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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Ewald, Kurt: Die Schönheit der Maschine
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0158

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gefügt, sondern ist in ihren Auswirkungen
für jeden einzelnen, auch den Laien, ein
unentbehrlicher Gegenstand des täglichen
Lebens geworden. Nur so erklärt es sich,
daß schon frühzeitig maschinentechnische
Schöpfungen wie Wasserräder, Windmüh-
len, Glocken, Geschütze, Postkutschen oder
Schiffe dichterisch ausgewertet wurden,
demnach also in ihrer ästhetischen Bedeu-
tung gewürdigt waren; sie gehörten längst
zu den wertvollen Hilfsmitteln des Men-
schen, als die erste Dampfmaschine in die
Erscheinung trat. Es darf freilich nicht
verkannt werden, daß auch durch Bei-
spiele nicht formgerecht gestalteter Ma-
schinen dem Laien der Weg zum Ver-
ständnis technischer Schönheit erschwert
worden ist, ganz zu schweigen von jenen
ungeheuerlichen Versuchen, mit künst-
liche]! Mitteln einen technischen Stil zu
schaffen. Bekanntlich gibt es für keine
technische Aufgabe eine eindeutige Lö-
sung; es bestehen trotz aller Planmäßigkeit
zahlreiche konstruktive Möglichkeiten, das
gleiche Ziel zu erreichen. Die harmonisch-
ste Lösung herauszufinden, setzt ein feines
Gefühl für Formgebung, Linien- und Flä-
chenführung voraus. Wir dürfen behaup-
ten, daß dieses Formgefühl allgemein
reich entwickelt ist. Die beigefügten Ab-
bildungen stellen Beispiele aus den ver-
schiedensten Zweigen des neuzeitlichen
Maschinenbaues dar, die als ästhetisch ein-
wandfrei bezeichnet werden können. Wel-
che Wirkungen einzelne Flächen und Li-
nien auf den Gesamteindruck ausüben,
welche Mittel zum Erzielen einer guten
Form angewendet werden dürfen oder ge-
mieden werden sollen — mit anderen
W orten, was der Konstrukteur bewußt zu
einer guten Formgebung beitragen kann,
soll im einzelnen bei späteren Gelegenhei-
ten auseinandergesetzt werden.
Wie sich die Anschauungen über die
Schönheit der Maschine in Zukunft weiter
entwickeln werden, läßt sich auf Grund
unserer bisherigen Überlegungen mit eini-
ger Sicherheit voraussagen. Wir wissen,
jede Maschine durchläuft die angedeuteten

drei Entwickbmgsperioden; die ästhetische
Wirkung wandelt sich mit dem technischen
Fortschritt. Die Entwicklung bewegt sich
im allgemeinen um so ruhiger, je vollkom-
mener, ausgereifter die Maschine geworden
ist; um so stetiger und langsamer wandelt
sich daher auch der Charakter der Form-
gebung. Wir vermögen uns hiervon an
Beispielen des täglichen Lebens zu über-
zeugen: Motorlokomotiven, die gegenwär-
tig an der Grenze des ersten und zweiten
Abschnittes stehen, können noch nicht
technisch vollendet und damit ästhetisch
einwandfrei sein; dafür aber schreitet ihre
technische Durchbildung und mit ihr die
Vollendung ihrer Formgebung rasch vor-
an. Die Dampflokomotive hingegen steht
bereits im Bereich des dritten Abschnittes;
mit Ausgang des zweiten Stadiums pflegt
allgemein die technische Durchbildung in
den Grundzügen vollendet zu sein; von
da an wird sich das äußere Bild nur lang-
sam und unmerklich ändern. Es ist daher
die (in Heft i, S. i3 angeführte) Tat-
sache, daß die Dampflokomotive im letz-
ten Jahrzehnt kaum eine Steigerung ihrer
technischen Schönheit erfahren hat, kei-
neswegs überraschend; sie ist eine logi-
sche Folge aus den Beziehungen zwischen
Ästhetik und Technik, die hier näher dar-
gelegt worden sind. Typisierung und Nor-
malisierung dürften den Höhepunkt der
technischen Entwicklung bilden. Daraus
folgt, daß Maschinen, die sich bereits in
diesem letzten Bereich befinden, in Zu-
kunft keine wesentliche und sprunghafte
Änderung ihrer Formgebung erfahren
werden. Damit ist nicht gesagt, daß ein-
zelne Maschincngatlungcn dem Ende ihrer
Entwicklung nahe gekommen seien. Die
Dampflokomotive — um bei diesem Bei-
spiel zu bleiben — erneuert sich in der
Turbo- oder der Hochdrucklokomotive;
beide sind aber konstruktiv derart von
den bisherigen Ausführungen abweichende
Gebilde, daß sie auch ihrerseits in techni-
scher wie ästhetischer Hinsicht ihren Weg
über die drei Entwicklungsstufen selbstän-
dig gehen müssen.
 
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