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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0173

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sperrt, verengt, verkleinert; zweitens, weil er
in diesen Raum noch neuen Verkehr hinein-
bringt durch Cafes, Läden, Geschäftsräume. (Im
Falle Köln 1S0000 cbm menschenvolle Räume.)
Wer verkehrsbedacht handelt, hält allen vermeid-
baren Verkehr von dem Raum fern. Tut er das
nicht, so hat er sich später den Kopf über Ent-
lastungszeuge zu zerbrechen — was immer auf
Kosten der Steuerzahler geschieht — (Potsdamer
Platz Rerlin, Entlastung 85 Mill. Mark) — Ver-
kehrsrcgulicrung heißt u. a. Verkehrsverteilung.
Den Verkehr in New York könnte ein einfaches
Gesetz in Gang bringen, das den Rau von Wol-
kenkratzern verbietet. In Deutschland ist man
eben dabei, das Gegenteil zu tun. Man sucht
die Knotenpunkte des Verkehrs heraus, um sie
durch Hochhäuser zu betonen. Früher stellte
man Denkmale in den Weg, jetzt Hochhäuser.
(Es kann vorteilhaft sein, Hochhäuser zu bauen,
wenn man den Raum um sie herum freiläßt;
entscheidend aber ist, wie viel Menschen über
eine bestimmte Fläche verkehren müssen.) Es
ist also kein Zweifel, daß ein Hochhaus an der
Brücke in Köln eine Verkehrsstörung ist.

III

Es ist ein schöner Beweis für das Ansehen der
Architektur in Deutschland, daß man sich aus
solcher Verkehrsstörung nichts macht. Das Hoch-
haus muß eben her. Das Stadtbild Kölns, die
Rheinfront braucht einen Turm. An Brücken-
köpfen bauten schon die Alten einen Turm,-
aber der Turm der Alten war hier Barrikade,
Abwehr, Instrument der Verteidigung, Verkehrs-
hinderung. Aber wir leben igaG! Wie rührend
wird im Preisgericht mit einerseits und andrer-
seits um diese Dinge gekämpft. Der den flu-
tenden Verkehr ..einladend auffangende'' Hof er-
hält den ersten, das „Empfangsforum für den
flutenden Verkehr'' den zweiten Preis, ausdrück-
lich „trotz der zweifachen Überbauung". Die
Architektur, die erhabene, zwingt eben die Preis-
richter wieder auf die Kniee. Man kann nicht
umhin zu fragen, ob sich diese Preisrichter von
den hier in Frage stehenden Dingen schon ein-
mal eine ernsthafte Vorstellung gemacht haben.
Wenn sie es getan haben, mögen sie es sagen.
Es ist für viele sehr wichtig, einmal zu wissen,
was eigentlich unsere angesehensten Architekten,
denen Hunderte von weniger angesehenen immer
wieder ihre Arbeiten zur Beurteilung unterbrei-
ten, über so elementare Dinge denken.

IV

Einzige Ausnahme wiederum Hans Scharoun.
(II bleibt aucli ihm gegenüber bestehen.) Nicht
als ob dieses Projekt reif wäre, aber es hat
richtig angesetzt und das ist ungeheuer viel,
ist heute alles. Um das Reifen bin ich nicht
bang, aber um das richtige Ansetzen. Scha-
rounscher Bau vermittelt Brücke zur Stadl, lenkt,
regelt Verkehr, nimmt teil am Verkehr, ist auf

Bewegung bezogen, Bewegung der Brücke und
Sprungbereilschaft am Ufer. Spaltet und gegen-
setzt Stadlbild in Dom und Brücke, alle und
neue Welt, vertikale Bewegung, fromm zum
Himmel, horizontale Bewegung, unfromm um
die Erde herum, überspannend den Strom, den
Rheinstrom.

V

Für alle Fälle baue man an dieser Stelle so,
daß man das Bauwerk wieder abmontieren kann,
also wie die Amerikaner ihre Wolkenkratzer
als Stahlgerüste für 20 Jahre Lebensdauer. Was
hindert denn die deutschen Baumeister, diese
vorteilhafte und vernünftige Bauweise anzuwen-
den? Müssen es immer Sleinmassen, Massivbau,
Eisenbeton sein, den kein Mensch mehr ab-
brechen kann? Es wäre mindestens vorsichtig,
es in diesem Fall mit einem Slahlgerüst zu ver-
suchen. Auch hier das Weilerführen der Gegen-
sätzlichkeit zum Dom: Stahl gegen Stein. Ein
Stück Geschichte des Rheins nebenbei. Chr. R.

Ausstellungen

Peter Behrens stellt im Lichthof des Berliner
Kunstgewerbemuseum die Arbeiten seiner Wiener
Akademieschülcr aus, und siehe da: eine Aka-
demie kann auch etwas ganz Lebendiges sein.
Liegt das an den Schülern oder am Lehrer?
Würde eine Akademieklasse unter Behrens in
Berlin etwa mit den Wiener Leistungen rivali-
sieren können? Vielleicht ja. Dann aber heißt
das, daß es am Lehrer liegt, denn in Deutsch-
land ist keine Akademie und keine technische
Hochschule, die mit dem Geist dieser Wiener
Schule sich messen könnte. Sie ist nicht, weil
unsere Lehrer diesen modernen Geist gar nicht
erst aufkommen lassen, geschweige denn pflegen.
Dies aber gerade ist der Sinn einer Schule, daß
sie junge Mensehen hochzieht, hochzüchtet zu
freien, geistig und seelisch ausgewachsenen und
durchbeweglcn Menschen, zu Europäern, zu Welt-
leuten dieser unserer Zeit. Gewiß, Wien hat viel
voraus, aber das ist es nicht allein, auch unsere
Lehrer... Iiier aber, an den Wienern sehen
wir, daß sie gelernt haben, das Feld in einer
freien Gangart zu nehmen, daß Körper und
Geist spielen und daß sie uns die Gestalt eines
gut und sympathisch gewachsenen Lebenswillens
vorführen. Junge Menschen, die vor Erregung
zillern, die Zukunft zu erformen. Und was
junge Menschen im ersten Hinauslangen ihrer
Phantasie von der Zukunft begehren, trägt ein-
zig ihr Leben höher; später findet sich niclils
mehr ein. Wir aber begehen ein Verbrechen,
daß wir dieses Verlangen abtöten. Wie traurig
ist es, daß von unseren Anstalten immer nur die
materiell gerichteten Schüler einigen Vorteil
haben, während die immateriell gerichteten ewig
unzufrieden und verspielt herumlaufen müssen.
Auch sie leisten die Arbeil an der Materie, aber
zuerst wollen sie den Sinn der Sache kennen
lernen, denn sie versieben ja nichts zu machen,

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