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Heidelberger Tagblatt — 1858/​1859 (Dezember 1858 bis Juni 1859)

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Mai
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https://doi.org/10.11588/diglit.3729#0482

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wie di'e Erbl'tterung geqen den franzö-
sischen Friedensstörer ist bei uns fortwäh-
rend l'm Steigen. Es sind Söhne von
Standesherren, rltterschaftll'chen Familien,
Aerzte, Advokaten, Oekonoincn, Kaufleute,
kurz Leute aller Stände in dic Armee ein-
getreten. — Die Beurlaubten der Jn-
fanterie sind bis zum 20. d. cinberu-
fen; die erste Altersklasse der Landwehr
auf den 12., um einererzirt zu werden;
alsdann folgen die weitcren Altersklassen
nach, so daß nach und nach die gesammte
Landwehr einererzirt wird, um so bald
als nöthig zmn Dienste verwendet werden
zu können. Auch von den übrigen Waffen-
gattungen wird die Mannschaft allmälig
so einberufen, wie sie verwendet werden
kann und muß; z. B. werden bci der Rei-
terei nach Maßgabe der von dcn Remon-
tirungskoinmlssionen anlangendcn Pferde
von Woche zu Woche die entsprechenden
Mannschaften cinberufen, so daß in Bälde
jedcs Reiterregiment einschließlich des De-
pots auf 850 Pferde gebracht scin wird.
— Prinz Friedrich von Württemberg
,'st vorgestern Nachmittag von Karlsruhe
und Darmstadt hierher zurückgekehrt, wo
er in Angelegenhciten des von ihm kom-
uiandirten 8. deutschen Armeekorps gcwe-
sen, welchcs, wie hier ziemlich allgemcin
angenommen wird, in Bälde entsprechende
Aufstellung amOberrhcin und imSchwarz-
wald nehmcn wird.

Arankfurt, 9. Mai. Das bedeutende
Geldwechselgeschäft S. M. Schwarzschild
und das Geschäft von M. A. Lehmann
haben hcute ihre Zahlungen eingestellt.
Die Rückstände bei ersterem Hause sollen
über eine Million Gulden betragen.

Kronprinz Alb ert von Sachsen wurde
zum Kvimnandanten des 9. Bundes-Armee-
Korps gewählt.

Weimar, 8.Mai. Das hiesige „Tage-
hlatt" bringt folgende 'Mitthcilung aus
Zena: „Sicherem Vernehmen nach beab-
sichigt die hiesige Studentcnschaft, ihre
Parteistrcite und Duelle bis auf Weiteres
eknzustcüen und auf ein höhercs Jntressc,
den Kampf für das Vaterland Rückstcht
zu nehmen. Dies wäre ganz vernünftig
und verdiente auf andern Universitäten
Nachahmung.

Köln, 2. Mai. Man schreibt der
„Allg. Ztg." von hier: „Die Dinge neh-
men hier immer mehr eme kriegcrische
Wendung. Fast täglich steht man einbe-
rufene Reservisten und Landwehrmänner,
und namentlich hören die Transporte von
Kanonen und sonstigen Artillerie-Ar^rü-
stungsgegenständcn fast gar nicht auf. Nicht
nur die gesammte Neserve im ganzen Staat
ist einberufen, sondrrn bei der Artillerie
auch die Landwehr bis zum Jahr 18^5
hinauf. Hier in Köln werden die zur
Armirung der Festung bestimmten Kanonen
auf die Laffetten gesetzt, koloffale Pnlver-
massen stnd in den zwischen den Forts

befindlichen Magazinei, aufgehäuft, und
überall herrscht die größte Thätigkeit. Das
sind sichere Anzeichen dafür, daß Preußen
die gefährliche Bequeinlichkeit der Neu-
tralität nicht wählen wird. Nach mei'ner
festen Ueberzeugung hat Deutschland alle
Ursachc auf Preußen Vertrauen zu setzen.
Jn Süddeutschland, das allerdings in der
nationalen Erhcbung uns vorangegangen
ist, darf man um so unbesorgter auf die
noch ruhr'ge Haltung Preußcns blicken, als
Preußen in der That selbst bei der bloßen
Kriegsbereitschaft nicht lange unthätig
bleiben kann. Es hängt das rnit unserer
eigenthümlichen Wehrverfassung zusammen.
DaS prcußische Heer ist em Volksheer;
es ruft die Bürger von ihren sriedlichen
Geschäften in seine Reihen, und darum
ist rasche Entscheidung für Preußen noch
mehr Bedürfniß, als für jedeö andcre
Land. Schon die bloßt Kriegsbereitschaft
hat Tauscnden von Familien ihre Er-
nährer nehmen müffen, und Preußen kann
daher nicht lang mit dem Gewehr am
Fuß stehefl bleiben, selbst wenn es wollte.
Daß aber jetzt noch nicht sofort losge-
brochen wird, kann jeder verständige Mann
nur billigen. Nach allen Nachrichten aus
Paris wird die Stimmung dort immer
drohender, und es scheint ,'n der That,
daß dort jeden Augenblick ein Ausbruch
zu crwarten ist. Allerdings ist mit dem
2. Dezember kein Frieden zu halten; aber
wenn Frankreich selbst diesen Alp ab-
schütteln möchte, so ließe sich wohl eine
Combination denken, durch welche der be-
vorstehende Racenkampf vermieden würde,
das wäre gewiß ein Segen für die Mensch-
her't. Augenblichlicher Hiilfe hxdarf Oester-
reich gar nicht einmal, und die „Allg. Ztg."
hat es selbst hervorgchoben, daß die Zeit
für den deutschen Angriff dann da ist, wenn
der Krieg in Jtalien seinen Höhcpunkt
erreicht hat. Gegenwärtig thut Deutsch-
land (und namentlich Preußen) das Beste,
was es thun kann — es rüstct furchtbar.
Das ist für den Augenblick ausreichcnde
Hülfe; sobald wir völlständig gerüstet sind,
werden wir im Stande scin, den Frieden
zn dictiren, oder den Streit durch deutsche
Waffen entscheidcn zu laffen. Nur noch
sehr kurze Zeit kann die Sache sür uns
in der Schwebe bleiben; sehr bald wird
der Zeitpunkt kommen, wo das Elsen das
Eisen anzieht. Es strebt ja Alles dahin.
Stehen einmal 300,000 Deutsche zur Wehr
am Rhein, so wird sehr bald entweder
aufrichtiger Friede oder die kvöftigste Offen-
sive da sein. Mögen darum unsere süd-
deutschen Brüder, deren Patriotismus uns
mit Bewunderung erfüllt, um des theuern
Vaterlands willen sich ein kurzes Warten
mcht verdrießen laffen; Preußen wird schon
bald bei ihnen sein."

Berttn, den 7. Mai. Die Hamb.
Nachr. mewen, daß England in Hamburg
habe wiffen lassen, es werde tm Falle

ernes Krieges Frankreichs und Deutsch-
>affds ^n Schutz der Schiffahrt und der
Kusten rn der Ostsee nicht übernehmen
könncn. Auf eine deßfallsige Anfrage
Preußens hat Eiigland erklärt, daß es i»

der gegenwäitigea Sachlage keine Ver-

pflichtuilgen nach irgend welcher Seite
hin übernehmcn könne. Das vorsichtige
Auftreten Pcenßens, das seine Pflichten
ni'cht verabsäumt, lsi dah„ erklärlich.

Die umfassenden ^l'editforderunqcn und
dre un Ab^eDrbnetenhause ge^ebene Er-
klärung, daß Preußen das enropäische
Gleichgewicht aufrecht erhalten molle, be-
weisen, daß Prcußen ffch wcder von den
rnssischen Drohnngen, noch von der eng-
lischen Neutralität, noch endlich von der
französischen Beruhignng in seinem Wege
beirren läßt und gibt die Hoffnung, däß
man auch im übrigen Deutschland ihm
vertrauen wird. Jn nächster Zeit werden
die preußischen Rüstungen eine noch UM-
faffendere Gestalt annehmen.

Königsberg, 7. Mai. Aus Danzig
meldet man eine ungcmcl'n gesteigerte
Thätigkeit auf dem Marine-Werft, es sind
neuerdings noch 100 Schiffszimmerleute
eingcstellt worden, das Matrosenkorps soll
um 500 Mann verstärkt werden.

Aus Wien wird gemcldet: Jn Braunau
am Jnn, an drr baperischen Gränze, wird
vorläufig das Hauptguartier des Erzher-
zogs Albrecht, des Ober-Commandanten
dcr österreichischen Rheinarmce, sein. Eben
dahin werden auch alle Freikorps, welche
in Ungarn aufgestellt werden, dirigirt.

Wien Das österreichische Armee-
Oberkommando beabsichtigt, die Pflege der
Verwundetcn und Krankcn in den Feld-
und Garnisonsspitälern den als Kranken-
wärterinnen so vielfach bcwährtcn grauen
Schwestcrn zü übertragen. Es ist deßhalb
an die Kirchenhäupter die Einladung er-
gangen, den Aufruf in diesem Sinne zu
erlaffen und so viele Frauen in diesen
wohlthätigen Orden aufzunchmen, als sich
melden würden. Dic Eintretcnden erhalteu
200 fl. Handgeld und eincn Jahresgehalt
von 600 fl.

Frankreich

Paris, 9. Mai. Marschall Vaillant
geht morgen mit dem Kaiser nach Ztalien.
— Marschall Malakoff kam gestern Mor-
gen in Paris an. — Das militärische
Haus des Prinzen Napoleon ging gestern
um 1 Uhr mit der Lpon-Bahn ab. —
Den neuesten Berichten aus Genua zu.
folge war dle kaiserliche Gardc mit Aus-
nahme dttArtillerie daselbst angekommen.
Mittelst Circular des Kiegsministers wurde
dcn Generalen vorgeschrieben bis auf
Weiteres alle Ehreii-Schildwachen vor
den Präfeeturen, erzbischöfl. und bischöfl.
Pallästen n. s. w- einzuziehen. — Der
Schaden eines dieser Tage in den Mili-
tär-Fourage-Magazinen zu Berp auSge-
 
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