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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Molzahn, Johannes: Auf dem Wege zur stahlzeitlichen Theatergestalt
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0136

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Das ist die Tragik der Gegenwart des Materia-
lismus, der Sterilität des Geistes und der Herr-
schaft des Intellekts. Gleichen wir nicht auf
das Haar jenen Passagieren eines großen, moder-
nen Ozeandampfers, die das Schiff bei hohem
Sturm verlassen, um ihr Schicksal einem Holz-
nachen anzuvertrauen? Wir sind noch weit ent-
fernt von der Erkenntnis, daß diese Industria-
lisierung des Tages und der Arbeit der Ablauf
eines Weltprozesses ist, dessen Bejahung ein-
mal erzwungen wird, und sollten auch lausend
weitere Krisen erforderlich sein, die Anerken-
nung durchzusetzen; niemand aber wird dau-
ernd gegen das Leben handeln können. War-
um also zögert der Staat die Theater aufzu-
rufen, diese endlich ihrer eigentlichen Funk-
tion, der Durchdringung der Lebensprozesse zu-
rückzugeben. Denn die Bühne ist das hervor-
ragendste Erziehungsinstrument in der Hand
des Staates, der das Streben eines Kulturauf-
baues, d. h. Aufbau der Yolkskräfte zur voll-
endeten Gemeinschaft, als erste und höchste Ver-
pflichtung empfindet. Auf die Dauer kann kein
Volk existieren, das nicht immer wieder die
Erschließung der geistigen Kräfte versucht, die
allein das Werk ernähren und ihm Dauer ver-
schaffen.

Das Theater der Stahlzeit hat die Keime bereits
vorgetrieben und entwickelt. Die Bühnengestalt
der Bussen Tairoff und Meyerhold, ebenso die
Arbeiten der Deutschen Oskar Schlemmer (tri-
adisches Ballett und figurales Kabinett) und

Friedrich Kiesler (dem Schöpfer der Raum-
bühne) sind bereits Realität geworden, dasselbe
gilt von den Franzosen Fernand Leger („La
creation du monde" und „Skating rink, ballet
mecanique") und Jean Hugo (,,Lcs maries de
la tour eiffel). Der größte Teil vorbereitender
Arbeit, die überall, wenn auch nicht allen sicht-
bar, geleistet wird, ist noch gar nicht erfaßt
worden, aber ich will doch schon einmal auf
folgende Namen hinweisen, Robert Michel, Ru-
dolf Blümner (Lautgestaltung), die Bühnenab-
teilung des Dessauer Bauhauses (unter Leitung
Oskar Schlemmers), Moholy - Nagy (Partitur-
Spiel) und El Lissitzky (Elektro-mechanische
Schau). Diese wirklich positiven Energien, die
die kommende Gemeinschaft zu einem wesent-
lichen Teil aufbauen werden, können nicht dau-
ernd sich selber und der privaten Initiative (mit
bescheidenen Mitteln) überlassen bleiben. Es
muß gefordert werden, daß der Staat diese Ar-
beit, die ihm vor allem nützt, subventioniert
und einige geeignete Theater als Experimcntier-
Bühnen bestimmt.

Wenn erst einmal die neuen Bühnenfunktionen
und die Wirksamkeit neuer Bühnenmittel ex-
perimentell erprobt und der neue Geist hoch-
gezüchtet sein wird, dann wird sich auch die
Architeklurgestalt des neuen Bühnenhauses her-
auskristallisieren und auf ein neues Prinzip
bringen lassen. Denn die heutige Form der
Guckkaslen-Bühne ist schon jetzt in den Mög-
lichkeiten überschritten. Das neue Bülmenspiel

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ff

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