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Heidelberger Tagblatt — 1858/​1859 (Dezember 1858 bis Juni 1859)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.3729#0440

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Grafen von Buol hat dem Einfluffe vom
Vatican nachgegcbcn, dcr jede diploma-
tische Einmcngung in die Dinge Jtaliens
in feierlichcr Allocution verworfcn hat,
weil alsdann er zucrst von Reformcn seines
Staatswesens betroffen werden müßtc.

Zn diesem Falle würde die Entfernung
pes Grafen Cavour und jeder antirömi-
schen Richtung aus dem Rathe des Königs
von Sardinien der Hauptzweck eincs öster-
reichischen Einfalls scin.

In diescm Falle aber müßtcn die Sym-
Pathien nicht nur der englischen Staats-
männer, sondern der gesammten freien
Geistes-Richtung Deutschlands ihm cnt-
fremdet werden.

Zweitens, §s ist die Unnachgiebig-
keit einer größern Macht, dic nicht auf
dem Fuste italienischer Gleichbe-
rechtigung mit Sardinien unterhanveln
will, sondern eine formclle Untcrord-
nung des keinen Staates verlangt, ohnc
das Wesentliche der Sache eincin
Schicdsgcrichte der Großmächte zu ent-
ziehen. Jn diescm Falle würde im Falle
einer Entwafsnung der Nationalgardcn
der preisgegebcnen Bezirke das österrei-
chische Heer in diesen scine Aufstcllung
nehmen, bis Sardinicn seiner Freischärlcr
'sich entledigt und eine Verminderung dcs
Heeres wenigstens versprochen hättc. Jn
diesem Falle würde es die Gefahr eines
unmittclbarcn Einmarsches der Franzosen
und einen Krieg heraufbeschwören, der
zunächst wohl auf Jtalien beschränkt wäre,
wenn Oesterreich von der Vertretung dcr
Großstaaten eben so verlasscn bleibt, als
es im gegcnwärtigen Augenblicke ist, der
aber leicht auch ganz Europa ergreifen
kann. Jn diesem Falle würdc man sich
aber auch in Dcutschland daran erinnern,
wie viel durch dcn hochmüthigen Formen-
kram des Hauses Habsburg schon an die
Fremden verloren ging. Dann würde man
z. B. d>e Friedensunterhandlungen zu
Ryswick in Macaulay nachlesen und sinden,
wie Straßburg die Perlc dcs Elsaßes, für
Deutschland verloren wurde.

Drittens endlich konntc Oesterreich
zu seLnem Schritte genöthigt sein durch
die Beobachtung, daß längeres Zuwarten
von tödtlicher Gefahr nicht nur für seine
Hülfsquellen sei, sondern vci wachsender
Mißstimmung, bei maffenhaster Ausreißer/i
unter die Freischaaren Sardlniens fgr
Jtalien überhaupt, daß ihm keinc Wahl
übrig bleibe, als eine Entscheldung^der
Waffen hervorzurufcn, sei es mit Sar-
dinien oder mit Frankreich auf den Ebenen
der Lomellina. In diesem Falle wird die
Sympathie DeutschlandS dem Kaiserstaate
nicht fehlen, aber sie wird sich auf das
Züströmen einiger muthiger Kämpen zu
seinem kämpfenden Heere bcschränken, wäh-
rend vas übrige Deutschland durch den
Schutz dcr Westgränzc die Zahl seiner
Angreifer mtndert, die freie Entwicklung

sciner Truppenmasscn fördert. In dl'esem
Falle ist ein allgemeiner Krieg nach eincm
etwaigcn glücklichen Erfolge der wälschen
Waffcn in Jtalien immcr noch möglich,
die größerc Wahrscheinlichkcit abcr ist,
daß dic Kämpfe auf Italien stch beschrän-
ken, bis es der Diplomatie gclingt, die
zerriffenen Fäden wieder anzuknüpfen.
Keinenfalls wird cine vicrte MögIich-
keit anzunehmen sein, daß Ocsterreich den
Imperator, wZchcm sein Kaiscr nach dem
Krimtartaren so angelegcntlich gratulirte,
nun als den Feind der europäischen Jn-
tereffen, als den Währwolf Deutschlands
insbesondere hl'nstcUcn und einen Kreuz-
zug Dcutscher Nation gegen das Babylon
an der Seine predigen wcrde. In diesem
Fallc freilich würdc jetzt die dcutsche Iu-
gend aufjauchzen und aller Täuschungen
der vcrgangenen Iahre vergeffcn und
muthig das Schwert ergreifen und nicht
ruhen, als bis das deutsche Banner auf
dcn Höhcn der Vogesen wehte, oder das
eigcne Herzblut in unglücklichcr, abcr nicht
unrühmll'cher Entschcidung vergossen wäre.

Aber wie gesagt, zu solcher Sendung
hat Ocsterreich'-wohl xhxn so wcnig Lust,
als Beruf.

Jedenfalls wird für einen dcr gegcbenen
Fälle bald der Erfolg sprechcn.

Denn zunächst scheint Sardinien sich
vor einem zweiten Novarra zu hüten und
seine Truppen in Alcrandria, im Apennin,
in den Alpen zu bergen und sein Flach-
land preiszugeben, was sicher weder den
Wünschen der österreichischen Hecrführer,
noch denen seincr Staatsmänner entspre-
chen würde.

Deutschland.

Karlsrube, 26. April. Gesttt« ist
cine größere Anzahl Kadeten von sr.^K.
H. dem Großherzog zu Portepeefähn-
richen gnädigst ernannt worden.

Karlsruhe. 27. April. Heute ist
eine allerhöchste Ordre (Nr. 26) vom
23. d. M. erschienen, wodurch einer An-
zahl Angchöri'gcr dcs großh. Armeckorps
und der Meiisvarmerie die Dienstauszeich-
nuikg verliehen wird; darunter Haupt-
inann Stengcl vom 1. Füsilierbataillon,
welcher die Dienstauszeichnung 2. Kl. für
Offiziere und Kriegsbcamte erhiclt.

(K. Z.)

ch Heidelberg, 29. April. Dcr hoch-
verdiente Freiherr v. Babo hatte auf ge-
stern eine Wel'nmusterung von 1858
von Bergsträßer Wcinen dahicr ausge-
schricben. Es wurden viele Proben, mit-
unter auch aus dem Jahre 1857, einge-
sandt, noch mchr Liebhaber fanden stch

zur Prohx ein. Das Gesammtresultat

war sehx befriedigend. Die Weine waren
melstens srhx angenehm und zeigten viel
^karke. Vor Allen zeichnctcn sich abrr
die Wemheimer aus, welche auch von der

Commisflon als dit besten erklärt wurden.
Die vorzüglichsten Sorten warcn von Frhrn.
v. Babo und Frau Gräft'n Waldncr cin-
gcliefcrt; ganz besonderS zeichnete sich der
rothe Wein von der lctztercn Frau AuS-
stellerin aus. Hervorgehoben zu werden
vcrdiencn noch dic Weine von Feudcnheim,
welche sehr angenchm sind.

.Aus B-rden, 25. April. Der von
dcm Kricgsministeriuin crlassenc Aufruf
au jungc M änner, mit Aussicht auf
Offiziersbeförderung nnter die Fahne zu
tretcn, ist von dcm ausgezeichnetsten Er-
folge und erinnert lcbhaft an das Iahr
1813, i» welchem em glcicher Aufruf an
dic wehrhaftcn jungcn Männcr erging.
Schon in diesen Tagcn hat sich xfne nicht
kleineAnzahl in Karlsruhc gcmeldet. Außer
solchcn, wclchc bercits ihr Staatscramen
als Juristcn rc. gemacht habcn, sind es
bcsonders Studentcn, dic vou dcn bciden
Landesuniversitätcn, Frciburg und Heidel-
berg, sich einfinden. Von einzelnen Korps-
verbindungen haben sich sämmtliche inlän-
dischc Mitglieder gcmcldct.

Mannheim, 28. April. Die gestern
Vormittag eingetroffcne Nachricht der
„Nationalzeitung", daß ein Allianzvertrag
zwischcn Rußland und Frankreich abge-
schloffen worden sei, wurde gestern Abend
auch l'n einem Telegramm von London
aus gcmelvet. Es ist viellcicht möglich,
vaß dic Quclle desselbcn ebenfalls in jencr
Nachricht liegt. Der Glaube an ihre
Richtigkcit gewinnt abcr immerhin da-
durch bcsonderc Stärkc, daß gestern die
Consols um 2 Procent gefallen sind, ein
an sich höchst bcdcutungsvolles Ereigniß,
wclchcs jcdenfalls darauf hindeutet, daß
das Vertrauen der Londoner Börse auf
eine daucrnde Ncutralität Englands bci
den bevvrstehenden Eventualitäten tief er-
schüttert wurde. Durch dic Nachricht der
gewöhnlich gut unterrichtcten „Neucn Pr.
Ztg.", daß auch zwischen Frankrcich und
Dänemark cin Allianzvertrag zu Standc
gekommcn sei, crhält die Sache überdies
cincn noch viel stärkercn Anschcin der Ge-
wißheit. Sind diese Allianzverträge wiok-
lich Thatsachcn, so kann es nicht zwcifel-
haft sein, gegen wen sie gcrichtet sind,
und dann würde sich für dic Stellung der
andcrn Mächtc wohl bald «i„e größerc
Bestimmthcit zeigen mussen. Aus Jtalieu
haben wir gestcrn erfahren, daß in der
Nacht vom 26. zum 27. die Oesterreicher
das sardinische Gebiet überschritten haben.
Unmittelbar vorher traf die Nachricht von
London ein, welche die Zustimmung Oester-
rcichs zu den Neuesten englischcn Vorschlä-
gen (von denen Derby bci dcm Citybanket
sprach: Wiederaufnahme der Cowlcy'schen
Propositivn, wofern alle drei Mächte so-
fort gleichzeitig entwaffnen oder die Ar-
mee auf dem Statusquo erhalten wollcn)
meldete. Es liegt hierin durchaus keiu
Widerspruch. Nachdem schon am 25.
 
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