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Heidelberger Zeitung — 1863 (Juli bis Dezember)

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November
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pfarrer aus der Umgegend. Von den Redner«,
welche auftraten, sprachen am ausführlichsten
dte Geh. Räthe Rau und BIuntschIi, erstes
rcr über dte kirchliche Entwickeluna des dcut-
schen Protestantismus, letzterer über den zu
gründenden Vocalverein und dcffen Aufgaben,
Dic Befreiung der Volksschule von geistlicher
Bevormundung, sowie Las vielbesprochene Ca--
pitel von den gcmischten Ehen gehören zu
diesen Aufgaben. Den Aumaßungen und Ueber-
griffen der Hierarchie hinstchtlich der Ehen
zwische» Katholiken und Protestanten seien,
sagte Bluntschli, weder die evang. Geistlichen
noch die evang. Laien mit der erforderlichen
Energie und Entschiedenheit bis jetzt entgegen
getreken, was sehr zu beklagen sei, indem man
keine Schwäche zeigen unv keine Blöße stch
geben dürse gegenüber der festgcschloffenen
Phalanr der Ultramvntanen, die von Nom
instruirt und dirigirt werden. Es hat sich deß-
halb aus verschiedenen evang.-protestantischen
Kirchen Deutschlands am 30s October d. I.
in Frankfurt cine Anzahl protestantischer Män-
ner vcrsammelt, um einc engere Berbin-
dung unter densenigen deutschen Protestanten
anzubahnen, die „auf dem Grunde des evang.
ChristenthumS im Geiste evang. Freiheit und
im Einklang mit der gesammien Culturent-
wickelung unserer Zeit eine Erneuerung der
cv. Kirche anstreben. Daß eine solche Erneue-
rung dringenb Roth Ihut, bedarf nicht erst des
Beweises." Der vorgestern Abeud vertheilte
trefflich verfaßte Ausruf enthalt sehr richtige
und beachtenswerthe geschichlliche Andeutungen.
Daß durch eigenthümliche Umstände, insbeson-
dere auch durch die ärgerlichen Zänkereien der
Gottesgelehrtcn, die kirchliche Eniwickelung des
deutschen ProtestantiSmus schon im Zeitalter
der Refvrmation gehemmt und gehindert wor-
den, ist lcidcr nur zu wahr. Dic ev.-protc-
staittische Kirche ist zur Skaatsanstalt gewor-
den und hat an alle» Mäiigeln, Gebrechen und
Hemmungen unseres seitherigen Staatslebens
Theil gcnommen. Die Lurch dic RcforNiation
gruildsätzlich besreite Gemeinde ist in Wirklich-
keit unfrei und bevormundet gcblicben durch
die büreaukratischen Coiiststorialregierungcn in
den verschiedenen deutschen Staatcn. Denselben
will dahcr der deutschc Protcstantenverein eine
im inilkrsten Wcsen des PrvtestantiSmus be-
gründete zeitgemäße Opposttion machen, auf
daß ein gesunbes unb selbstständiges kirchliches
Gemeindeleben in der Pfalz wie in Sachsen,
am Rhein und an der Elbe wieder ausblühe.
Die freistnnigcn Männer allcr Confessionen
wünschen dem deutschen Protestanlenverein
Glück, Segen und Gedeihe» aus ber mühevollen
Bahn seiner lobenswerthen Bestrebungen. An-
gemcffen und paffend wärc es gewcsen, wcnn
m der v.orgestrigen Abendversammlung nach
dcn Gelchrten auch einige intelligeiite hiestgc
Bürger als Sprecher ausgetreten wären. Eine
aussalleiidc Schüchternheit hiclt dieselben ab,
ihre individuelle Meinung und Ansicht auszii-
sprcchcn, wvdurch eine Jntereffe bietende all-
gemeine Discussion veranlaßt worden wäre.

Bade«, 10. Nov. Großfürst Constantin
von Rußlanb hat sür den Winter in unserem ^

Allein das amcrikanische Gcsetz, gleich dem cng-
lischen, gestattct dcm Angeklagten, gegen Erligung
ciner Eaution auf freicm Fußc währcnd dcr Un-
tersuchung zu bleiben. DaS Gcricht verlangtc zwei-
tauscnd Dollars als Bürgschaft, und dicsc Summe
wurde von dem jungcn Manne alsogleich erlegt.
Und da für bicsen Tag dic Vcrhandlung gcschloffcn
wurde, so stand eS lhm frei, fich zu entfernen,
was er auch allsogleich that. ,

Doch hatte er kaum wenige Schritte gegen das
Ausgaugsthor zurückgclcgt, als ihn daS Mädchcn
am Armc krainpfhaft crfaßte. Sic war todtenbleich
und aus da« tiefste erschüttert von seiner unerhör-
ten RücksichtSlofigkeit. Wenige Wortc wurden rasch
zwischcn beiden gewcchselt, deren Sinn aber im
Saalc nicht verstanden wurde. „Elender!" schric
tn dtcftm Augenblicke das Mädchen mit gellender
Stimmc und ciner Krast, als ob ihr ganzcr zu-
rückgehaltencr Schmerz und Zorn sich nun mit
cinem Male Luft machcn sollte, und mit voller
Kraft stieß fie ihrem Versührcr ein bis dahin ver-
steckt gehaltrnes Dolchmcffer in die Brust. Dcr
junge Mann, tödlich vcrwundet, schwankte ein paar
Sccunden hin und hcr, und ficl t-ann mit dumpfcm

Kurorte ei'ne Wohnungsmiethe abgeschloffen;
derselbe wird mit seiner Familie die Villa
Stadelhofer beziehen, denselben reizcnd gelege-
nen Landsttz, welchen im vorigen Winter der
Herzog Georg von Mecklenburg - Strelitz be-
wohnt hat. Der Großfürst wird ein zahl-
reiches Gefolge von 45 Persone» und 12Pser-
den mit sich briiigcn, unb seine Ankunst in
hiestgcr Stadt ist auf den 1. Dec. festgcsetzt.

— Der bisherige Abgeordnete Kamin, Bürger-
meister in Lichtenthal, welcher seit einer Reihe
von Jahren den 25. Aemterwahlbezirk (Land-
gemeinden des Amkes Baden, Amt Gernsbach
und ehemal. Amt Steinbach) vertreten hatte,
hat soeben die öffentliche Erklärung abgegeben,
daß cr bei dcr bevorstehenden Neuwahl der
Candidatur entsage und eine Wiederwahl nicht
mehr annehmen werde. Kamm gehört der
conservativen Richtung an.

Frankfurr, 14. Novbr. Heute hat eine
Bundestagssttzung stattgefunben, in welcher
ein Vorschlag Dänemarks, welcher eine Com-
petcnz der holsteinischen Stände auch in Be-
treff des Normalbudgets in Ausstcht stellt, ein-
gebracht und den vereinigten Ausschüffen zu-
wiesen wurde.

Dresden, 10. Novbr. Die Prästdenten
beiber Kammern haben heute die Sitzungen
mit Ansprachen eröffnet, jcder in seiner Weise.
Jn der ersten Kammer sprach Frhr. v. Friesen
davon, daß heut zn Tagc „von den helligsten
Verträgen nur im srechen Hvhne gciprochen
wird." Dem gegenstber erhebe das deutsche
Volk, das edelste von allen, gebieterisch den
Ruf nach Frieden, aber nach keinem faulen,
sonder» wenn es sein muß, nach einem tapfern,
wehrhaften. Möchte das Wvrt, das dle edel-
sten Fürsten der deulschen Nation zu Frank-
surt beratheii, von Golt gesegnek sein. Ver-
^träge brcchcn ist nicht des Deutschen Art."

— Zn der zweiten Kammer bctontc Haberkorn,
daß vorzugswcise Lrei Gegenstäiide von mehr
als sächstscher Bedkiitung den Landtag zu be-
schästigen haben; der dentschg'ranzvstsche Han-
delsvcrtrag, deffen Ziistandekvmiiien mit allen
Mitteln nebcn Erhaltung, Erweiterung unb
Vervollkoinmniiiig dcs Zollvereins, unseres
Lcbensnervs, zu erringen sei; ferner die Bun-
deSreform, vie n»r dann ausführbar, wenn
sic sämmtliche deutsche Regenten einschlicßt,
mit Oesterreich imd mit Preuße», eudllch die
schleswig-holstcinischc Angelegeuheit, die zur
würdige» Eiitscheidung kommcn möge. (S.M.)

Köln, 13. Novbr. Bei dcr Nachwahl zu
Erkelenz an Stclle des doppelt gewählten
Obertribunalraths Neichensperger ist, wie zu
erwartkii stanb, ebkiifalls ein liltramvntaner
gewählt und zwar der Oberregierungsrath
Ostcrrath. Bei der Nachwahl iu Elberscld
an Stelle vvn Schulze-Delitzsch, welcher das
Manvat sür Berlin aiigenommeii hat, ist der
Fabrikant Anffcruianu, welcher sich zum linke»
Centrum halten wird, mit 265 Stimnien ge-
wählt.

Wien, 12. Nov. Jn der gestrigen Siz-
zung LeS Finanzausschuffcs überraschte der
Abgeordnete Kuranda den Grafe» Rechberg,
nachdem dieser ziemlich ersviglos über die gegcn-

Geräusch auf dcn Estrich nieder. Ein Arzt «urdc
ciligst hcrbcigcholt, allcin er kam uinsonst, binncn
zwei Minutcn hattl dcr Gctroffcne, scincn letzten
Atchem verhaucht.

Miß Elisabctb stand unbeweglich «ic eine Statue,

, das blutige Meffcr in dcr Hand haltend, ihr Blick
haftete auf drm Verschcidendcn und verricth ein
Gefühl deS TriumphcS über den vollzogenen Rache-
act.

Sie wurde allsoglcich verhaftet. Jm Verhör zcigte
fie keinc Rene, ja fie erklärte laut, daß thr Ge-
«iffen fic vollkommen freispreche.-

Die Uniständc dicses VorfalleS wnrden alsbald
in Pittsbnrg bekannt und dte vffentliche Meinung
nahm fast cinstimmig Partci für Miß Elisabcth.

Damit war der Prozeß so zu sagcn im Vorhinetn
gcwonncn, fie erschien nur der Form wegen vor den
Richtern.

Jhr Vcrtheidiger schildertc in bcredten Wotten
den Seclenzustanb cines in solcher Weise betrvge-
nen Geschöpfcs. Er schilderte, wic einschneidend die
herzlosen Worte ihreS VerführcrS auf sie gewtrkt
habcn mußten, und vcrsuchte zu zeigen, daß cs
eincr übermenschlichen Selbstüberwindung bkdurft

wärtige polikische; Lage inlerpelltri wvrdett
war, mit folgendem Antrage: „Es wird die
Erwartung ausgcsprochen, daß in Zuknnft eni-
weder bei Eröffnunq der Sesston over gelegent-
lich.der Budgelvoriage Seitcns des Ministe-
riums des Aeußern ein Erpose über die poli-
tische Lage des Reiches in seinen Bezichungen
zu den auswärtigen Mächten nebst den ein-
schlägigen diplomatischeii Acienstücken dem

Reichsraihe vorgelegt werde." Gias Rechberg

wehrte stch mit allee Krafl gcgen dieses An-
sinnen; schüeßlich wurde der Antrag jedoch
vom Ausschuffe einstimmig angenommen. Graf
Rechberg gab in der Sitzung des AnsschuffeS
kinige Andeniungen über dic Congreßfrage,
die „eine ganz neue Situation geschaffen".
Oesterreich sei dem Vorschlage des Kaisers
Napoleon principiell nicht adgcneigt, müffe

aber über mancherlei Borfragen sich erst ver-
ständigen, bevor cs seine Entschlüffe faffen

könne.

Wien, 14. Nov. Nach einem Arükcl dcr
„Preffe" sollen stch Oesterreich, Englanv und
Preußen über solgendc Punktc vcrständigl
haben: Ein Congreß ist untcr gcwiffen Mo-
dalitäten annihmbar. Festc Hauptmodalitäten
sind: Die Minister der Großmächte enlwersen
ein Prvgramm für die VerhanLIuiigcn des
Congreffes, das sich ins Besondere auf Ange-
legenheiten erstreckt, welche im AugenbückGegen-
stand diplomatischer Unterhandlungcn oder einer
Differenz unter den Mächten Europas sind.
Nur solchc Staaten hätten Siß unv Stimme,
welche an der Durchsührung des Programms
unmittelbar betheiligt wären. Endlich iiiüßten
Bürgschaste» für genaue Einhaltung deS Pro-
gramms gegcben werden. — Dies werde der
Znhait der identischeii Rückänßerung Englands,
Preußens uiid Oesterreichs auf bie Cinladung
zum Congreß seln.

Wien, 14. Nov. Das Herrenhaus hai
hcutc den Gesetzentwurf über die Ankeihe nach
dem Unterhansbeschluffe ohne Debatte angc-
nommen.

Triest, 14. Nvv. Der auf Cypern gestran-
dete Llvpodampscr Europa ist durch eine sran-
zöstsche Fregaite flotr gemacht worden.

3 t a i t e >,

Rom, 13. Novbr. Dic Geseüschast der
röniijcheii Eisenbahnen hat die Bebiiigungen
des VenragS zwische» der römischc» Regieriing
und der belgischen Gesellschas! Betreffs dcr
Erbauung einer Eisenbahn von Civita-Vecchia
nach Tvscana angenoiiimen.

Turin, 13. Nov. Dcr AuSschuß der Ab-
gcordiictenkaiiimer ha! die Genehmigung des
HandelSverlragcs mit Frankreich vorgeschlagen.
Für das nächste odentliche Budget sind die
Eimiahmen aus 522 MiUionen Lire, die A„S-
gaben aus 776 Millioneii angeschlagen: De-
ficit 254 -Mill. DaS außerordentüche Budget
im Beträge von 124 Mill. wirb durch Ver-
käufc von Staalsgütern gedeckt.

Span ien

Madrid, 12. Novbr. Das Blatt „Las
Rovedades" ist ber flnsicht, daß der Vorschlag

hätte, kcine Rachegedankrn zu hegen. Zm Bcwußt-
scin ihrcr entehrten Eristenz un» im Hinblick auf
die trostlose Zukunst ihreS Kindes müffc eine «ahn-
sinnigc Ausregung in ihr jcde kalte Ueberlegung
verdrängt und sie hingcriffen haben, ohne zu wiffen,
waS sic unternahm, dic blutigc That zu bcgehen.

Nach knrzer Berathung sprachen bic Gclchwvrnen
thr Verdict; es lautcte auf „Nichtschuldig".

Ern Thränenstrvm entstürzte den Augen von Miß
Eüsabeth, als thr diescr AuSspruch verkündet wurde,
und ohnniächtig fiel sie in dte Arme ihrer Mutter.
Etiie ungeheure Menschcnmaffe beglciicte dcn Wa-
gen, in wclchcm flc nach Hause geführt wurde.

AUein ber Advocat, der Miß Elisabcth verthci-
digte, hatte nicht blos mit dcm Gcfühle eincs Man-
nes, drr die tlnschuld vertheidigt, gesprochen. Für
scinc Rede hatte ihn auch die Wärmc der Ltebe zu
dem Mädchen begeistcrt, und inan spricht bcrcits
davon, daß cr sie ehcligen werde.

Um fich in diescn unerwarteten AuSgang hinein-
zudcnkcn, darf man nicht vergeffen, daß sich die
Geschichte im Lande jenseits des atlantischcn Oceans
zutrug. llnd die Amcrikaner find gewaltig ercen-
trtsch in ihren Grdanken und Handlungen. (Gtocke.)
 
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