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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Häring, Hugo: Zwei Städte: eine physiognomische Studie, zugleich ein Beitrag zur Problematik des Städtebaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0227

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stall; clor Städte ist ein Werk immaterieller digkeit. Er sucht das Haus als das Werk seiner

Kräfte, wirtschaftliche Probleme stehen zu ihr ganz individuellen Ansprüche zu schaffen. Er

wie die Probleme der materiellen Existenz des braucht die Natur, die Landschaft zur Ernährung

einzelnen Menschen zu seiner wirklichen Gestalt seiner Psyche. Er braucht das Gegengewicht gegen

stehen. Die Probleme der immateriellen Dinge die Vermechanisierung der Stadt. Er braucht auch

sind also unvergleichlich wichtiger als die Pro- psychische Regeneration. Er ist trotzdem wirk-

bleme der Wirtschaft. (Was die Wirtschaftler licher Städter, nicht weil er seine Arbeit in der

zwar bestreiten, aber die Wirtschaftler sind Stadt hat, sondern weil er auch das Wesen Stadt

bankrott: das einzige, worauf es ihnen ankam und miterlebt, weil er Gedrängtheit des Lebens,

was ihnen Macht und Ansehen verschuf, das Geld, Tempo, Maßstab" und andere Dinge der Stadt liebt,

haben sie verloren. Wer will sie nun noch ernst Seine Ansprüche an die Gestalt der Stadt sind

nehmen? Ehe wir nicht den Aufbruch zu immate- aber andere als die eines Hotelgastes. Zu diesen

riellen Zielen beginnen, kommen auch sie, die Ansprüchen eines anderen Menschen treten An-

,Schöpfer' unserer Prosperität, nicht wieder hoch.) sprüche eines dritten, vierten, zehnten, die alle

Menschwerdung kommt vor Stadtwerdung, kommt in wesentlichen Dingen durchaus gegensätzlich

vor Sachbewerlung, vor Wirtschaft, vor Be- gerichtet sind. Daraus wollen wir im Augenblick

triebsführung, vor Fordismus, vor Prosperität. nur die Folgerung und Forderung ziehen, daß

Es ist zwar bestechend, zu denken, man könne wir nicht die Ansprüche eines Einzelnen zum

die Gehobenheit des Lebens in einem Kurort, die Gesetz der ganzen Stadt erheben können, daß

wir uns jetzt bestenfalls einige Wochen im Jahre die Menschen einer Stadt eben nicht alle unter

leisten können, zu einem dauernden Zustand einen Nenner zu bringen sind,

unseres Sladtwohnens machen. Es entspricht Sollte uns das aber einmal gelingen, sollten wir ein

auch solches Wohnen nicht nur dem wahren Schema für den Menschen finden, so würden wir

Geiste des ewig bewegten Städters, es führt nicht die Städte für diese Menschen bestimmt nach dem

nur zur wahren Freiheit des Unabhängigen, ohne Schema Iis. bauen können; sollte aber die Zukunft

die Last der Möbelwagen, nur mit dem Koffer allen Menschen eine große Wohlhabenheit gönnen,

ausgerüstet, von Stadt zu Stadt zu wandern, es so wären die Stadtanlagen Cs. vorzuziehen. Da wir

entspricht auch wirtschaftlichen Überlegungen, beide Möglichkeiten nicht für ausgeschlossen hal-

aus der individuellen Hauswirtschaft (Berlin hat ten wollen, haben IL und G. das große Verdienst,

eine Million Einzelherde — welch Wirtschaft- uns mit der Zukunft vertraut gemacht zu haben,

licher Unsinn) herauszukommen. Es entspricht Außerdem ist es ja offenbar, daß wir diese Stadt-

vielen Menschen zu Zeiten das Hotel. Aber es begriffe zum Teil schon verwirklicht haben (vor

entspricht ihnen nicht immer, und es entspricht allem in Amerika) und daß H. und C. sich nur

auch nicht allen Menschen. Ein anderer Mensch die Mühe gemacht haben, diese Begriffe rein

liebt einen bestimmten Boden, liebt Seßhaftig- herauszuarbeiten. Daß wir über die Ergebnisse

keit, Herd, Familie, er ist sozusagen auf Zeit Hilberseimers ein wenig erschrecken, ist nicht

eingestellt. Er braucht Ruhe, Vertiefung, Bestän- seine Schuld.

Schema einer Hochhausstadt, Ost-Weststraße Arcli. L. Hilberseimer, Berlin

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