Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 257-282 November
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2828#0512

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ukidtlbkrgrr

R» 27S. Samstag, 28. November


* Politische llmschau.

DaL „Mem. dipl." macht darauf aufmerk-
fam, daß diefcs Mal Hr. v. Bach auf feiuer
Rückreise nach Rom feincn Weg durch die
Lombardei gcnommcu und sich einige Tage in
Mailand aufgehalten hat. Es sei dics ein An-
zcichen einer verföhnlichen Stimmung, denn seit
I8d9 fei LieS der epste Fall, daß ein östcrreichi-
fcher Diplomat durch die Staaten des Königs
von Ztalicn reife. Sogar die CabinetS-Cou-
riere, die zwifchen Wien und Rom hin und
her reisten, gingen über Marfeille und Civita-
Bccchia.

Bei der Eröffnung des katholischen Casinos
zu Mainz wurde der erste Toast dem Papst,
der zweite dem Großherzoge dargebracht.

Die officielleZeitung vou Vcnedig meldct
die Unterwcrfung cines Theiles der Bandcn
Friaul'ö.

Zu einer in Dresdcn auberaunitcn Ver-
sammlung der dortigen Mitglicder des Natio-
nalvereins, in welcher Bericht über die Eije-
nacher Gcncralversammlung erstattet werdcn
solltc, hatten sich außer dem Bortragendcn nur
7 Personen cingefunden.

Nach der „Morning Post" hat Lord Lyons,
der britischc Gesandte in Wafhington, Gcfund-
heits halber um Eutlasfung angcjucht.

„France" bringt die Nachricht, die preußijche
Regierung wcrdc am Ende dcS Polenprocesses
eine allgemeine Amnestie für alle seit 1848 in
Preußcn vorgelommenen politijchcn Vcrbrcchen
und Vergchen erlasscn.

Die Bank von England hat ihren Disconto
auf 7 pCt., die französische Bank auf g pCt.
herabgesetzt.

Die „Jtalie" bringt eine Liste von etwa 40
Municipalitätcn, welche die Vorauszahlung der
Grundsteuer für 188b angeboten haben.

Ziir Lchleöwig-Hvlstciii'scheii
Lache.

Kopenhagen, 23. Nov. „Fädrelandet"
verösfentlicht eure von 137 Reichsralhsmltglie-
dern unterschriebene Adresse an Schleswigs
dänische und danischgesinnte Einwohner. Der
König gehl wahrscheinlich am nächsten Montag
nach Jütland.

D e u t s ch l a n d.
Karlsruhe, 24. Nov. 10. Bulletin über
das Befinben Jhrer Großh. Hoheit der Frau
Markgräsin Wtlhelm. Nach jehr unruhiger

Nacht erscheint diesen Morgen die Fieberregung
etwas geringer, ohne daß sich jedoch in den
sonstigen Erscheinungen eine wesentliche Ver-
änderung wahrnehmen läßt. Dr. Buchegger.
Dr. Meier.

Aus Baden, 19. Nvv., wird der „Na-
tionalzeitung" gcschrieben: Neben der politischen
Gesammlhaltung Badens dürste doch auch die
Entwicklung des kirchlich protestanlischen Lebens
die volle Aufmerksamkeit der gebildeten Kreise
Deutschlands beanspruchen. Seitdem der Agen-
denstreit den Anstoß zur Umkehr gegeben hat,
seitdem die Wirksamkeit des früheren Hofpre-
digers Beyschlag durch seinen Wcggang aus
Baden diesseits ihr Ende fand, seitdem endlich
die Erledigung des Concordalstreils für beide
christliche Kirchen diejcnige selbstständige Stel-
lung brachte, die der moderne Staat (abgesehen
von amerikanischen Zuständen) überhaupt zu
dulden vermag, ohne einer Corporation Sou-
veränetätsrechte einzuräumen, seitdem hat die
oberste protestantische Kirchenbehörde stetig und
maßvoll dahin gewirkt, innerhalb des posiliven
Bekenntnisses dem Geiste des Jahrhunderts und
der erhöhten Allgemeinbildung ihr Recht zu be-
lassen. Sie ging dabei von dem Gedanken
aus, daß eine gewaltsame Conscription zur
äußeren Frömmigkeit von einer gebildeten Be-
völkerung als geradezu unerträglich empfunden
wcrde, und daß der Geist des ChristenthumS,
in seiner sittlichen Neinheit ersaßt und geübt,
solch materieller Zwangsmittel nicht bedürse.
Gegenüber dem bekannten Buche Schenkels hat
sie daher das Recht der sreien theologischen
Forschung unbedillgt anerkannt und hat da-
mals wie neuerdings wieder die Protefte der
sogenannten orthodoxen Partei zurückgewiesen.
Bei diesem wic bei dem früheren Anlaß ist die
Erscheinung bemerkenswerlh, daß die geistlichen
Vorkämpfer der Strenggläubigkeit, venen doch
immer die Phrase „Gehorsam gegen die von
Gott gesetzte Obrigkeil" vor dem Munde schwebt,
keineswegs gezauderl hatten, unter Mißachtung
ihrer dienstlichen Stellung, höchst demokratische
Agitationen in Scene zu setzeu.

Aus Baden, 22. Nov. Der nun auch
in dem benachbarten Bayern zum Ausbruch
gekommene kirchliche Conflict erregt in unserem
Lande um so größere Ausmerksamkeit, als er
mit unsern eigenen kirchlichen Wirren manche
Analogien bietet. Schon vor Jahren sah sich
unsere Negierung genöthigt, das theologische
Convict in Freiburg zu schließen, weil man
kirchlicher Seits dieje gemeinschaftlich mit dem
Staate errichtete Anstalt ganz uud gar in An-
spruch nehmen und gleichsam als ausschließliche

kirchliche Domane behandeln wollte. Auch der
in neuester Zeit über das Unterrichts- und
Volksschulwesen entstandene Streit ist derselben
eingebildeten souveränen Machtvollkommenheit
entsprungen, vermöge deren das kirchliche Re-
giment sich sür berechtigt hält, ünabhängig von
der Staatsregierung überall wo dieß durch cin
angebliches kirchliches Jnteresse geboten erscheint,
ohnc Weiteres vorzufahren und zu beschließen.
Daß man sich hierbei nm die Autorität des
Staates nicht zu kümmern braucht, hat diese
moderne ultra-kirchliche Richtung bekanntlich in
einem kleinern deutschen Staate mit Glück und
mit einer gewisscn Oftentation durchgesetzt; das-
selbe soll m Baden und nun auch in Bayern
versucht werden. Eben hierdurch, in diesem
Streben nach einer völlig souveranen Stellung
des hierarchischen Regiments im Staat, erhält
dieser ganze Conflict seine eige-ntliche Bedeu-
tung; in der That handelt es sich um die Auf-
rechthaltung der zu seinem Bestande unum-
gänglich erforderlichen höchsten Autorität des
Staates gegenüber von Allem, waö auf stinem
GebieL besteht. Selbst wenn man um des
licben Friedens willen hierin nachgeben.wollte,
würde man über kurz oder lang an den Folgen
einer solchen Staatsweisheit die alte Erfahrung
machen, daß zwei Souveräne unmöglich auf
ein und demselbcn Gebiete bestehen, und daß
folglich in einem Staate nicht die Aufstellung
eines zweiten- geduldet werden dürfe. (S. M.)

Darmstadt, 24. Nov. Unter dem Wider-
jpruch der Regierung entjchied heute die zweite
Kammer durch Stimmenmehrheit, daß der
Staatsanwaltjchast gegen sreijprechende Er-
kenntnisse der Gerichte die Appellation nicht
zustehe. Diese beveutungsvolle Principienfrage
entscheidet wahrscheinlich das Schicksal des Ent-
wurfs.

Frankfurt, 20. Nov. Verschiedene Blätter
bringen aus guter Quelle die Nachricht, daß
Professor Hofrath Dr. Zöpfl in Heidolberg der
Verfasser der Denkschrift ist, welche der Prinz
Friedrich Wilhclm von Hessen zur näheren Be-
gründung seiner Erbansprüche an Lauenburg
in der letzten Sitzung der Bundesversammlung
hat überreichen lassen.

Berlin, 17. Novbr. Ueber die Stellung
zur künstigen Gestaitung der Herzogthümer
sollen im L>taatsministerium Beschlüsse noch
nicht gesaßt worden sein; ein eigenhändiges
Schreiben des Herzogs Friedrich an den König
soll einen günstigen Ciudruck gemacht haben.
Bestanden wird diesseits aus dem militärijchen
und maritimen, weniger auf dem diplomatijchen
Anschluß.

Bern, 13. Nov. Wir theilen im Nachfolgenden
nach oem „Bund" die Abschiedsbriefe des Dr. Her-
mann Dcmme und seiner Verlobten, den Haupt-
zügen nach, mit:

Frciburg, den 13. Nov. 1864.*)
Theure Eltern und Brüder! Wohl weiß ich, daß
Euch die Nachricht von meinem Tode, welche ich
Euch hierdurch gebe, mit namenlosem Schmerz er-
füllen wird. Aber ich weiß auch, daß Eure un-
wandelbare Liebe zu mir die flehentliche Bitte um
Vergcbung erfüllen wird. Der Schritt, dessen Er-
fülluug dieses Blatt Euch mrldet, ist nicht lcicht
hinweg, sondern mit ruhiger Ueberlegung und nach
sorgfälttger Erwägung aller Verhältnisse geschehen.
Mrine Erislenz ist durch die furchtbaren Erlebniffe
dieses Zahres zertrümmert! Jch wollte den Kampf
nicht feige aufgeben. Jch wollte meincm Bewußt-
sein ber Unschuld, trotz aüer furchtbaren Compli-

*) Das Eouvcrt trug den Poststempel „I.susanne
17. IVov. 8oir." Die umfassenbsten und uwsichlig-
sten Nachforschungen haben die letzte Spur der
Unglücklichen am 17. Nov. nach Mittag in Ouchy
nachgrwiesen.

cationen, den Sieg verschaffen und habe deshalb
ausgeharrt, so lange meine und meiner Familie
Ehre bedroht war. Nie aber vermag ich mich wiedcr
von den Wunden zu erholen, die meine ärztliche
Ehre durch den Richterspruch so ungerechter Art
erlitten hat. Meine Feinde waren durch all' das
Elend, das ich biescs Zahr erduldet, nicht befrie-
digt. Sie haben mich bis zum letzten Augenblick
verfolgt, mir sogar duS Wcsen von der Scite
reißen wollen, daS treu in allen Stürmen mit mir
ausgehalten hat und das ich vergeblich beschwor,
diesen letzten Schritt nicht mit mir zu thun.

Daß ich nie mehr glücklich geworden wäre nach
Dem, waS ich erlitt; daß die Ehre unseres Namens
gerettet ist; daß ich mein Leben, so lang ich es in
Freiheit genoß, nicht vergeudete, sondern nach red-
lichcr Uebcrzcugung in Arbcit nützte — mögen diese
Betrachtungen Euch ein Trost sein, meine Theuern!
Die Trennung von Euck wurde mir furchtbar schwer.
Eö mußte sein. O, habt Dank für die Liebe, für
die Opfer, die Zhr mir gebracht; vergebt mir die
Schmerzen, die ich über Euch brachte! Beklagt unS
nickt, die wir einander treu bis in ben Tod geliebt
haben.

Theure Eltern! Euch vermache ich meinen ge°
sammten kleinen Besitz, und bitte Euch nur, jedem
meiner treu bewährten Freunde eine Erinnerung
zu geben. Meinen Brüdern gebt, was ihnen nützen
kann. Meine pathologisch-anatomische Sammlung
bitte ich nach Würzburg zu verschenken, der Stadt,
in welcker der theure Vater den wichtigsten Theil
seines Lebens zubrackte, und dte mir stets so un-
endlich lieb gewesen ist, — begleitet von. einigen
trcuen ernsten Worten. An B. bitte ich mein Ma-
nuscript zu senden, mit dem Gesuch, einen paffenden
Fortsetzcr und Vollender zu suchen. Falls mein
theurer Vater einen würdigen Nackfolger an der
Klinik findet, so soll derselben mein galvano-kau-
stischer Apparat gesliftet werden, sonst bleibt er in
der Familie. — Dir, mit innigem Abschiedsgruß,
die Uhr auf dem Kamin, welche die Stunden der
schwersten Zeit meinrs Lebens zählte! Zhr begreift,
daß ich in diesem schweren Augenblick nicht an Alles
denken kann, ich vertraue der weisen Einsicht meiner
theuern Eltern, Versäumtes nackzuholen.

Wenn Jhr, theure Eltern und Brüder, metn An-
denken rettet, wenn Zhr in dem Schritte, den ick
that, keine Feigheit, sondcrn das thatkräftige Han-
 
Annotationen