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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 8./​9.1926/​27

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1./2. Maiheft
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Krasnopolski, Paul: Mathias Sonnberger: ein unbekannter Künstler des Böhmerwaldes
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https://doi.org/10.11588/diglit.25876#0410

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Hoch oben s.teht, mit Bäumen an ihrcm rechten Ufer
verkeilt, ein Felsrücken, Schleuse eines Sturzbaches
von Blücken, der sich ticf unten mit dem steinernen Fall
vom jenseitigen Hang vereint. Fast in diesem Strom
ertrinkend, kämpft sich das Wasser zwischen den Stein-
klippen durch, in hellen Tropfen s.teht ihm der Schweiß
des Schaumes auf der dunklen Haut. Ringsum braust
mit Zacken und Spitzen die Flut des Gerölls und füllt
mit dem harten Schall kantigen Graues die Kluft. Das
ist die Teufelsmauer. Auf ihrem Rande verrenken Kie-
fern die Gliedmaßen ihrer Zweige in der unerlösten
Starrheit grotesker Stellungen. Bald aber werden im
Osten Fluß und Tal freundlich, der felsige Krampf seiner
Enge löst sich, mit den ruhigen Atemzügen entspannter
Linien schwingen Hügel und Kuppen. Wiesen strei-
cheln die Hänge, in dunkeln Wolken zieht der Forst um

stadt, ist Mathias Sonnberger’s Leben gewesen. Es be-
gann im Hause No. 63 des Bürgers Matthäus und seiner
Gattin Elis.abeth, geborenen Woisetschläger aus Stein,
es endigte dort nach 46 Jahren an Wassersucht. Und
zwischen dem 17. Februar 1778 und der 30. August 1824
liegen keine großen Schicksale, führt nur ein Weg zum
Schicksal des Vergessenwerdens, spannt sich die Linie
eines Lebens, welche weder zu einer Höhe emporstieg,
noch in eine Tiefe sank, von welcher es keine Rückkehr
zur Geraden des Alltags gibt. Wie der Mensch selbst,
der klein und hochschultrig war, wirft auch sein Dasein
nur einen schwächlichen Schatten, den einer fliichtigen
Erinnerung, die rasch im Dunkel der Gleichgültigkeit
erlischt.

Bloß über seinen Anfang und Abschluß liegt urkund-
liche Klarheit. Mit einer Federzeichnung, die durch

Grabstein fiir Mathias Sonnbergers Geschwister

die Höhen, als ihr Schatten streifen Baumgruppen iiber
den Grund.

Eine große einfache Melodie geht durch diese Land-
scliaft des Böhmerwaldes. mit dem farbigen Anschwel-
len und zarten Verklingen ihrer weitgezogenen, wei-
chen Umrisse. Mit silbrigem Glanz ruft leise der Bogen-
strich der Ferne, nach kurzem Anlaufe nimmt der Wald
die Sehnsucht in seine Arme, drängt sie sanft wieder in
die Heimat hinab und bettet sie auf das grüne Rasen-
kis.sen der Böschung. Dort ruht sie mit schlaffen Gas-
sen und dem Alltag eines besclieidenen Ortes, und wie
Stämme, die sich von ihrem Lager losgerissen haben,
treiben ein paar Gedanken langsam auf der dunklen
Moldau fort und vergessen sich in einem Winkel ihres
Ufers.

Hohenfurt, deutsch, still und auch gegenwärtig mit
dem großen Verkehre von Böhmen nach Oberösterreich
nur mit einem dünnen Faden — jetzt einer elektrischen
Nebenbahn — zusammenhängend, Hohenfurt, die Klein-

farbenfreudige Symbolik und Buchstaben, mit Gerippe,
Sanduhr und verlöschender Kerze sowie durch Worte
das Memento mori eindringlich versinnbildlicht, hebt
unter P. Julian Fischer im Jahre 1775 das „Liber s.epul-
torum“ der Pfarrei an. Dieses Begräbnisbuch verzeich-
uet auch die Beerdigung Eines, der vom Pfarrer Valen-
tin Klicpera am 1. September 1824 bestattet worden ist.
„Ein wahrer Künstler in Stein, Blech und andern Arbei-
ten“ schrieb die Hand, welche die einzelnen Rubriken
ausfüllte, „katholisch, ledig“ einsetzte, unter den Namen
des Vers.torbenen: Mathias Sonnberger. Dies ist die
ganze Anerkennung einer Zeit, welche den Toten bald
vergaß und des Lebenden wenig gedachte. Mit dem
kunstfertigen Glasermeisterssohn starb auch das An-
denken an ihn, und nur spärliche mündliche Ueberliefe-
rung entfemter Verwandten weiß noch heute etwas von
dieser Handvoll Jahre, die bescheiden waren gleich
ihrem Träger. Als Mensch, den ein körperliches Ge-
brechen vereinsamte, lebte Mathias nach innen, nur sei-

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