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Heidelberger Tagblatt — 1858/​1859 (Dezember 1858 bis Juni 1859)

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Mai
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https://doi.org/10.11588/diglit.3729#0470

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nichl anders sein könnte, auch die Arbeits-
verhältnissc tresbcn u»s einer Krisss ;u,
welche nicht schlimmer sein kann. Allc
Geschäfte stocken, alle Aiifträqe und Be-
stellunqen wcrden zurückaezoqen, alle Fabri-
ken haben somit den größten Theil ihrer
Arbeiter abgelohnt, kleiipcre Gcschäfte ssnv
qanz qeschlosscn. Dies ist bci einer so
großen Fabrikstadt wie Berlin, dic mehr
als 100,000 Arbeiter cnlhält, ein bevcnk-
licher Znstand, ärqcr als im Krieqe, wo
die Verhältnisse sich mchr darauf gereaelt
haben. Wie wird es aber erst scin, wenn
dic Mobilinachnnq erfolqt, die stanvweh-
ren gernfen wervcn, was allem Anschein
nach nicht inehr lange dauern wirv. Bei
alledcm herrscht das größte Bertranen zu
der Rkgieruiiq und zum Regenten. Man
weiß, was für Erhaltung des Fricdcns
geschchen ist, was noch dafür geschieht,
keine Stimme mißbilllqt die Waffciibercit-
scbaft. stand und Volk sind opferfreudig
und bereit. Aber mit wachsender Erbitte-
rung verwünscht man die Friedensstörer,
dic in Paris diesen glühenden Brei zu-
sammengerührt haben, der auch für uns
bestimmt ist.

Berlin, 5. Mai. Die preußischc
Bank hat heute ihren Wechseldiseonto
auf 5,, den Vombarddisconto auf 6 pEt.

erhöht.

Die „Allg. Ztg." schreibt: Privat-
nachrichten aus Paris, die uns aus
sschercr Quelle zugehen, wcrfen auf den
Glanz, mit dem die französsschen Jour-
nale die Erpedition nach Jtalien umgeben,
manche tiefe Schattcn. „ES geht nicht gut
hstr. Man versichcrt, daß die Gcnerale
Riel ulw Bourbaki von Turin schreibcn,
daß nichis fertig sei. Marschall Vaillant
soll Varüber heftige Sccnen mit dem Kai-
scr gehabt haben. Eö hcrrscht durchaus
kein Vcrtrauen in den obern Regionen,
und man begmnt, wie es scheint, zu be-
reue», so weit vorgegangcn zu scin. Aber
jetzt ist Nlcht Mehr Zc,t zu klagen unv
zurückjUgehen: die Würfcl ssnd gefallen.
Das Heer zieht in vcn Krieg ohne deu
mindesten Enthussasmus, was auch die
napoleonistischk» Bläkter sagen mögen.
Die Offiziere ss»d >»kist cntmuthigt, sie
haben kcin Vertrane» zu dcm Oberbefehls-
haber, und die Sache, für vie sse ssch
todtschießen lassen müssen, floßt ihneir
Widerwillen ein. Unv währenv vcr Kaiser
hingeht, um seine Feldherrnialente z»
proben, und Prinz Napoleon am P»
Versuch macht, vie in der Krim vcr-
lorenen Lorbeeren wicder j» gewinncn,
oder sse auf immcr zu verlieren, läßt
man uns den alten gebrechlichen Zrromc
zurück, nnd die Kaiserin — ein Weib, das
seither nur für die Moven Sinn hatte.
Wcr soll da daS Volk, vas durch die Er-
eignisse aus seiner trägen Rnhe aufgerüt-
telt ist, ,'m Zaume halten?

Wien, 30. April. Die dtploma-

tischen Bemühungen, a» deren Er-
folglosigkeit nur Derjcnige zwcifeln konnte,
welchcr vie Absichten^rankrcichs verkannte,
ssnv nunmehr zum stillstand gebracht und
wervcn allem Auschel'n nach nicht so bald
wieder auigeuommcn werven. Zu Toskana
wie in Theilen dcs madenessschen Gcbicts
hat die Revolutchn bereiks begonncn, und es
ist gewiß, vaß ssc a»ch bald in den übrigen
^heilen Jtaliens zum Ausbruch gclangcn
wi'rd. — 3» Livorno waren seit Wochen
sardinische Transportschiffe stationirt,
welche dic Ireiwilligen aufnahinen. —
Auch Mazzini hat ei» „Manifest" an
vie „Natioil^ erlasse», in welchem vor
Vein französsich-pieinontcssschen Einfluß ge-
warnt und die allgeineinc Erhcbung gegen
die „Tyrannen" geprcdlgt wird.

W>en. Die „Militärzeitung" erläßt
eine Anfforderung an sämmtliche Oester-
reicher, die französssche over piemontesssche
Orden besshen, diesclben ohne Säumniß
zurückzugkben.

Wien. Die Zeit zur wahrhaft wirk-
samcn Offcnsivc von Seiten Oesterreichs
wurde seit Anfang voriger Woche verpaßt:
England wird den Kaiscrstaat für diesen
uncrsctzlichcn, durch seine Schwachssnnig-
keit herbcigeführten Verlust.zu entschäkigen
haben. Allcin auch für die auf geringere
Ziclc eingeschränkte Offenssve vcrmiffen
wir den Feldmarschall Heß auf vcm Po-
sten, dcr ihm als dem weitaus Bcfäbig-
sten gebührt, und es kann nicht bernhigen,
ihn in der Kaiscrlichcn Hofburg in un-
inittelbarcr Vcrbinvung mit dem italie-
nischen Telegraphen logirt zu wiffen. Denkt
man nicht daran, daß die Aufwicgclung
auch in Lombardo-Venetien ihre Mincn
gelegt habcn und die ersten Aufständc im
Rückcn dcr Oestcrrcicher gegcn die Tcle-
graphendrähtc dirigiren wird? Fürchtct
man nicht, sehr viel (sowohl Zeit als
Änderes) zu vcrlicrcn, wenn der Kaiser
und Hcß oder letzterer allein nicht von
Anfang auf dem Schauplatzc der Ent-
scheidllng strht.

Wien, 1. Mai. Der Gemeinderath
der Stadt Wien crläßt unterm 1. Mai
cinen Aufruf an die „Bewohner WicnS"
zur Bildung eincs Frciwilligenkorps, in
welchem es heißt: „Jn diesem feicrlich
ernstcn Augenblicke erfüllt uns alle nnr
der Eine Gevanke — des gelicbten, durch
trculosen Vertragsbruch bedrohten Vatcr-
landcs. Es gilt, scine Ehre und Würde
— übermüthigen, allem Rechte Hohn
sprechenven Feinven gegenüber init dcr
änßerstcn Anstrengung aller Kräfte zu
verthcidigen . . . Wien, die Geburtsstadt
»iiv Resshenz des Monarchen, die Haupt-
stadt vcs Nciches, wirv in diese» Tagc»
ch" Pflicht im Wetteifer mkt dcn Peo-
vl'izeii crfüllen, und so wie sse Wohl »»d
Wehe vieses großen Reichcs mikcmpfln-
de»^ thcilt, <,„ch ,,, Hingebuilg f»e dcn
Kai'ser Uild die qemcinsamc Sache deS

Vaterlandes keinem Theile vesselben nach-
stehcn. Schon bei dcr HeereScrqänzung
im Bcginn ves Iahres drängtcn ssch zahl-
reiche Frenvillige zur Aufnahme in das

Contingent der Hauptstavt. Jetzt, wo dke

Würscl dcr Cnischewung gefallcn ssnd, er-
läßt der GeMe.nderaty in Bertretung der-
selben einc Auffordcrung, welchc, wi'e er
nicht zwetseln kann, von Tauscnden init
lanter Frcndc bcgiüßt wervcn wird, die
Aufforderung zur Bildung cincs Freiwil-
ligcn-Korps, wclches Wien ausrüsten und
vem kalseelichcn Ki'iegshecru, vb„, Bater-
land znr Verfügnng stellcn Die

näherey Angabc» über die Bcvingungen
dcr Aufnahme, übcr Zusaminensetz,,,,^ „„h
taktische Ei'ntheilnng wcrven in kürzestc'r
Frist knnd gcgebcn wcrden. Zetzt ist ,,„x
Eincs nothwcndig, ssch rasch z» samnieln
und unter kriegskundigcm Befchl gegen
dett Fcind zu ziehen. A» die streitbaren
Männer Wiens ist unscr Aufruf gerichtet.
Dic gemeinvlichc Zuständigkeit ist gleich
giltig. Wcr ei'ne Flinte und cin Schwert
führen kann unv ein muthigcs Herz im
Leibe hat, der ist willkommen. Auf, Jhr
wackcren Jünglinge nnd Männer zum
Kampf für den Kaiscr, für Recht nnd
Vatcrlanb! Zeigt Euch Euern Altvordern
wcrth, zeigt Euch cbcnbürtig jenen tapfern
Männern, dic anf den Schlachtfeldern von
Sommacampagna, Volta imv Novara —
uiit.'r dcn Augcn Radetzky's — Lorbeern
errangen und den Namen „Wiener
Frciwillige" in die Zahrbücher un-
serer Kriegsgcschichte unauslöschlich ein-
gezeichnet habcn."

Wien, 2. Mai. Einer der erstcn
ungarischen Cavaliere hat sich anheischig
gemacht, zwci Schwadronen vollständig
auszurüsten und dem Staat zur Verfügung
zn stcllen.

Z t a l t e n.

^lvrenz, 28. April. Durch Erlasse
der provisorischen Regierung wer-
den zwar die Gesctzc aufrccht erhalteu
und di'e jctzigcii Beamtcn blciben in Wirk-
samkcit, bei Dccrctcn und llrtheilen jekoch
vcm Namen deS Großherzogs dcr dcr

provisorischen Regierung substituirt. Der
Präfect und der Goufaloniere von Flo-
rcnz sind wegen ihrer Anhänglichkeit an
ihren legitimen L-ouvcrän rntlaffen worden.

Turin. Zn Abwesenheit des

Tenerals vella Marinora hat Graf Eavour
die Portcfeuilles des Krieqes und der Ma-
riiic übernommen.

Währcnd dl'r Oksterreichcr sich auf der
Sessa-Linie, gis„ linken Ufer des

Po, fcstsetzen, sind di'e Franzosrn zu«
nächst dainit beschäftigt, feste Stcllungen
im Tyale der Scrivia einznnehmen. Die
Scrivi'a, an der Torwna, vaS 12,000
Einwohner und eine Citavelle hat, der
Hauptpnnkt ist, ergießt ssch ,'n dcn Ta«
naro, an welchem Alessandria liegt, und
 
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