N» L78. Lonntag, -r, Zuli
* Politische Umschau.
Die Klensburger „Norbd Ztg/' will wissen.
daß Prcnßen für die alleinige Besetznng Rends-
bnrgS den Oestcrreichern die Besrtzung Ra-
statts überlassen wcrde,
Nach dem „Ältonadr Merkur," der bekannt-
lich öfter dcn Bundescommissaren als Organ
dient, habe der General v. Hake scine Ent-
lassüng als Commandirender der tHiecutions-
truppen des Bundes verlangt und erhalten.
Eine Correspondenz dcr „Allg. Ztg." auS
München, deren Autor ohne Zweifel in mili-
tärischen Kreisen zu suchen ist, eifcrt in den
heftigsten Worten gegen dre „Mattherzigkeit"
dcs Generallientenant v. Hakc bei den Rends-
bnrgcr Vorfällen. „Mättherzig Protcstiren
(schreibt er) und unter allerlci Vorwänden „der
dlebermacht weichen", das kann jeder Advocaten-
schreiber, dazu braucht man kein Bnndesgeneral
zu sein. Gerade bei dieser Gelegcnheit mnßte
der General v. Hake zergen, daß der Aufeiit-
halt der ExecutionstrupPen in Holstein einen
SiNn habe; er mußte sein Leben (das ohnehin
kriegsrcchtlich verwirkt ist, wofern noch irgcnd-
wklche militärijche Disciplin iu Deutschland be-
sieht) und seiue vier Compagnien bis auf den
lctztcu Mann daran setzen, Rcndsburg zu vcr-
theidigcn, wenn die Preußen wirklich dcn Muth
gchabt hätten, es mit Wassengcwalt zu nchincii."
Jn eincm ans Brnssel datirten Schrcibcn
an die Kreuzzeitnng lehnt dcr dort lcbende Hr.
v. Klindworth, „vormaliger Staatsrath," die
ihm zugeschriebene Autorschast der Depeschen
der Morningpost ab.
Znr Lchleswig-Holstein'siHeii
Eache.
Der preußische Civilcommissär fnr Schleswig,
Herr v. Zcdlitz, bereist die westschleSwig'schen
Jnseln und verhindert dort die Proclamirung
des Hcrzogs von Augusteuburg. — Z»r Grün-
dung einer „schleswig'schen Landesbank" bewer-
ben sich zwet Gcsellschaften. Theilhaber der
einen sind, Baur in Altona, Heine in Hamburg
und zahlreichc Holsteincr Firmen. Theilhaber
der andcren älteren sind die Norddeulsche Bank,
Godefroy in Hamburg, Dvnner in Altona und
inehrere Berliner Banquiers.
Wien, 25. Zuli. Es wäre ein zwar ver-
zeihlicher aber imnierhin ein grober Zrrthum,
zu glauben, die österreichische Rcgierung ware
durch die Bcjctzung RendsburgS durch prcußische
Truppen unangenehin überrascht worden. ES
muß wiederholt werdcn, daß alles , was schon
gcschehen und stch noch ercignen mag, (dasür
sprechen die sichtbarsten Zeichen, wic das Zu-
sanimentrcfscn der svlonarchcn und Minister
der deutschen Großmächtc in Karlsbad und die
Anlvesrnhcit deS Hrn. v. Bismarck hicr in Wien
nach dcr fricdlichcn Cinnahme «on Rendsburg)
nur im vollständigsten Einverständniß zwijchcn
dcn beiden Vormächten Statt sand oder Statt
sinden «ird. Es jcheinen augenblicklich in den
höheren Regioncn Oeslerreichs zwei cinandcr
widerstreitende Strömungen zu herrschen.
(Köln. Z.)
Rendsburg, 25. Zuli. Zn der Delegir-
tenversammlung der schleswig-holsteinischen Ver-
eine, bei welcher 110 Vcreine »ertrcten waren,
ivurdcn säinnitlichc Resolutioncn schließlich in
namentlichcr Abstiminung mit geringer Majo-
rität angenommen. Die von dcr Vcrsainmlung
angenoinmencn Rcjolutionen lauten nunmehri
1) Nachdem die letzten glorreichen Wastenthaten
der deutscheu Großmächte die völlige Niederlage
DineinarkS zur vollendelen Thatsache gemacht
habcn, jpricht die Delegirtenversammlung dcr
schleswig - holsteinischen Vereine daS dringcnde
Verlangen der Bevölkerung auS, daß durch die
jchleunizstc Constituirung deS schl.-h. Staatcs
unter seinem rechtmäßigen Fürsten Herzog
Fricdrich Vlll. dcn jctzigen mit den schwersten
Nächtheilcn vcrbundcnen provisorijchen Zustin-
dcn in kürzestcr Frist ein Ende gemacht werde.
2) Zn nnserem Gewisscn gebundcu durch das
Herzog Fricdrich Vlll. gcleistete Gclöbniß der
Treue, weiscn wir niit Entrüstuug deu Vcrsuch
eines deutschen Fürstcn zurück, gcgen unsercn
und dcs ganzen dentschcn VolkcS Willcn und
gegen unsere Rechtsüberzeugung sich uns als
Landeshcrrn aufzudrängcn. 3) Da nicht die
Delegirtenversammlung der schleswig - holsteini-
schen Vcrcine, sondern einzig und allein Herzog
Friedrich VIII. in Verbindung mit dcr Landes-
vcrtretung kompctent ist, daS Acquivalent zu
bestimmeii, wclchcs Oesterrcich und Preußen
für die dem Lande gcbrachten großen Opser
gcbührt, so wird die schleunigste Einsetzung
unseres Herzogs in die Regierung Schleswig-
Holsteins das sicherste Mittel scin, die Rechte
unsercS LandeS mit dem Znteresse jener Mächte
in vollen Einklang zu bringen, indem Fürst
und Volk ihre Vcrpflichtung anerkennen, im
allgemeinen Znteresse Qpfer bringen zu müssen.
— Die vom AuSschusse vorgeschlagene und nicht
angenommene Resolution lautete: „Durchdrun-
gcn von der lleberzeugung, daß nur eine enge
Verbindnng liiit dem preußischen Staate die
dcutsche Zukunst unsereS Landes für alle Zer-
ten sichert, erklärcn wir, daß wir eine Gemcin-
samkeit dcr diplomatischen, militärischen und
maritimen Einrichtungen mit Freuden begrüßen
«ürden, daß wir abcr an der von unserem
Herzoge beschworenen Verfassung mit dersclben
Treue fcsthalten wie an ihm selbst."
Bcrlin, 28. Zuli. Die „Nordd. Allgem.
Ztg." sagt, Hannover habe als Genugthunng
beantragt, Rendsburg mit hannover'schen
Truppen wieder zu besctzen. Diese Genug-
thuung könne aber Preußen nicht gewährcn,
da dieses die Zurückziehung der Executions-
truppen aus Rendsburg nicht verlangte. Dic
Bcsctzung von RendSburg sei lediglich zur Her-
stellung eines ansrcichenden Schutzes des dor-
tigen jchwachen preußischen Detachements und
dcs preußijchen Lazarethcs und als Garantie
gegen die Wicderkehr der Soldatenexceste er-
jolgt, da diesen das Bundesobercoininando nicht
rasch und energisch genug ein Ziel setzte. Die
Motive, weßhalb die Bundestruppen Rends-
burg gcräumt hätten, seieu nicht verständlich.
Selbstverständlich sci es übrigens, daß Prcußen
gegen die Rückkehr der Executionstruppen nach
RendSburg nichts einzuwenden habe. Der preu-
ßische BundestagSgesandte werde in der hente
auf seinen Wunsch anberauinten Bundestags-
sitzung hierüber eiue Erklärung abgcbcn.
Erlangen, L9. Zuli. Die Schleswig-Hol-
stein-Vereine von Erlangen, Fürth und Nürn-
berg laden die 69 Vereine Bayerns zum An-
schlusse an die anläßlich dcr Besctzung Rends-
durgs gefaßte Resolutivn ein, welchc iauteti
„Es gibt nnr eincn Weg, welcher zugleich den
Schimpf brutaler Vergewaltigung tilgt, Schles-
wig-Holstein zu seinem Rechte verhilft, und
Dcutschland gegen die drohenden Gefahren einer
gewissenloscn Abenteurerpolitik stchert, namlich
die sofortige Einsetzung des rechtmäßigen, vonz
Volke in Schleswig-Holstein einzig und allcin
anerkannten Fürsten, die Einberufung der
schleswig - holsteinischen Landesvertretung und
die Aufbictung der Wehrkraft dieser Herzog-
thümer."
D e u t s ch l a n d.
Karlsruhe, 25. Juli. Erste Kammer.
Fortsetzung dcs vom Minifterialrath Dr. Jolly
erstatleten Commissionsberichts, die mit der
königl. würtembergischen, bezw. der großh. hes-
sischen Negierung abgeschlossenen drei Staats-
vertrage über den Bau und Betrieb mehrerer
Eisenbahnen betr.
Pariser Sittenbild.
Der Pariser Gerichtssaal ist vollgedrängt, man
hat Mühe, einen Platz zu erringen; Staatsanwalt
und Verthetdiger blicken, ehe der Gericktshof im
Saale erscheint, mit fichtbarer Ncugierde auf das
Auditorium, welches von glänzenden Toiletten
strahlt, so daß man fich einen Augenblick in ein
Schauspirlhaus versetzt glaubt. Man sieht reizcnd
coiffirte Damenköpfe, parfümpuftende Iünglinge
in tadellosen Glacehandschuhen, einige dicke Lebc-
männer mit weinstrahlenden Gesichtern. Die schöne
Welt, welche mit ihren Reizen Handel treibt, hat
sich heute in diesem Saale ein Rendezvous gkgeben,
denn die Angeklagte ist rine Koryphae der Parifer
Hetären, die Geliebte eines rusfischen Fürsten, die,
obwohl erst 18 Sommer alt, in der Obroochue
scsoäaleuse des ncurn Kaiserreichs schon eine große
Rolle spielt.
Artrmifia Lrcomb, so heißt das junge Mädchen,
tritt präcise 10 Uhr in den Saal, ihr Antlitz ist
blaß, die dnnkelblauen Augcn blicken matt, die
enggeschlosienen Rosenlippen umspielt ein graziöses
Lächeln. Das dunkclbraune Haar ergießt sich in
einem Lockenstrome auf den blendendweißen Nacken,
meln unb ein blendendweißer Kragen nebst dito
Manschetten kleiden sie sehr gut. Artemisia nimmt
auf einen Wink ihres Vertheidigers Platz auf der
Bank der Angrklagten. Eine seierliche Pause tritt
ein, die Lorgnetten des Publicums sind auf die
schöne Angeklagte gerichtet. Artemisia fügt sich mit
großkm Geschick in ihre peinliche Lage und beant-
wortet die an sie gerichteten Fragen mit Nuhe und
Fasiung.
Der Staatsanwalt entwickelt die Anklage.
Es war — beginnt er — in den ersten Tagen
dcs dieSjährigen Larnevals, als man in einer ärm-
ltchen Wohnung ein altrs Weib auf einem elenden
Strohlager als Leiche fand. Die Obduction ergab,
daß diese Arme wegen Mangels jeglicher Hilfe und
Nahrung in ihrrr Krankheit an Entkräftung ver-
schied. Eharlotte Lecomb, so hteß vie Bedauerns-
werthr, hatte einst schönere Tage gekannt; ihr Gatte
war in Diensten der verstorbenen Königsfamilie,
der rr treu blieb bis zum Tode, Die verlasscue
Wittwe lebte kümmerltch von ihrer HLnde Arbeit;
sie thcilte das mühselig Erworbene mit ihrem ein-
zigen Kinde, das sie überaus ltebte, es ist dtes die
hier sitzende Angeklagte. Doch Artemtsia hatte kein
dankbares Herz, sie verließ thre Mutter, um in
Pracht, aber auch in Schanbe zu schwelgen. Die
herzlose Tochter ließ bie arme Mutter darben und
elendiglich umkommen. Als bie Mutter dem Sterben
nahe war, wollte sie ihr einziges Kind noch einmal
sehen und umarmen, doch dtes ungerathene Kind
hatte kein Herz für seine Mutter, ja, fie reichte
ihr nicht einmal einen Son, um sie dem Hunger-
tode zu entziehen; sie, deren Mutter in der schreck»
lichsten Lage dem Tode entgegensah, tanzte als
Debardeur in der großen Oper; während die be--
dauernswerthe Mutter im Strrben lag, berauschte
sich die pfiichtvergessene Tochter im Champagner
und ließ dic Mutter vergebens nach einem Trunk
Wasser lechzrn. Der Staatsbehörde fällt zwar nicht
die Aufgabc eines Sittenrichters zu, fie durchdringt
nür ein menschlicheS Gefühl, in ihrer sittlichen
Entrüstung verhüllt fie vor Scham ihr Antlitz vor
solcher Verworfenheit, wie sie das Herz dieser ent-
arteten Tochter birgt, aber als Wächterin drö
* Politische Umschau.
Die Klensburger „Norbd Ztg/' will wissen.
daß Prcnßen für die alleinige Besetznng Rends-
bnrgS den Oestcrreichern die Besrtzung Ra-
statts überlassen wcrde,
Nach dem „Ältonadr Merkur," der bekannt-
lich öfter dcn Bundescommissaren als Organ
dient, habe der General v. Hake scine Ent-
lassüng als Commandirender der tHiecutions-
truppen des Bundes verlangt und erhalten.
Eine Correspondenz dcr „Allg. Ztg." auS
München, deren Autor ohne Zweifel in mili-
tärischen Kreisen zu suchen ist, eifcrt in den
heftigsten Worten gegen dre „Mattherzigkeit"
dcs Generallientenant v. Hakc bei den Rends-
bnrgcr Vorfällen. „Mättherzig Protcstiren
(schreibt er) und unter allerlci Vorwänden „der
dlebermacht weichen", das kann jeder Advocaten-
schreiber, dazu braucht man kein Bnndesgeneral
zu sein. Gerade bei dieser Gelegcnheit mnßte
der General v. Hake zergen, daß der Aufeiit-
halt der ExecutionstrupPen in Holstein einen
SiNn habe; er mußte sein Leben (das ohnehin
kriegsrcchtlich verwirkt ist, wofern noch irgcnd-
wklche militärijche Disciplin iu Deutschland be-
sieht) und seiue vier Compagnien bis auf den
lctztcu Mann daran setzen, Rcndsburg zu vcr-
theidigcn, wenn die Preußen wirklich dcn Muth
gchabt hätten, es mit Wassengcwalt zu nchincii."
Jn eincm ans Brnssel datirten Schrcibcn
an die Kreuzzeitnng lehnt dcr dort lcbende Hr.
v. Klindworth, „vormaliger Staatsrath," die
ihm zugeschriebene Autorschast der Depeschen
der Morningpost ab.
Znr Lchleswig-Holstein'siHeii
Eache.
Der preußische Civilcommissär fnr Schleswig,
Herr v. Zcdlitz, bereist die westschleSwig'schen
Jnseln und verhindert dort die Proclamirung
des Hcrzogs von Augusteuburg. — Z»r Grün-
dung einer „schleswig'schen Landesbank" bewer-
ben sich zwet Gcsellschaften. Theilhaber der
einen sind, Baur in Altona, Heine in Hamburg
und zahlreichc Holsteincr Firmen. Theilhaber
der andcren älteren sind die Norddeulsche Bank,
Godefroy in Hamburg, Dvnner in Altona und
inehrere Berliner Banquiers.
Wien, 25. Zuli. Es wäre ein zwar ver-
zeihlicher aber imnierhin ein grober Zrrthum,
zu glauben, die österreichische Rcgierung ware
durch die Bcjctzung RendsburgS durch prcußische
Truppen unangenehin überrascht worden. ES
muß wiederholt werdcn, daß alles , was schon
gcschehen und stch noch ercignen mag, (dasür
sprechen die sichtbarsten Zeichen, wic das Zu-
sanimentrcfscn der svlonarchcn und Minister
der deutschen Großmächtc in Karlsbad und die
Anlvesrnhcit deS Hrn. v. Bismarck hicr in Wien
nach dcr fricdlichcn Cinnahme «on Rendsburg)
nur im vollständigsten Einverständniß zwijchcn
dcn beiden Vormächten Statt sand oder Statt
sinden «ird. Es jcheinen augenblicklich in den
höheren Regioncn Oeslerreichs zwei cinandcr
widerstreitende Strömungen zu herrschen.
(Köln. Z.)
Rendsburg, 25. Zuli. Zn der Delegir-
tenversammlung der schleswig-holsteinischen Ver-
eine, bei welcher 110 Vcreine »ertrcten waren,
ivurdcn säinnitlichc Resolutioncn schließlich in
namentlichcr Abstiminung mit geringer Majo-
rität angenommen. Die von dcr Vcrsainmlung
angenoinmencn Rcjolutionen lauten nunmehri
1) Nachdem die letzten glorreichen Wastenthaten
der deutscheu Großmächte die völlige Niederlage
DineinarkS zur vollendelen Thatsache gemacht
habcn, jpricht die Delegirtenversammlung dcr
schleswig - holsteinischen Vereine daS dringcnde
Verlangen der Bevölkerung auS, daß durch die
jchleunizstc Constituirung deS schl.-h. Staatcs
unter seinem rechtmäßigen Fürsten Herzog
Fricdrich Vlll. dcn jctzigen mit den schwersten
Nächtheilcn vcrbundcnen provisorijchen Zustin-
dcn in kürzestcr Frist ein Ende gemacht werde.
2) Zn nnserem Gewisscn gebundcu durch das
Herzog Fricdrich Vlll. gcleistete Gclöbniß der
Treue, weiscn wir niit Entrüstuug deu Vcrsuch
eines deutschen Fürstcn zurück, gcgen unsercn
und dcs ganzen dentschcn VolkcS Willcn und
gegen unsere Rechtsüberzeugung sich uns als
Landeshcrrn aufzudrängcn. 3) Da nicht die
Delegirtenversammlung der schleswig - holsteini-
schen Vcrcine, sondern einzig und allein Herzog
Friedrich VIII. in Verbindung mit dcr Landes-
vcrtretung kompctent ist, daS Acquivalent zu
bestimmeii, wclchcs Oesterrcich und Preußen
für die dem Lande gcbrachten großen Opser
gcbührt, so wird die schleunigste Einsetzung
unseres Herzogs in die Regierung Schleswig-
Holsteins das sicherste Mittel scin, die Rechte
unsercS LandeS mit dem Znteresse jener Mächte
in vollen Einklang zu bringen, indem Fürst
und Volk ihre Vcrpflichtung anerkennen, im
allgemeinen Znteresse Qpfer bringen zu müssen.
— Die vom AuSschusse vorgeschlagene und nicht
angenommene Resolution lautete: „Durchdrun-
gcn von der lleberzeugung, daß nur eine enge
Verbindnng liiit dem preußischen Staate die
dcutsche Zukunst unsereS Landes für alle Zer-
ten sichert, erklärcn wir, daß wir eine Gemcin-
samkeit dcr diplomatischen, militärischen und
maritimen Einrichtungen mit Freuden begrüßen
«ürden, daß wir abcr an der von unserem
Herzoge beschworenen Verfassung mit dersclben
Treue fcsthalten wie an ihm selbst."
Bcrlin, 28. Zuli. Die „Nordd. Allgem.
Ztg." sagt, Hannover habe als Genugthunng
beantragt, Rendsburg mit hannover'schen
Truppen wieder zu besctzen. Diese Genug-
thuung könne aber Preußen nicht gewährcn,
da dieses die Zurückziehung der Executions-
truppen aus Rendsburg nicht verlangte. Dic
Bcsctzung von RendSburg sei lediglich zur Her-
stellung eines ansrcichenden Schutzes des dor-
tigen jchwachen preußischen Detachements und
dcs preußijchen Lazarethcs und als Garantie
gegen die Wicderkehr der Soldatenexceste er-
jolgt, da diesen das Bundesobercoininando nicht
rasch und energisch genug ein Ziel setzte. Die
Motive, weßhalb die Bundestruppen Rends-
burg gcräumt hätten, seieu nicht verständlich.
Selbstverständlich sci es übrigens, daß Prcußen
gegen die Rückkehr der Executionstruppen nach
RendSburg nichts einzuwenden habe. Der preu-
ßische BundestagSgesandte werde in der hente
auf seinen Wunsch anberauinten Bundestags-
sitzung hierüber eiue Erklärung abgcbcn.
Erlangen, L9. Zuli. Die Schleswig-Hol-
stein-Vereine von Erlangen, Fürth und Nürn-
berg laden die 69 Vereine Bayerns zum An-
schlusse an die anläßlich dcr Besctzung Rends-
durgs gefaßte Resolutivn ein, welchc iauteti
„Es gibt nnr eincn Weg, welcher zugleich den
Schimpf brutaler Vergewaltigung tilgt, Schles-
wig-Holstein zu seinem Rechte verhilft, und
Dcutschland gegen die drohenden Gefahren einer
gewissenloscn Abenteurerpolitik stchert, namlich
die sofortige Einsetzung des rechtmäßigen, vonz
Volke in Schleswig-Holstein einzig und allcin
anerkannten Fürsten, die Einberufung der
schleswig - holsteinischen Landesvertretung und
die Aufbictung der Wehrkraft dieser Herzog-
thümer."
D e u t s ch l a n d.
Karlsruhe, 25. Juli. Erste Kammer.
Fortsetzung dcs vom Minifterialrath Dr. Jolly
erstatleten Commissionsberichts, die mit der
königl. würtembergischen, bezw. der großh. hes-
sischen Negierung abgeschlossenen drei Staats-
vertrage über den Bau und Betrieb mehrerer
Eisenbahnen betr.
Pariser Sittenbild.
Der Pariser Gerichtssaal ist vollgedrängt, man
hat Mühe, einen Platz zu erringen; Staatsanwalt
und Verthetdiger blicken, ehe der Gericktshof im
Saale erscheint, mit fichtbarer Ncugierde auf das
Auditorium, welches von glänzenden Toiletten
strahlt, so daß man fich einen Augenblick in ein
Schauspirlhaus versetzt glaubt. Man sieht reizcnd
coiffirte Damenköpfe, parfümpuftende Iünglinge
in tadellosen Glacehandschuhen, einige dicke Lebc-
männer mit weinstrahlenden Gesichtern. Die schöne
Welt, welche mit ihren Reizen Handel treibt, hat
sich heute in diesem Saale ein Rendezvous gkgeben,
denn die Angeklagte ist rine Koryphae der Parifer
Hetären, die Geliebte eines rusfischen Fürsten, die,
obwohl erst 18 Sommer alt, in der Obroochue
scsoäaleuse des ncurn Kaiserreichs schon eine große
Rolle spielt.
Artrmifia Lrcomb, so heißt das junge Mädchen,
tritt präcise 10 Uhr in den Saal, ihr Antlitz ist
blaß, die dnnkelblauen Augcn blicken matt, die
enggeschlosienen Rosenlippen umspielt ein graziöses
Lächeln. Das dunkclbraune Haar ergießt sich in
einem Lockenstrome auf den blendendweißen Nacken,
meln unb ein blendendweißer Kragen nebst dito
Manschetten kleiden sie sehr gut. Artemisia nimmt
auf einen Wink ihres Vertheidigers Platz auf der
Bank der Angrklagten. Eine seierliche Pause tritt
ein, die Lorgnetten des Publicums sind auf die
schöne Angeklagte gerichtet. Artemisia fügt sich mit
großkm Geschick in ihre peinliche Lage und beant-
wortet die an sie gerichteten Fragen mit Nuhe und
Fasiung.
Der Staatsanwalt entwickelt die Anklage.
Es war — beginnt er — in den ersten Tagen
dcs dieSjährigen Larnevals, als man in einer ärm-
ltchen Wohnung ein altrs Weib auf einem elenden
Strohlager als Leiche fand. Die Obduction ergab,
daß diese Arme wegen Mangels jeglicher Hilfe und
Nahrung in ihrrr Krankheit an Entkräftung ver-
schied. Eharlotte Lecomb, so hteß vie Bedauerns-
werthr, hatte einst schönere Tage gekannt; ihr Gatte
war in Diensten der verstorbenen Königsfamilie,
der rr treu blieb bis zum Tode, Die verlasscue
Wittwe lebte kümmerltch von ihrer HLnde Arbeit;
sie thcilte das mühselig Erworbene mit ihrem ein-
zigen Kinde, das sie überaus ltebte, es ist dtes die
hier sitzende Angeklagte. Doch Artemtsia hatte kein
dankbares Herz, sie verließ thre Mutter, um in
Pracht, aber auch in Schanbe zu schwelgen. Die
herzlose Tochter ließ bie arme Mutter darben und
elendiglich umkommen. Als bie Mutter dem Sterben
nahe war, wollte sie ihr einziges Kind noch einmal
sehen und umarmen, doch dtes ungerathene Kind
hatte kein Herz für seine Mutter, ja, fie reichte
ihr nicht einmal einen Son, um sie dem Hunger-
tode zu entziehen; sie, deren Mutter in der schreck»
lichsten Lage dem Tode entgegensah, tanzte als
Debardeur in der großen Oper; während die be--
dauernswerthe Mutter im Strrben lag, berauschte
sich die pfiichtvergessene Tochter im Champagner
und ließ dic Mutter vergebens nach einem Trunk
Wasser lechzrn. Der Staatsbehörde fällt zwar nicht
die Aufgabc eines Sittenrichters zu, fie durchdringt
nür ein menschlicheS Gefühl, in ihrer sittlichen
Entrüstung verhüllt fie vor Scham ihr Antlitz vor
solcher Verworfenheit, wie sie das Herz dieser ent-
arteten Tochter birgt, aber als Wächterin drö