der naturalistisch-technischen Epoche. Funktio-
nale Formgestaltung ist für unsere Zeit, was für
frühere Entfaltungsphasen die Erforschung
räumlicher Erscheinung, Perspektive oder mi-
misch-anatomische Beobachtungen waren.
Wie zu allen Zeiten außerhalb des Bemühens
um nebenläufige Probleme dieser Art das ästhe-
tisch-künstlerische Wollen das harmonische Ge-
stallen war, ist auch für die Gegenwart die har-
monische Gestaltung eigentlich der Kern ästhe-
tisch-künstlerischen Wollens.
Freilich sehen wir das Grundproblem heute ein-
facher und auch bewußter. Die Welt ist nur
durch Gegensätze wirklich. Unsere Sinne vermögen
nichts wahrzunehmen, was nicht in Kontrast zu
anderen Erscheinungsmögli?hkeiten steht. Kon-
traste: Gegensälze, Spannung. Kampf. Der von
aller Existenz erstrebte Buhezustand ist nur mög-
lich durch harmonische Verhältnisse, die die
beste Gleichgewichtslage der vorhandenen Ver-
hältnisse darstellen.
Schopenhauers Fabel von den Stachelschweinen
ist ein treffend klares Sinnbild für das Wesen
der harmonischen Gestaltung. Eines Wintertages
froren die Stachelschweine ganz erbärmlich. Sich
zu wärmen rückten sie im Budel sich möglichst
nahe auf den Leib. Aber da sie sich mit ihren
Stacheln dabei piekten, waren sie gezwungen,
wieder voneinander abzurücken. Sie schoben nun
und rutschten so lange hin und her, bis sie die
Lage fanden, in der sie, ohne sich zu stechen,
sich gegenseitig soviel Wärme als nur möglich
bahnen bei aaiu netuhrl, d.a Schlanenenden nilthlwMf III llfintiiinllm
konebulerl, rt-f go0ennbar dem »er,0b„e,Slen Stab erhebliche Vultüa aulwelal. Die
Sehlenenenden werden Halt flani laicht an «ab, anflailaerjnt. 10 daS au) der LauHlIBtie
• ine Heine MaledalW trhdhunj ,m pi,*a ein nrm Hone und einigen mm bange
daler Zueemmanecannuna Herab eaaentrlebho Latcn.nboiien. Schienen- und Laachen-
loenung atnd der Eaienvrr.illt der SoHen enonraa'. Mrl Hille dieaer eitenlriecHon
Bellen laaaen si;h ne Scbieoonenden aa leal laiWII« BlHjllHp, das die Sloahjgo
■erbindend Dewsbrt euberdem notn den Vo-te.I der leichten Auarrecmellaarkalt der
Vlenolaeniennn" Soll ener oVihe^ron^Jahre'nVn dol^dloie'w^e*iota"la«"c^*nduna
Vierseitiger Prospekt (Weichenbau, Bochumer Verein). Ii.
Gestaltungsmittel: Typensatz und Pholomonlage. Entvvui
gaben. Je gespannter und heftiger die Gegen-
sätze und je genauer die bestmögliche Lage des
Gleichgewichts erreicht ist, um so befriedigender,
dauerhafter ist der erreichle Buhezustand.
Kunst ist Äußerung des vitalen Triebs zu harmo-
nischer Befriedung. Immer war die Kunst Gleich-
nis dieses Glücks- und Buhezustands, den das
Leben oft versagte.
Innerhalb der optischen Erscheinungen haben sich
als heftigste Kontrastmöglichkeiten die der Ge-
staltungsmittel selbst erwiesen: Licht und Dunkel,
Baum und Körper, Stillstand und Bewegung,
Groß und Klein, Senkrecht und Wagerecht.*)
Durch die Auswertung der reinen Mitteln ist die
größte, die ,,geladenste" Harmonie zu erreichen.**)
Die harmonische Gestaltung, gleichviel welcher
Gegenstände, bedingt das gleichgewichtige Ver-
hältnis aller einzelnen Bestandteile. Die harmo-
nische Gestaltung ordnet alle zwecknotwendigen
Bestandteile zu einer gleichgewichligen Erschei-
nungseinheit.
Also nicht mit einem vorgefaßten Stil- und
Formenschema von bestimmter Art tritt der
*) Verfasser bearbeitet z. Zt. eine unifassende Schrift über die Pola-
rität der optischen Kontrastersclieinungen.
") Der Holländer Piet Moitcfriait war für Europas Westen der
erste, der in voller Konsequenz nicht nur aller Gegenständlichkeit,
sondern selbst aller „Einzelform" entsagte, seine Werke rein aus
Spannungskräften bildete. Mondrian fügt seine Bilder nur aus
neben- und übereinander gestellten Rechtecken, die sieh zwar durch
Größen-, Breiten- und Höhenverhältnisse,, durch Richtung, Farbe
usw. unterscheiden, die aber naturgemäß in keiner Weise eine
„interessante" Einzelform aufweisen, die den Beschauer übermäßig
auf ihre individuelle Sonderheit konzentrieren und von Gesamt-
spannungsverhältnissen ablenken würde.
d Titelseite. Farben des Originals: Schwarz und orange.
Burcharlz (Werbetiau M. Burchartz, J. Canis, Bochum)
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nale Formgestaltung ist für unsere Zeit, was für
frühere Entfaltungsphasen die Erforschung
räumlicher Erscheinung, Perspektive oder mi-
misch-anatomische Beobachtungen waren.
Wie zu allen Zeiten außerhalb des Bemühens
um nebenläufige Probleme dieser Art das ästhe-
tisch-künstlerische Wollen das harmonische Ge-
stallen war, ist auch für die Gegenwart die har-
monische Gestaltung eigentlich der Kern ästhe-
tisch-künstlerischen Wollens.
Freilich sehen wir das Grundproblem heute ein-
facher und auch bewußter. Die Welt ist nur
durch Gegensätze wirklich. Unsere Sinne vermögen
nichts wahrzunehmen, was nicht in Kontrast zu
anderen Erscheinungsmögli?hkeiten steht. Kon-
traste: Gegensälze, Spannung. Kampf. Der von
aller Existenz erstrebte Buhezustand ist nur mög-
lich durch harmonische Verhältnisse, die die
beste Gleichgewichtslage der vorhandenen Ver-
hältnisse darstellen.
Schopenhauers Fabel von den Stachelschweinen
ist ein treffend klares Sinnbild für das Wesen
der harmonischen Gestaltung. Eines Wintertages
froren die Stachelschweine ganz erbärmlich. Sich
zu wärmen rückten sie im Budel sich möglichst
nahe auf den Leib. Aber da sie sich mit ihren
Stacheln dabei piekten, waren sie gezwungen,
wieder voneinander abzurücken. Sie schoben nun
und rutschten so lange hin und her, bis sie die
Lage fanden, in der sie, ohne sich zu stechen,
sich gegenseitig soviel Wärme als nur möglich
bahnen bei aaiu netuhrl, d.a Schlanenenden nilthlwMf III llfintiiinllm
konebulerl, rt-f go0ennbar dem »er,0b„e,Slen Stab erhebliche Vultüa aulwelal. Die
Sehlenenenden werden Halt flani laicht an «ab, anflailaerjnt. 10 daS au) der LauHlIBtie
• ine Heine MaledalW trhdhunj ,m pi,*a ein nrm Hone und einigen mm bange
daler Zueemmanecannuna Herab eaaentrlebho Latcn.nboiien. Schienen- und Laachen-
loenung atnd der Eaienvrr.illt der SoHen enonraa'. Mrl Hille dieaer eitenlriecHon
Bellen laaaen si;h ne Scbieoonenden aa leal laiWII« BlHjllHp, das die Sloahjgo
■erbindend Dewsbrt euberdem notn den Vo-te.I der leichten Auarrecmellaarkalt der
Vlenolaeniennn" Soll ener oVihe^ron^Jahre'nVn dol^dloie'w^e*iota"la«"c^*nduna
Vierseitiger Prospekt (Weichenbau, Bochumer Verein). Ii.
Gestaltungsmittel: Typensatz und Pholomonlage. Entvvui
gaben. Je gespannter und heftiger die Gegen-
sätze und je genauer die bestmögliche Lage des
Gleichgewichts erreicht ist, um so befriedigender,
dauerhafter ist der erreichle Buhezustand.
Kunst ist Äußerung des vitalen Triebs zu harmo-
nischer Befriedung. Immer war die Kunst Gleich-
nis dieses Glücks- und Buhezustands, den das
Leben oft versagte.
Innerhalb der optischen Erscheinungen haben sich
als heftigste Kontrastmöglichkeiten die der Ge-
staltungsmittel selbst erwiesen: Licht und Dunkel,
Baum und Körper, Stillstand und Bewegung,
Groß und Klein, Senkrecht und Wagerecht.*)
Durch die Auswertung der reinen Mitteln ist die
größte, die ,,geladenste" Harmonie zu erreichen.**)
Die harmonische Gestaltung, gleichviel welcher
Gegenstände, bedingt das gleichgewichtige Ver-
hältnis aller einzelnen Bestandteile. Die harmo-
nische Gestaltung ordnet alle zwecknotwendigen
Bestandteile zu einer gleichgewichligen Erschei-
nungseinheit.
Also nicht mit einem vorgefaßten Stil- und
Formenschema von bestimmter Art tritt der
*) Verfasser bearbeitet z. Zt. eine unifassende Schrift über die Pola-
rität der optischen Kontrastersclieinungen.
") Der Holländer Piet Moitcfriait war für Europas Westen der
erste, der in voller Konsequenz nicht nur aller Gegenständlichkeit,
sondern selbst aller „Einzelform" entsagte, seine Werke rein aus
Spannungskräften bildete. Mondrian fügt seine Bilder nur aus
neben- und übereinander gestellten Rechtecken, die sieh zwar durch
Größen-, Breiten- und Höhenverhältnisse,, durch Richtung, Farbe
usw. unterscheiden, die aber naturgemäß in keiner Weise eine
„interessante" Einzelform aufweisen, die den Beschauer übermäßig
auf ihre individuelle Sonderheit konzentrieren und von Gesamt-
spannungsverhältnissen ablenken würde.
d Titelseite. Farben des Originals: Schwarz und orange.
Burcharlz (Werbetiau M. Burchartz, J. Canis, Bochum)
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