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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Passarge, Walter; Oeser, Hans Ludwig: Neue Baukunst: Neubauten von Prof. Dr. Otto Bartning, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0336

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Kinderheim des Kreises Ruppin, erbaut 1925/36
Treppenhaus

Die auf den jeweiligen Klang der Räume abge-
stimmten Möbel sind obne konstruktive Vergewal-
tigung in schlichten, meist geradlinigen Formen
gehalten. Die Kindcrslühle, an den empfindlichen
Gelenkstellen zwischen Lehne, Sitz und Hinter-
beinen nach dem Prinzip des statischen Dreiecks
konstruiert, zeichnen sich durch Stabilität, Bil-
ligkeit und formale Eindeutigkeit aus. Vorzüg-
lich ist das Problem der Beleuchtungskörper ge-
löst. Neben vereinzelten, flachrechteckigen Kästen
findet sich vorwiegend die reine Kugelform. Diese
Kugeln sind entweder durch eine flache, runde
llolzscheibc mit der Decke verbunden oder hän-
gen an dünnen Lichtschnüren herab, so daß sie
wie lichterfüllte, transparente Bälle im Raum zu
schweben scheinen. Ihre räumliche Anordnung ist
so getroffen, daß sie gleichsam im Konzenlrations-
punkt des Raumes, in seinem „Spannungspol"
hängen und so gewissermaßen die an ihrem
Schnittpunkte zur geschlossenen Körperform, d. h.
zur Kugel, verdichteten und beruhigten Raum-
energien sichtbar werden lassen.

Die Innenausstattung ist schon deshalb bemerkens-
wert, weil der größte Teil der Gegenstände, Möbel,
Beleuchtungskörper, Gewebe, sowie die farbige Be-
handlung aus den Werkstätten der Staatlichen
Bauhochschule in Weimar hervorgegangen sind —
wie ähnlich schon beim Verwaltungsgebäude des
Roten Kreuzes in Berlin. Der farbig und formal
geschlossene Eindruck des Inneren beweist, daß

Arch. Prof. Dr. Otto Bartning, Berlin

Flur

in dieser Schule das Problem einer gemeinsamen
künstlerischen Arbeit unter Führung eines leiten-
den Architekten praktisch angepackt wird. Darin
besteht ja die wesentlichste Aufgabe der Hoch-
schule: die in den Werkställen betriebene Einzel-
arbeit immer wieder in das Ganze eines archi-
tektonischen Organismus einzufügen und an dieser
Arbeit weiter zu lehren und weiter zu lernen.
Wie in dem Neuruppiner Bau, so kommt auch in
dem bisherigen Werk Otto Barlnings, das eine so-
eben erschienene Monographie von Ernst Pollak
ausführlich behandelt, die Grundeinstellung zum
Ausdruck, ohne theoretische Programmatik und
jenseits von Tagesslrcit und Richtung Bauten zu
schaffen, die — ohne ihr architektonisches Eigen-
leben irgendwie aufgeben zu wollen — in organi-
scher Beziehung zu Landschaft und Atmosphäre
gestaltet sind, Werke, die nicht zeitgemäß im
Sinne jenes Neuen, das morgen schon alt ist, son-
dern wesensgemäß sind, d. h. dem überzeitlichen
Wesen der Sache und der Umgebung entsprechen.
Gerade vor einem Bau wie dem Kinderheim wird
die heute endlos diskutierte Frage: Steiles oder
flaches Dach? sinnlos, weil sich hier zeigt, daß
beide Formen im Grunde einander überhaupt
nicht widersprechen — was schon die Betrach-
tung mittelalterlicher Burganlagen hätte lehren
können. Die heule zum Dogma erhobene Alter-
native: Dachbau oder kubischer Bau ist offen-
bar erst durch ästhetisch-formale Spekulationen
zum Problem zugespitzt worden. Vor der leben-

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