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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Häring, Hugo: Zwei Städte: eine physiognomische Studie, zugleich ein Beitrag zur Problematik des Städtebaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0226

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Schema einer Hochhausstadt, Nord-Südstraße

zu verbinden. Während das Leben in der Stadt
Hs. ohne Beziehungen zur Weite ist und wie die
Wimmeltätigkeit eines Ameisenhaufens sich voll-
zieht, ist in der Stadt Cs. alles voll von dieser
Weile. Gespanntheit und Weite sind die Ele-
mente, die dem Lebensgefühl seiner Bewohner
überhaupt notwendig sind und Lebenslust und
-kraft wirksam regenerieren. Die Sonne unter-
stützt nicht nur dieses Werk der Regeneration,
sie steigert es noch zu festlicher Wirkung. Diese
Stadt mit ihren riesigen Hotels in Gärten und
Parkanlagen wirkt wie ein Kurort, der für alle
seine Gäste auch eine annähernd gleiche Lebens-
haltung voraussetzt, nämlich eben die Lebenshal-
tung von Hotelgästen. Damit ist auch zugleich
das soziale Problem auf eine einfache Art ge-
löst, indem der Abstand zwischen Königen und
Proletariern dadurch beseitigt wird, daß sich
alle auf einer angenehmen Mille begegnen. Auch
der Großstadt Cs. ist also die Landschaft nicht
wesentlich, sie ist ihr nur wichtig, soweit sie
für die mehr gesellschaftliche und feierliche
Veranstaltung wichtig ist, als welche diese Stadt
mit ihren Ehrenpforten erscheint.

IV.

Ein anderer Stadtbegriff.

Städte sind Gestallfindungen auf unserem Wege
zur Menschwerdung. Gewiß ist, daß die Men-
schen nicht wegen der Städte, sondern die Slädle
wegen der Menschen da sind. Aber sind nicht
doch die Slädle die Frucht einer Landschaft und
die Menschen die Vollstrecker ihres Schicksals?
Ohne die dämonischen Kräfte, die einer be-
stimmten Landschaft verbunden sind, läßt sich
kein Ding verstehen, auch keine Stadt. Man sehe

Arch. L. Hilhcrseimer, Berlin

sich die Städte dieser Erde an, die gewesenen wie
die heuligen, um zu begreifen, wie sehr sich
Städte und Landschaft verbunden sind, wie sehr
das Schicksal der einen auch das Schicksal der
anderen ist, wie sehr die Städte das Schicksal
einer Landschaft erfüllen.

Vielleicht, daß nach allem, was wir schon ent-
deckten, wir auch noch die Natur entdecken.
Doch ist die Gestalt einer Stadt die Schöpfung
ihrer Landschaft, lebt sie aus ihr und in ihr,
so ist auch jede Stadt anders. Eine Stadt gleicht
der anderen nur in äußeren Dingen, nicht aber
in Wesen und Inhalt. Es ist ein Irrtum, die
Inhalte der Städte gleichzusetzen, eine Verirrung,
sie einander anzugleichen. Berlin, Köln, Ham-
burg, München, Breslau sind Städte vollkommen
verschiedenen Wesens. Paris, New York, Peking
haben nichts miteinander zu tun. Städte sind
landschaftgeborene Wesen mit rassenhaften Ei-
genschaften. Ihre Menschen gleichen sie sich an,
bilden sie sich um. Alles, was in ihnen wächst, in
ihnen lebt, in ihnen wird, nimmt von diesem
Rassewesen des Bodens auf. Die Macht dieses
Bodens gestaltet die Stadt samt ihren Bewoh-
nern. Slädle sind Individualitäten, es gibt keine
Stadt an sich. Es gibt keine Normung der
Städte. Als Individuen sind Städte handelnde
Wesen sowohl in geistigem als in wirtschaft-
lichem Betracht. Ihre wirtschaftlichen Probleme
und Sorgen sind indessen nur Sorgen um ihre
materielle Existenz und Prosperität, sie enthalten
keinerlei schöpferische Gestaltungskräfte. Diese
entstammen allein dem aus immateriellen Grün-
den handelnden und schaffenden Individuum,
stammen aus seiner physischen Konstitution, d. i.
aus der Konstitution der Landschaft. Die Ge-

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