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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 152-178 Juli
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UMlbtrger Iritung.

Nll 180. S-nntag, 10. Jult

Bestellungen auf die,^K«idelberger
Zeitung" nebst Beilaqe „Heidelber-
aer Faiuilienblätter" für das mit 1.
Juli 1884 begonnene 3. Luartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition

* Politische tliiischan.

Nach dcm „Dr. Journ." soll das Schrriben
des Däneukönigs an den Kaiser Napoleon, in
welchcm ersterer die Vcrmiltlung dcs KaiserS
nachgcsucht, iu Fontaineblcau eiue gewissc Wir-
kung hcrvorgebracht nnd der Kaiser sich ge-
äußcrt haben, er werde demnächst „mit vder
ohnc Euglaud" eine Lösung herbeizuführen »cr-
suchen.

Die „Zeidler'sche Correspondenz" dagegcn
sagt, »on einem Vermittelungsoersuch bei dcm
Kaiser der Frauzosen in wohlunterrichteten
Kreiscn BcrlinS nicht daS Geringste bekannt sei.

Der „Schwäb. Merk." erfährt, daß Oestcr-
reich in KarlSbad kcinerlei Verpflichtung zu
Gnustcn der oldcnburgischen Ansprüche über-
nomme» habe, und bemerkt, daß eS in der
Erbsolgefrage init dcr BundeSmchrheit, die sich
jedcnsallS sür den Herzog Friedrich aussprechen
wird, stimmen werde.

Nach der „Kreuzzeitnng" verzichtete Prinz
Wasa in Kisjingcn auf jcine Erbrechte gleich-
zciüg mit der Cession deS KaiserS von Ruß-
land an Oldenburg.

Nach dem „PayS" wcrden die 2000 Bcl-
gier, wclche i» kaiscrlich mexikanischen Dienst
trcten wollen, nächstcn Novcmber auf französ.
Schisfcn nach Vcra-Cruz gebracht werden.

AuS Turin wird gemcldct, daß nach dem
„Diritto" sich daS Brigantenwescn nun auch
in Toskana zu regen anfange. Ein gewisser
Molfino befände sich an der Spitze ciner Bandc
in dcn Appeninnen.

Aus Algier wird gemcldet, daß die Ruhe in
Algcrien vollständig wieder hergestellt ist.

Z«r Schleswig-Holsteitt'scheu
Sache.

Kopcnhaften, 4. Zuli. Die „B-rling'sche
Zeitung" schreibt: Zn Folge deS WiederauS-
bruchs des Kricges hat eine schwedisch - norwe-
gische Escadre von Dampfern Ordre erhalten,
sofort auszulaufen. Schweden sendct zu der-
selben: 2 Linienschiffe, 1 Fregatte und 1 Cor-
vette; Norwegen: 2 Fregalten und 1 Corvctte.
Mehrere andere Fahrzeuge sollen fertig gehalten
werden, und die in Norwegen zusammcngezo-

genen Truppen bis auf Weiteres versammelt
bleiben. (W. Prcsse.)

Zu Sonderburg fand am ö. d. Aus-
wechslung von Gefangenen statt. Es waren
128 Preußen und Oesterreicher, untcr den
Preußen meist Cavallcrie, wenig Jnfanterie
und Zäger; die Preußen gehen sofort zu ihren
Regimelltern.

Aus Schleswig-Holstein, 5. Juli. Jn
Auguftenburg, wo sich zum Zwecke der Prolla-
mirung des >>erzogs Friedrich am 3. d. Mts.
etwa 600 Mällner eingefunden hatten, ist dieses
Vorhaben von den Civil- und Militär-Autori-
tätcn verhindert worden, indem dieselben den
hervorragendsten Leitern der Demonstration das
Verspi^chen abnahmen, die Ausrufung des Her-
zogs zu unterlassen. Die „Kreuzzeitung" be-
merkt ironisch zu dieser Nachricht, daß die pro-
klamationsluftige Versammlung im Ganzen sünf
Mitglieder gezählt habe; sie richtet zugleich an
den Herzog die Frage, ob derselbe wirklich
glaube, daß Alsen für ihn erobert sei?

Lübeck, 6. Juli. Dcr Bruder des Königs
von Dänemark, Prinz JolMN von Glücksburg,
ist nicht nach Berlin gereist, sondern hat von
hier ein Billet direct nach Paris genommen.

Kopenhagen, 7. Juli. Eine Bekannt-
machung deS Generals Steinmalin crklärt Füh-
nen und die nahe liegenden Jnseln in Belage-
rungSzustand.

Flensburg, 7 Juli. Die „Flcnsburger
Zeitung" veröfientlicht eine Bekanntmachung
der Ober - Civilbehörde an die Bewohner von
Alsen, wonach die Oberleitung dcr gesammtcn
Civilverwaltung der Jnsel in die HLnde der
Civilcommissäre für Schleswig übergegangcn,
der Hardesvogt Arnesen in Augustenburg ab-
gesetzt und der Obergerichtsadvokat Kraus vor-
läufig mit der Wahrnehmung der Geschäfte be-
traut und ermächtigt ist, widerstrebende Unter-
beamte abzusetzen.

Hamburg, 8. Juli. Das vorgeftrige Ko-
penhagener „Dagblad" bringt an der Spitze
einen eingesandten Artikel über die „verkehrte
Kriegsführung", in welchem die Ueberlegenheit
der Waffen und die umsichtige Führuug auf
Seite der Gegner anerkannt und die dänifche
Kriegsführung als eine fystemlose anerkannt
wird, und welcher die Negierung auffordert, die
Truppen aus Jütland und Fühnen zurückzu-
ziehen, die Blokade der deutschen Häfen aufzu-
hebeu und die dänischen Kricgöschiffe zurückzu-
rufen, um die Jnsel Seeland und die Haupt-
stadt Kopenhagen zu vertheidigen, da Gefahr
vorhanden sei, daß die Alliirten mit ihren


Panzerschiffen von Aarhups aus eine Landung
auf Sccland bewerkstelligen.

Deutschland.

Karlsruhe, 30. Juni. Jn der General-
versammlung der badischcn Versorgungöanstalt,
welche am 22. d. MtS. stattfand, erstattete der
Direktor deö Verwaltungsraths, Hr. v. Stengel,
einen umfaffenden Bericht über die Entstehung,
Fortbildung und den heutigen Stand diescr
Anstalt, die in Folge der erhaltenen Genchmi-
gung ihrer Statuten in erncuerter Form thätig
sein wird. Obgleich bereits ein anderer Jhrer
Berichtcrstatter die Verhältniffe dieser Anstalt
bespricht, so dürfte es fstr Jhre Leser doch von
Juteresse sein, die wesentlichsten Punkte des
erwähnten Berichtes vorgeführt zu sehen, da ja
der obengenannte Berichterstatter sich faft auS-
.schließlich mit der Zukunft beschäftigt. Schon
im Jahre 1833 vereiniglen sich einige hicsige
Einwohner, um eine Lebensversicherungsgcsell-
schaft zu gründen. Die Herren Scholl. Beger,
Mone, Zipperlin bearbeiteten einen Statuten-
entwurf nach dem Vorbilde der Wiener Ver-
sorgungsanstalt. Zur nähercn Prüfung und
Auöarbeitung besselben wurden die Herren
Debattis, Holtzmann (Prälat), Vogclmann,
Williard (Domänenrath) beigezogen, die am
17. Januar 1835 die erste Berathung hielten.
Am 18. Februar wurde der Entwurf einer
größeren Versammlung vorgelegt, welche einen
aus den Herren Bekk (Staatörath), Kerler,
Kusel, Negenauer, Stein und dem dermaligen
Direktor bestehenden Ausschuß ernannte. Der-
selbe prüfte den Entwurf nochmals, worauf er
am 23. März in ösfentlicher Versammlung an-
genommen, darüber eine von 104 Anwesenden
nnterzcichnete Urkunde aufgcnommen und die
Wahl der Behörden dcr Gefellfchaft vollzogen
wurde. Die »Ltaatsgenehmigung wurde untcrm
30. April ertheilt. Die Gründer der Versor-
gungsanstalt, wcit davon entfernt, persönliche
Vortheile zu suchen, wurden lediglich von dem
Gedanken geleitet, ihren Mitbürgrrn Gelegen-
heit zu geben, sich durch Verzicht auf einen
Theil der Zinsen, für das höhere Alter eine
bedeutende Rcnte zu verschaffen. Die weiter-
gehende Absicht, eine Lebensversicherungsgesell-
schaft zu gründen, wurde nicht weiter verfolgt
und erst in späteren Jahren wieder aufgenom-
men, wo sie daun durch die Statuten von 1863
ihre Erledigung fand. Gleich zu Anfang ersreute
sich die Anstalt eines großcn Vertrauens, da
schon bis 1. Januar 1836 8024 Einlagen ge-
macht wurden. Man wollte den vorgesetzten

Ein Saltomortale.
Anekdote, erzahlt von Elise Polko.

Etwa zwci Stunden von der Stadt und Festung
Minden, nördlich in das flache Land hinein, liegt
ein einsameS, schloßähnliches Gebäude, „HauS Him-
melreich" genannt. Den Chronikcn nach ward es
von einem rohen und händelsüchtigey Ritter Holle,
im 16. Iahrhundert etwa, erbaut.' Früher hatte
dieser räuberische Unholv in der Nähe von Peters-
hagen sein Unwcsen gctrieben und vornehmlich dem
hochwürdigen Btschof von Minden arg zugesetzt
durch allerlei ungehorsame und schlechte Führung,
durch Aufreizung feiner Untergebenen zur Wider-
setzlichkeit gegen seine Besttmmungen und dergleichen
Unthaten mehr. Der Kirchenfürst sah sich endlich
genöthigt, diesen rebelltschen Unterthan in den Bann
zu thun und der irdischen wie himmlischeu Seg-
nungen verlustig zu erklären. Da hatte denn der
Frevler mitten in die Heide hinetn sich ein lustig
Haus mtt hohem Thurm gebaut, und als der
Bau vollendct, ließ er dem Bischof sagen, daß er
von nun an seineS Himmelreichs nicht benöthigt

sei, alldieweil er sicb setn eigeneS geschaffen, worin
er fortan selbst den Herrn zu sptelen gedenke, ihm
und dem lieben Gott zum Trotz, und gab von

„Hirnmelreich". Der hat sich denn auch erhalten
bis auf den heutigen Tag, so oft das Schloß auch
seinen Befitzer gewechselt. Der fromme Blschof aber
zog, alS der Ritter Holle noch daselbst wohnte,
nte ohne großes Geleit von bewaffneten Reisigen
auf seinem Wege nach Petershagen an bem Schlöß-
lein der Heide vvrbei, denn er fürchtete sich vor
dtesem Himmelreich, wie er sich selbst nicht vor der
wirklichen Hölle fürcbtete. Die Hölle mit all' ihren
Insaffen konnte ja auch einem Kirchenfürsten nichts
anhaben, allein der Rttter Holle war schlimmer als
dcr Oberste der Teufel und scheute sich nicht vor
dem heiligen Kleide. Aber die bewaffneten Be-
gleiter des Bischofs konnten ihre Schwertcr ruhig
in der Schetde laffen, der Ritter nahm keinerlei
Rache und schaute nur mit lustigem Lachen aus
dem Fenster setnrS ThurmS auf den Zug herab
oder stimmte mit seinen wüsten Zechgenossen gott-
lose Liedrr an, wenn der hochwürdige Herr sich
nahte. Auch kein Blttz vom Himmel fnhr herab,

den Frevler zu zerschmettern, und dte Erde tha^
sich nicht anf, ihn zu verschlingen, so sehr der
fromme Bischof täglich darauf hoffte. Der Ritter
Holle lebte lustig und starb in seinem HauS Him-
melreich in seinem Brtt wie jeder andere fromme
Ehrist und keinerlet Schwefelgeruch noch trgend rtn
Feuerzeichen war in der Todtenkammer, noch an
dem Letchnam zu gewahren.

Ietzt steht das WohnhauS des RitterS längst
nicht mehr; nur der alte Thurm ist noch da, daS
Einfahrtsthor-und dic Mauern, dte sich um den
tiefen Wallgraben zogen; ein anderes HauS wurde
bort aufgebaut. Linden und Eichen find überall
emporgewachsen, dichteS Buschwerk und Heimbuchen
ziehen sich längs den Mauern hin. Der letzte Bc-
siher hat sogar einen schönen Garten angelegt mit
einem Bogengang von Buchen, und Iahr um Iahr
wurbe der grüne Schleier dichter, der dteS Plätzchen
vor aller Augen verbarg. DornröSchen hätte gut
barin wohuen können, gar manLer MLrchenprinz
wäre wohl vorbeigeritten auf seinem Zelter, ohne
das Dasein des SchlößchcnS hinter der Blätter-
wand zu ahnen.

Im Iahr 180!; etwa geschah eS aber, daß ein-
 
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