammlung mit einem Hoch auf daS deutsche
Vaterland.

Frankfurt, 27. Oct. Die durch Bundes-
beschluß vom 16. Juli d. I. niedergesetzte
Commission zur Ausarbeitung deS Entwurfes
eines sür sämmtliche Bundesstaaten gemein-
samen Gesetzes zum Schutze des Urheberrechts
an Werken der Literatur uud Kunst gegen Nach-
druck, sowie gegen unbefugtc Nachbildung resp.
Aufführung, hat hcute dahier i'hre Beraihungen
eröffnet. Zu derselben siud abgevrdnet wor-
den: von Oesterreich der Ministerialrath Vesque
von Püttlingen, von Bapern der Ministerial-
rath Dr. Weis, von Sachsen der Geheime
Justizrath Dr. Krug, von Hannover der Re-
gierungsrath Schow, von Württemberg der
Regierungsrath Kölle,"von Baden dcr Mini-
sterialrath Jollp und von Großherzogthum
Heffen der Geheime-Rath Franck.

Mainz, 27. Octbr. Aus stcherer Quelle
erfährt die N. F. Z., daß gefiern die Verhaf-
tnng des Hrn. Schöppler stattgefunden hat,
und zwar wegen Hochverraths. Vcrdächtig
soll außerdem noch der Redacteur des Mainz.
Anz. Reusche und der amerikanische Arzt Dr.
v. Hoff sein.

Berlin, 24. Octbr. Die „Kreuzzeitung"
ist „veranlaßt" worben, bezüglich ihrer gestri-
gen (von allen Seiten mit großem Erstauncn
aufgenommenen) Notiz, nach welcher eine Dis-
location der Armec „im Jntereffe der Disciplin"
in Aussicht ftehen soll, zu erklären: daß diese
Nachricht „an und für sich" auf einer mißver-
ständlichen Auffaffung beruht. „Jm übrigen",
fügt das Blatt hinzu, „weiß wohl jeder mit
den Verhältnissen Vertrautc, daß unsere Ar-
mee in allen ihren Thcilen, von den zersetzen-
dcn Jdeen der Gegenwart unberührt, zu einer
Maßregcl wie die angedeutete auch nicht den
geringstcn Anlaß gegeben hat." Ständc diesc
Erkiärung in einem liberalen Blatt, so könnte
man sic fast für eine Verwarnung halten.

Duisburg, 23. Oct. Die „Rhein- und
Ruhr-Ztg." bcrichtet: „Am Nachmittag des
Wahltags fuhr einc Gesellschast von Duis-
burgern, darunter mehrere Wahlmänner, in
einem mit zwei klcincn deutschen Fähnchen de-
corirten Wagen nach Ruhrort. Hier machte
ein Schleußenäufseher, mit einem mächügen
Hvlzscheit bewaffnet, einen Angriff aus den
Wagen und zertrümmerte eines der Fähnchen
und eine Fensterscheibe. Der Wagen kehrte
nm, weil die Jnsaßen den Name» des ManneS
in der Nähe zu erfahren suchten. Als der
Wagen darauf ruhig wicder deffelben WegeS
kam, waren gegcn 20 Hafenarbeiter, mit Schau- !

region nur höchst selten zu thun hat. Beethoven >
mag dabei etwaS Aehnliches gedacht haben, indcm ?
er gerade auf diese Weise das Ganze humpristisch
abschloß.

Ei» Erdsturz.

Mailand, den 22. Oct. Dic Aufsuchung der !
Leichen dcr durch den Erdsturz in der Gemeinde !
Lemna am Eomersee vcrunglückten Personcn !
dauert immer noch fort, da bis jetzt an dcn Stellen, !
wo die HLiiftr standen, 26 Lcichnamc auSgegraben !
wurden, und somit noch 11 unter der Erdc find. !
Der Präfect von Lomo, zwei Zngenieure und Ber- ?
saglierioffizierc Lberwachen und leiten die Arbeitcn, ^
die von dcr Gemeinde und 46 Bersaglieri ausgc- ?
führt werden. Die Ursache der Häuscrvcrschüttung !
wird auf folgende Wetse erklärt: An dcm Berge '
befindet sich eine Quelle, «elchc unter der Erde ?
cin Becken von mehr a!S 20 Quadratmetcr aus- ?
grub; dnrch das heffige und andauernde Rcgcn- !
wctier in vergangener Woche füllte sich der Raum !
zu sehr an und sprengte »ermvge der Schwerc des ?

feln und Hacken bewaffnet, zum Sturut auf
den Fortschriltswagen bereit. Die darin sitzen-
ben Personen wurden herausgezerrt und so
gemißhandelt, daß Einzelue ihr Lcben nur dem
Zufall verdanken. Die Hauptkhäter stnd er-
mittelt."

Oesterreiöhische Monarchte.

Agram» 26. Oct. Die „Aqramer Ztg."
fürchtet den Ausbruch von Conflicten zwischcn
dcr Türkei, Serbicn und Montenegro. Bos-
nien, welches von Agitatoren unterwühlt sei,
würde das Signal zum Losbruch der Feind-
seligkeiten geben. (Jüd. b.)

I ta l i e n

Genua, 24. Octbr. Heute wurde in der
Chiajastraße zu Neapel Graf Joh. Willeken
aus Preußifch-Polen gcgen 6 llhr Abends durch
rnehrere Mefferstichc in den Hals ermordet.
Nach der That ging der Mörder ruhig seiner
Wege, und sagte blos zu einem Porticr, daß
er der Behörde den Tod seines Herrn anzei-
gen müsse.

Turin, 26. Oct. Man meldet von Corfu
unterm 24. Oct. Das Parlament ist auf 6
Monate vertagt. Die Blätter von Malta
protestiren lebhaft gegen die Aussage der Frauce
in Bczug ciner vorgeblichen Unzufriedenheit,
welche auf der Jnsel hcrrschen soll. — Der
„Correspondencia" zufolge bctkagen die Ber«
luste der Spanier auf der Jnscl St. Domingo
bis jetzt 47 Todte, 80 Verwundete, 16 Ge-
quetschte.

Türkei

Konstantinopel, 25. Oct. Das Budget
ist ohne alle Reductivn des Ueberschuffes fest-
gestellt worden. Die kaiserliche Bank wird
die Dividende der türkischen consolidirten
Schuld im November in London und Paris
auszahlen.

Bucharest, 25. Octbr. Die Deputirten.
kammer ist aus den 15. Nov. einberufen und
eine Amnestie für Preßvergehen verkündet wor-
den. Die Fürstenthümer wurden in 4 Mili.
tärcommandanturen eingetheilt.

A m e r i ka

Newyork, 17. Octbr. Es wird amtlich
verkündigt, daß General Lce dcn Potomak nichi
überschritten hat. Prästdent Lincoln rust
300,000 Freiwillige unter die Waffen.

Neneste Stachrichten

New-Aork, 17. October. Lee hält das
Schlachtscld von Bull-Run besetzt. Es heißt,
Meade, welcher dei Centreville steht, schicke
seine Bagage nach Alerandria. Das Gerücht
geht, Davis werde das Armee-Commanvo von
General Bragg übernehmcn.

Universttäts - Nachrichten.

Nach Halle Ist Dr. Conze, srühü Privatdoccnt in
Göttingeii, als Prosefior der Ärchäologtc bcruscn und nener-
dings Dr. Zachcr, blsher Profeffor und Oberbibltothckar

WaffcrS die Wände jencs untcrirdischen Behälters,
und wic etnc Lawine, «elche AllcS mit fich fort-
reißt, stürzten Waffer, Erde, Steine und Bäume
den Berg herunter und begruben, ehe man fich
nach der Ursache des GedonnerS umfchen konnte,
die Häuscr am Fußc bcS BcrgeS mit dcn darin
Lebenden. Zu glelcher Zeit wurden, unabhängig
von dtesem Falle, 6 Kastaniensammler, welche in
einer Hütte, dte fich an einem Einschnitte des
BergeS befand, übcrnachteten, lebcndig begraben.
Auch für fie kam die wenschlichc Hülfe zu spät. In
Carate-Lario wurden 5 Personen lcbendig auSge-
graben, Baumstämme und Baumzweige btldetcn
übcr ihnen cine Art von Nothdach, daS sie vom
vollständtgen Vcrschütten und somit vvm Erstickcn
rettete. Mehrcve schönc Straßen am Sccufer sind
ruinirt und bedürfen längerc Zeit zur Ausbefferung.

Der bekannte englische Luftschiffer, Mr. Grcen,
bereitct stch zu einer Fahrt von London nach Paris
vor, wclche, sobald der Wind günstig ist, stattstnden
wird. Es wird stch zeigcn, ob er größeres Gcschick —
oder auch größcres Glück hat, alö sein College Nadar.