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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1./2. Februarheft
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Winkler, Friedrich: Die flämisch-belgische Ausstellung in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0249

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der Malerei des 15. Jahrhunderts lag bei den Bildern des
R o g e r v a n d e r W e y d e n. Nicht weniger als 13
Bilder waren ausgestellt, davon sieben, die seine herr-
liche Porträtkunst an fast durchweg hervorragenden
Werken verdeutlichten. Das schönste war unstreitig
die Fürstin, die Rockefeller jun. von M. de Rothschild er-
warb, ein Wunderwerk im farbigen Aufbau und psycho-
logischer Ausdeutung. Daneben behauptete sich vor-
züglich das bekannte Wörlitzer Frauenbild, das der ame-
rikanische Staatssekretär Mellon gekauft hat. Sehr
schön ist auch das kleine neu aufgetauchte Bildnis der
Sammlung Samuel-London, die mit wenigen aber vor-
züglichen Bildern, soviel ich weiß zum ersten Male, in
der Oeffentlichkeit erschienen war. Mit Rogers Lehrer,
R. C a m p i n , d e m sogenannten M e i s t e r
v o n F 1 e m a 1 le , hatte die Ausstellungsleitung wenig
Glück. Das nur zweimal gezeigte Triptychon der Gräfin
Merode, nach dem der Maler auch genannt wird, war
ihr verweigert, das feine Bild aus Aix war zurückgezo-
gen worden. So wären nur alte Kopien gezeigt worden,
wenn nicht, was den Verfassern des Katalogs entgangen
ist, unter den unbekannten Bildern eine entziickende
Arbeit gewesen wäre, die mit größter Wahrscheinlich-
keit als ein Bild des Flemallers betrachtet werden kann:
der hl. Georg, der ehemals beim General Plaoutine war.
Er hat in der Eyckliteratur eine gewisse Rolle gespielt,
war aber nie zu sehen (außer auf kurze Zeit im Burling-
ton Club). Daß man in dem miniaturartigen Bildchen
Campins Hand nicht erkannt hat, ist bei dem ungewöhn-
lichen kleinen Maßstab kaum verwunderlich. Immerhin
verraten sich in den plastischen und koloristischen Ab-
sichten des Malers, in der anderen Bildern schlagend
verwandten Stadtansicht durchaus eindeutige Merkmale
von Campins Eigenart. Die Kenntnis dieses köstlich er-
haltenen Werkchens war entschieden ein Gewinn,
ebenso wie die des „D a r e t“ der Sammlung Tuck, der
enemals bei Hainauer war. Das Bild gehört bekannt-
lich mit zwei im Kaiser-Friedrich-Museum und einem bei
Morgan zu einem Arraser-Altar von 1434, übertrifft aber
unsere beiden, die etwas restauriert sind, ganz beträcht-
lich durch das feine Kolorit und die sorgsame Zeichnung.
Von G o e s gab es nur Bekanntes, darunter die großen
Fliigel aus Schloß Holyrood. Interessant war es fest-
zustellen, daß Goes tatsächlich, wie Destree seit langem
behauptet hat, in Tapisserien wiederzuerkennen ist.
Soviel ich sehe, hat der belgische Gelehrte nirgends mit
seiner Hypothese Anklang gefunden. Der prachtvolle
Teppich mit der Taufe Christi aus dem Cinquantenaire-
Museum bewies unwiderleglich, daß wir auch unter den
Tapisserien nach Werken des großen Genter Malers
suchen müssen. Er geht gewiß auf ein Vorbild von Goes
zurück. Von M e m 1 i n g waren fast soviel Bilder wie
von Roger da, nur weniges unbekannt und den deutschen
Kennern kaum eins. Stammen doch die überaus feinen
Täfelchen mit Stephanus und Christophorus, die
Edwards zum ersten Male ausstellte, vom Großherzog
von Weimar, und Herrn Samuels feines Porträt kommt
wie jene letzten Endes aus dem Berliner Handel.

Mannigfaltig vertreten waren die w a 11 o n i -
s c h e n und die Grenzgebiete, zumal Lüttich
hatte viel hergeliehen. Die mehrfach gezeigte Madonna
aus St. Paul in Lüttich steht nun nicht mehr vereinzelL
Ihr ist ein beträchtlich besser erhaltenes Seitensttick in
einer aus Liittich stammenden Handschrift mit farben-
prächtigen Bildern erwachsen, das die Handschriften-
sammlung des Britischen Museums gleichzeitig ausge-
stellt hat. Auch der interessanten Mannahlese aus dem
Museum in Douai kann nunmehr die bemerkenswerte
Bildniszeichnung der Heseltine-Sammlung (ebenfalls im
Britischen Museum ausgestellt) zugesellt werden. Von
anderen Künstlern dieser Zeit seien nur die drei guten
Madonnen aus Bouts Kreise und die Bilder genannt,
die Marmion, dem Meister der Bourbonen und des hl.
Aegidius mit Reclit zugeschrieben werden. Zeichnun-
gen hier und im Britischen Museum, von denen diese und
jene auf einen der führenden Maler zurückgeführt wer-
den konnte, vervollständigen das Bild. Es war die
erste umfänglichere Ausstellung dieser Art, die zweifel-
los das rege Interesse der zahlreichen Sammler von
Handzeichnungen, die es seit dem Kriege gibt, beleben
wird.

Aus der Uebergangszeit zum 16. Jahrhundert war
die Brügger Schule (U r s u I a -, L u c i a - u n d
Baroncellimeister, D a v i d , Isenbrant,
P r o v o s t, B e n s o n) sehr gut vertreten, weniger
zahlreich die damals aufkommende Antwerpener.
D a v i d war verdientermaßen der Mittelpunkt mit etwa
10 Bildern, darunter das hervorragende Diptychon der
Sammlung van Gelder. Von P r o v o s t war ein eigen-
artiges feines Stiick neu, Joseph und Maria in Bethlehem
(Samuel-London). Von den Nichtbrügger Künstlern
seien genannt J u a n d e F 1 a n d e r , C o 1 i n de
C o t e r , M e i s t e r von Frankfurt und die Zyk-
len aus Mecheln und Antwerpen.

Auch M o s t a r t, von dem ein Iialbes Dutzend
meist bekannter Sachen ausgestellt war — das beste
war das selten gezeigte Porträt der Sammlung Tuck
(ehemals Hainauer) —, P a t i n i r , d e r Pseudo-
b 1 e s , G o s w i n v a n der W e y d e n und
M a s s y s gehören noch der Uebergangszeit an. Von
Patinir hat der Louvre eine schöne Landschaft er-
worben, die zusammen mit der vortrefflichen des Herrn
Oppenheimer zu sehen war. Von M a s s y s traten sechs
Bilder mit dem Anspruch auf, von diesem hervorragen-
den Maler zu sein. Am interessantesten waren die drei
fast gleichgroßen Madonnen — der schöne Aegidius aus
Radnor Castle ist wohlbekannt. Nur die ebenfalls be-
kannte köstliche Madonna aus Lyon liielt stand. Der
Katalog verschwieg oder wußte nicht, daß die von L-
Harris auch im Lissaboner Museum besser vorkommt
(mit nur e i n e m Engel). Die dritte, kürzlich von
Friedländer veröffentlichte, ist möglicherweise ein ganz
frühes Werk des Malers (Sammlung Perrins).

Wie bei den Malern des 15. Jahrhunderts der Nach-
druck auf den aus dem französischen Grenzgebiet stamr
menden Roger gelegt worden war, so beherrschte dei

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