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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Mumford, Lewis: Die Stadt der Zukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0229

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New York, Ansicht der Südspitze von Manhattan

tonisch erscheinend, erstarren automatisch auf
den haupolizeilichen Vorschriften. Henry Wrights
Bemerkung, daß sie größtenteils auf Schreib-
maschinen entworfen sein könnten, ist zutref-
fend, so sehr ist ihre äußere Form durch die
baupolizeilichen Beschränkungen in bezug auf
Rauminhalt, Höhe und Rücksprung gegeben. So
erfüllt die Ausstellung bei Wanamaker eigentlich
nur die Aufgabe, einer Bewegung, die schon
stark, automatisch und unbeschränkt im Gang
ist, energisch nachzuhelfen. Iiier kann von kei-
nem Bauplan, von keinem Slädlebauprohlem die
Rede sein, es ist — möglichst sanft ausgedrückt
— ein ..Mitlaufen mit der Herde".
Die Schwächen unseres augenblicklichen Städte-
bauprinzips würden sich in der Stadt der Zu-
kunft nur steigern; wenn nämlich die Bevölke-
rung ' über ein bestimmtes Maß hinauswächst,
müssen, um der Überfüllung zu steuern, Sum-
men verwendet werden, die sonst frei wären
zur Pflege der Kunst, der Wissenschaft, der Er-
ziehung und zur Schaffung einer anmutigen
Umgebung. Ein Teil der Pläne krankt jedoch
nicht bloß an einem Übermaß, sie sind einfach
töricht zu nennen. Man nehme als Beispiel die
,,Lösung" des Mietshausproblems, die darin be-
steht, daß man das Durcheinander von Wohn-
häusern eines normalen Häuserblocks abreißt und
sämtliche Bewohner in ein einziges, großes, von
einem Garten umgebenes Gebäude pfercht. Gegen
dies hübsche Auskunftsmittel lassen sich drei

Gründe vorbringen. Erstens wäre das bei
dieser Einrichtung zu erzielende Gartcnslück
für die zusammengepreßte Bevölkerung des
Blocks durchaus unzureichend, zweitens wären
die auf dem Gartenland ruhenden Lasten unter
unserem jetzigen ökonomischen System und in
der Periode der Wolkenkratzer sicherlich ein
Anlaß, das Land zu verkaufen, um es für die
Errichtung von weiteren Wolkenkratzern auszu-
nutzen. Drittens aber würden die Gesamtkosten
eines solchen Unternehmens so ungeheuer sein,
daß nur reiche Leute in der Lage wären, in die-
sem Mustermietshaus zu wohnen — da selbst die
Park Avenue nur einen kleinen Teil des Grund-
stücks Gartenzwecken opfern kann. Den armen
Bewohner der New Yorker Mietskolosse durch
solche Fatamorgana hinters Licht zu führen,
scheint mir etwas grausam.

Was ist nun der entscheidende Punkt, der den
Überstadt-Architekten von dem eigentlichen Sied-
lungsfachmann trennt? Das Entscheidende ist,
meines Erachtens, die Frage, ob wir es weiter
ruhig mit ansehen wollen, daß unsere jetzigen
Einrichtungen sich nach ihren inneren Gesetzen
auswirken: in solchem Fall ist der „Plan" nichts
anderes als ein elegantes Etikett auf dem be-
stehenden Modell. Oder ob wir uns dazu ent-
schließen wollen, unser System einer verständi-
gen und menschlichen Regelung zu unterziehen.
Das Preußische Wohlfahrtsministerium unter-
sagte, wie kürzlich eine Zeitung berichtet hat,

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