charakteristisch. Nicht ohne Interesse zu
beobachten, wie das Leben mit dieser Aus-
drucksform demokratischer Vorstellung von
Gleichheit und Nivellierung verfahren ist.
Noch heute sieht man in Philadelphia und
Baltimore endlose Reihen von Straßenzügen
mit sich völlig gleichenden Einfamilien-
häuschen. Sie passen sich völlig dem ur-
sprünglichen Gedanken der Stadtplanung
an, aber sie konnten sich den entfesselten
Kräften der Wirtschaft gegenüber nicht
behaupten. Das einmal festgelegte Schach-
brettmuster zwar ist geblieben, aber es wird
nicht mehr empfunden, und der Wanderer
von heute wird nicht im geringsten an
seine Grundgedanken erinnert. Diese Stra-
ßen haben, ohne doch völlig auseinander
zu fallen, geschlossene Fronten überhaupt
nicht mehr und das Interessanteste ist
vielleicht, daß überhaupt der barocke, zwei-
demensionale Begriff „Straßenfront", der
erst in seiner Ergänzung ,,Fürstensitz" als
Mittelpunkt und dritte Dimension zur Wirk-
lichkeit sich bilden konnte, hier überhaupt
nicht mehr auftritt, sondern aus der Drei-
dimensionalität des Begriffs „Block" die
neue Welt sich formt. Das Nichts hinter
der Fläche ist verschwunden, der Raum
entdeckt, geformt, erfüllt und lebendig.
Bei uns sind Gedanken an Repräsen-
tation, an dekorativ ausgestattete Straßen
noch nicht ganz überwunden, auch drüben
ist manche Vorstellung davon noch übrig,
immerhin ist die Gesamtform der Stadt
weit mehr durch den täglichen Lebensab-
lauf und die Wohnung bestimmt. Die
Forderung, die Gesamtbebauung in ein Ab-
hängigkeitsverhältnis von der Wohnung als
Einzelzelle zu bringen, habe icli an anderem
Ort schon öfter erhoben. Es ist in Amerika
nicht so, daß die Stadtform bewußt aus
der Wohnung entwickelt würde, zum Bei-
spiel also die Größe der Wohnung mit dem
Ausmaß der Grünfläche verknüpft wäre.
Vorläufig herrscht auch dort noch die der
gegenwärtigen Wirtschaft entsprechende
Anschauung vollkommen und verhindert
die Durchführung solcher Gedankengänge,
aber das Verhältnis ist im großen und gan-
zen vernünftiger als bei uns, weil die na-
türlichere Einschätzung des Menschen doch
eine größere Berücksichtigung der Forde-
rungen des täglichen Lebens praktisch wirk-
sam werden läßt. Damit hängt zunächst
die prinzipielle Teilung in Wohn- und Ge-
schäftsstadt zusammen, um Zeit und Wege
zu sparen, und die Auflockerung der Wohn-
gebiete, in denen wenigstens, soweit sie aus
der Gegenwart stammen, eine Zusammen-
drängung wie bei uns unbekannt ist. An
europäische Verhältnisse erinnern dort nur
die Viertel der frisch Eingewanderten. Alle
Furchtbarkeit europäischer Wohnverhält-
nisse scheint dort ins Maßlose gesteigert.
Die außerordentlich schnelle wirtschaftliche
Entwicklung hat es mit sich gebracht, daß
heute noch, und ganz besonders in New
York, weite Viertel mehr oder minder euro-
päischen Gesichts bewohnt wären. Es wäre
durchaus falsch, daraus einen Schluß auf
moderne amerikanische Wohnverhältnisse
zu ziehen. Der Durchschnittsbürger des
Mittelstandes ist in den neueren Quartieren
weit besser untergebracht als der entspre-
chende Großstadteuropäer.
*
Der vollständige Mangel an Repräsen-
tationsvorstellungen in diesen Vierteln der
letzten Jahre ist gekennzeichnet durch den
Fortfall aller geschlossenen Höfe. Europa
hat sich trotz aller Angriffe noch nicht
entschließen können, von dieser absurden
Anlage abzugehen, die ihren Ursprung we-
nigstens für den geschlossenen Block als
Fläche ohne Ende, auf den sie bei uns sich
gründet, einzig und allein im fürstlichen
Repräsentationsbedürfnis des 18. Jahrhun-
derts hat. (Nicht anders als für die Ab-
grenzung der Verwaltungsbereiche noch
immer die gefallenen dynastischen Grund-
lagen maßgebend sind.)
Die Folge ist für Amerika, daß die
Straßenanlage, und damit die Stadtform,
wenigstens für die Flachbauwohnbezirke
durch die Wohnungen oder Häuser be-
stimmt ist, die sich alle unmittelbar an der
Straße aufreihen. Die Mäander- und Flü-
gelbebauung der großen Cityblocks nimmt
wohl oder übel die durch europäische Tra-
dition gegebene Blockform hin, aber auch
sie löst sich durch Verlegung der Frei-
9
beobachten, wie das Leben mit dieser Aus-
drucksform demokratischer Vorstellung von
Gleichheit und Nivellierung verfahren ist.
Noch heute sieht man in Philadelphia und
Baltimore endlose Reihen von Straßenzügen
mit sich völlig gleichenden Einfamilien-
häuschen. Sie passen sich völlig dem ur-
sprünglichen Gedanken der Stadtplanung
an, aber sie konnten sich den entfesselten
Kräften der Wirtschaft gegenüber nicht
behaupten. Das einmal festgelegte Schach-
brettmuster zwar ist geblieben, aber es wird
nicht mehr empfunden, und der Wanderer
von heute wird nicht im geringsten an
seine Grundgedanken erinnert. Diese Stra-
ßen haben, ohne doch völlig auseinander
zu fallen, geschlossene Fronten überhaupt
nicht mehr und das Interessanteste ist
vielleicht, daß überhaupt der barocke, zwei-
demensionale Begriff „Straßenfront", der
erst in seiner Ergänzung ,,Fürstensitz" als
Mittelpunkt und dritte Dimension zur Wirk-
lichkeit sich bilden konnte, hier überhaupt
nicht mehr auftritt, sondern aus der Drei-
dimensionalität des Begriffs „Block" die
neue Welt sich formt. Das Nichts hinter
der Fläche ist verschwunden, der Raum
entdeckt, geformt, erfüllt und lebendig.
Bei uns sind Gedanken an Repräsen-
tation, an dekorativ ausgestattete Straßen
noch nicht ganz überwunden, auch drüben
ist manche Vorstellung davon noch übrig,
immerhin ist die Gesamtform der Stadt
weit mehr durch den täglichen Lebensab-
lauf und die Wohnung bestimmt. Die
Forderung, die Gesamtbebauung in ein Ab-
hängigkeitsverhältnis von der Wohnung als
Einzelzelle zu bringen, habe icli an anderem
Ort schon öfter erhoben. Es ist in Amerika
nicht so, daß die Stadtform bewußt aus
der Wohnung entwickelt würde, zum Bei-
spiel also die Größe der Wohnung mit dem
Ausmaß der Grünfläche verknüpft wäre.
Vorläufig herrscht auch dort noch die der
gegenwärtigen Wirtschaft entsprechende
Anschauung vollkommen und verhindert
die Durchführung solcher Gedankengänge,
aber das Verhältnis ist im großen und gan-
zen vernünftiger als bei uns, weil die na-
türlichere Einschätzung des Menschen doch
eine größere Berücksichtigung der Forde-
rungen des täglichen Lebens praktisch wirk-
sam werden läßt. Damit hängt zunächst
die prinzipielle Teilung in Wohn- und Ge-
schäftsstadt zusammen, um Zeit und Wege
zu sparen, und die Auflockerung der Wohn-
gebiete, in denen wenigstens, soweit sie aus
der Gegenwart stammen, eine Zusammen-
drängung wie bei uns unbekannt ist. An
europäische Verhältnisse erinnern dort nur
die Viertel der frisch Eingewanderten. Alle
Furchtbarkeit europäischer Wohnverhält-
nisse scheint dort ins Maßlose gesteigert.
Die außerordentlich schnelle wirtschaftliche
Entwicklung hat es mit sich gebracht, daß
heute noch, und ganz besonders in New
York, weite Viertel mehr oder minder euro-
päischen Gesichts bewohnt wären. Es wäre
durchaus falsch, daraus einen Schluß auf
moderne amerikanische Wohnverhältnisse
zu ziehen. Der Durchschnittsbürger des
Mittelstandes ist in den neueren Quartieren
weit besser untergebracht als der entspre-
chende Großstadteuropäer.
*
Der vollständige Mangel an Repräsen-
tationsvorstellungen in diesen Vierteln der
letzten Jahre ist gekennzeichnet durch den
Fortfall aller geschlossenen Höfe. Europa
hat sich trotz aller Angriffe noch nicht
entschließen können, von dieser absurden
Anlage abzugehen, die ihren Ursprung we-
nigstens für den geschlossenen Block als
Fläche ohne Ende, auf den sie bei uns sich
gründet, einzig und allein im fürstlichen
Repräsentationsbedürfnis des 18. Jahrhun-
derts hat. (Nicht anders als für die Ab-
grenzung der Verwaltungsbereiche noch
immer die gefallenen dynastischen Grund-
lagen maßgebend sind.)
Die Folge ist für Amerika, daß die
Straßenanlage, und damit die Stadtform,
wenigstens für die Flachbauwohnbezirke
durch die Wohnungen oder Häuser be-
stimmt ist, die sich alle unmittelbar an der
Straße aufreihen. Die Mäander- und Flü-
gelbebauung der großen Cityblocks nimmt
wohl oder übel die durch europäische Tra-
dition gegebene Blockform hin, aber auch
sie löst sich durch Verlegung der Frei-
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