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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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https://doi.org/10.11588/diglit.2828#0387

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Utidklbkrgrr Irituilg.

Äd: 2L8. Freitag, S». October

* Politische Umschaii.

Am 15. October ist zu Berlin der Congreß
von Fachmännern für die mitteleuropäische
Gradmessung zusammengetreteu.

Wie der „D. A. Z." aus Paris geschrieben
wird, versichert man dort, daß Preußen weiter
gegangen sei, als bis zu der Erklärung, daß
cö nicht daran deuke und nie daran gedacht
habe, Oesterreich seine uicht zum Deutschen
Bunde gehörigen Provinzen zu garantiren, daß
es sich vielmehr geneigt zeige, sich förmlich zu
* einer neutralcn Haltung im Fall eines Krieges
um Venetien zu verpflichten, wenn ihm Frank-
reich ganz freie Hand in Deutschland lasie und
wedcr Cinwendnngen noch Entschädigungsan-
sprüche mache, falls Preußen sich vergrößerte.
Herr Benedetti soll einen fertig auögearbeiteten
Plan bezüglich dieses Gegenstandes nach Berlin
mitnehmen, der zum Zweck habe, Preußen für
die italienisch - sranzösische Coalition zu gewin-
nen; daran sei nichl zu zweifeln, daß man in
Berlin Oesterreich im Stiche zu lassen sich be-
reit zeigt."

Die „Börsenzeitung" bringt folgendes Tele-
gramm aus Hamburg vom 17.: Nach einer
Mittheilung des „Unparth. Corresp.", anschei-
nend officiöjen Ursprunges, soll der preußische
Admiral, Prinz Adalbert, die Reise an den
OldenburgischenHos auf specielleu Wunsch
des Königs von Preußen unternommen haven.

Der Umfang der eingeleiteten Aemeereduc-
tion in Oesterreich wird von der „Ostd. Post"
auf 52,000 Mann angegeben, wobei jedoch zu
berücksichtigen ist, daß keine eigcntliche Reduc-
tion, sondern lediglich Beurlaubungen stattsin-
den, welche ohnehin bei der nächsten Rekruten-
aushebung nöthig geworden sein würven.

Der „Tagesbote aus Böhmen" bringt fol-
gende überraschende Mittheilungen aus Wien:
„Die Rcgierung hat sich zu einem Schritte ent-
schlossen, welcher vieüeicht die Vereinigung mit
Ungarn herbeiführen wird. Der -Dtaatsmini-
ster ift mit dem eiuverstanden. Die politische
und Zustizorgauisation in Ungarn wird mit
möglichster Beschleunigung durchgeführt und
dann die Ausschreibung der Wahlen für den
ungarischen Landtag vorgenommen werden.
Dem Landtage wird dann die Verfassungsur-
kunde vom 26. Februar zur Beschlußfassung
und Annahme vorgelegt werden; das Staats-
miuisterium aber wird die vom ungarijcht»
Landtage zu treffenden Abänderungen an dieser
Urkunde entgegennehmen und zwischen den Po-
stulaten des ungarischen Landtages und den
Regierungsansichten eine TranSaction ermög-

lichen, d. h. mit anderen Worten: in eine Ab-
änderung der Verfassungsurkunde willigen. Jst
diese Transaction vollendete Thatsache gewor-
den, so wird die regenerirte Verfassungsurkunde
dem Reichsrathc zur Bcgutachtung vorgelegt
werden. Auf diesem Wege, auf welchem die
Regierung den Ungarn die Hand bietet, glaubt
man auch Ungarn in die Reichsvertrctung ein-
treten zu sehen, doch wird es klar sein, daß im
besten Falle, wenn dic Nachgiebigkeit auf bei-
den Sciten noch so groß ist, der Eintritt durch
diesen Jnstanzenweg ein freilich vcrzögerter sein
wird."

Dic „Epoca" behauptet, der Erbgroßherzog
von Toscana habe eine Protestatiou erlassen
gegen die Errichtung der Hauptstadt dcs König-
reichs Jtalien zu Florenz. Er berufe sich da-
bei auf'die im Vertrage von Zürich ihm vor-
behaltenen Rechte.

Aus Athen wird berichtet, die Heftigkeit der
Opposition in der Nationalversammlung steige
immer mehr. Das allgemeine Stimmrecht ward
übrigens angenommen.

Zur Lchleswig-Holstenr'schel»
Lache.

Hamburg, 15. Oct. Liberale in Schles-
wig und Holstein beginnen nun eine offene
Agitatioiz für den Anschluß der Herzogthümer
an Preußen. Advokat Wiggers in Rendsburg,
ein Führer dieser Partei, reiste gestern nach
Berlin, um einer Aunullirung der September-
Verfassnng und den Bestrebungen Ahlcfeld's
für den Augustenburger entgegcn zu wirken.

Berlin. 19 Oct. Die „Provinzialcorre-
spondenz" fagt. daß nach dem Friedensschluß
cine vorläufige Anordnung über die an Oester-
reich und Preußen übergehende Regierung und
Verwaltung der Herzogthümer erfolgen und
alsdann zur Entjcheidung der Erbfolgefrage
geschrittcn werde. Hierzu werde eine Versamm-
lung von RechtSgelehrten durch Preußen und
Oesterreich im Einverständniß mit dem Bunvc
zu berufcn sein. Alle Zeitungsangaben über
Bevorzugung der Erbansprüche des einen oder
des anoern Fürsten Seitcns der preußischen
Regierung beruhten lediglich auf Vermuthungcn
oder Sonderbestrebungen, die Preußen fremd
seien. Vorerst sei der Rechtsspruch abzuwarten
und dann unter gebührender Berücksichtigung
desselben und unter Erwägung der Jnteressen
der Gesammtheit und Preußens der Endent-
schluß zu fasseu.


Deutschland.

Karlsruhe, 19. Ocr. Dienstnachrichten.
Se. Königl. Hol^it der Großherzog haben
Sich mittelst höchster Entschließung aus großh.
Staatsministerium vom 14. d. M. gnädigst
bewogen gefunden: den Assessor Franz Siegel
bei dem Oberschulrath zum Oberschulrath, den
Amtmann Wilhelm Nokk von Heidelberg zum
Assessor, und den Revidenten Guido Krapf von
Rastatt zum Secretär bei dem Oberschulrath
zu ernennen; den Karl Damm am Pädago-
gium und der höhern Bürgerschule in Pforz-
heim als Professor mit Staatsdienereigenschaft
anzustellen; den ernannten Revisor am Ver-
waltungshof, Regierungsregistrator Stahl in
Mannheim, dem Landescommissär mit dem
Wvhnsitz in Mannheim provisorisch beizugeben;
den ernannten Revisor am Verwaltungshof,
Rechnungsrath Friedrich Lenz, seinem unter-
thänigsten Ansuchen gemäß in den Ruhestand
zu versetzen.

Karlsrube, 17. Oct. Man versichert, daß
die Regierung ein sehr scharfes Augenmerk auf
diejenigen Geistlichen richte, die sich bei der
herrschcnden Kanzel - Beredtsamkcit gegen das
Schulgesetz besonderS stark hervorthun. Bei
den zahlreichen dem landesherrlichen Patronat
unterliegenden Pfarrpfründen liegt es auf flachcr
Hand, daß man nicht diejenigen auswählen
wird, die sich als geschworne Feinde des Staais-
wesens zu erkennen geben. (S. M.)

Karlsruhe» 19. Oct. (Die Wahlen in
den Ortsschulrath.) Seit unserer letzten Mit-
theilung vom 14. d. sind die Berichte über gil-
tige Wahlen für weitere 142 (97 kathol.. 39
evang., 6 israel.) Volksschulen eingelaufen. ES
haben im Ganzen nunmehr bereits über zwei-
undvierzigtausend Familienvorstände (42,078)
durch Äusübung ihres Wahlrechtes 1074 (650
kathol., 398 evang., 26 israel.) Ortsschulräthe
constituiren helfen.

Aus ?Laden, 16. Oct. Jn der bisherigen
Organisation unseres Medicinalwesens ist eine
nicht unwichtige Veränderung eingetreten, in-
dem die mit der Leitung desselben betraute
technische Stelle, die sog. Sanitätöcommission
zu Karlsruhe, eine den Grundsätzen unserer
neuen Gesetzgebung entsprechende Einrichtung
erhält und der Geschäftökreis derselben erwei-
tert wird. Nach einer so eben erschienenen
landesherrl. Verordnung sührt die Sanitäts-
commission künftig den ihrer Stellung als
Mittelstelle entsprechenden Namen „Großher-
zogl. Obermedicinalrath," und bleibt dem Mi«
nisterium des Jnnern untergeordnet. Sie be.

Ein Iagdabenteuer. *)

Die schöne Zeit deS Octobers und NovemberS,
die mich sonst im Felde umhcrstreifcnd oder im
Walde pürschcnd fand, bringt mir seit Iahren statt
deS edlen Waidvergnügens nichts als Gichtschmrr-
zen, und verdroffen sitze ich, mir und Anderen zur
Last, in meiner Stube, der lustigen Zcit geden-
kend, alS ich den Rcbhühnern, Hasen, Rehen und
andcrem Gewild das Dasein nicht wenig gefährdcte.
Lampe schlägt vor Freude einige Purzelbäulne, weil
der Todfeind seines Geschlcchts in dunkler Ecke zu
Hausc sitzt und ihm nichtS mehr anhaben kann. j

Ia, lieber Lampe, ich bin nun ein Anvalide, !

possirliche und auch jene gemischte Art, die man ?
die tragikomische nennt.

Das Abenteuer, das ich hier erzählen will, ge- ^
hört wohl zur lctzten Gattung, und daS Tragischc

*) AuS der „Presse".

als ich es erlebte.

Jch hatte der Einladung eineS meiner Freunde,
den ich Hcinrich nennen will, Folge geleistet und
lebte seit acht Tagen auf seinem Gute im nord-
östlichen Böhmen.

Die Iagd war gut, und Heinrich konnte mit
Recht auf seinen Wildstand ftolz setn, den bedeu-
tendsten in der ganzen Umgegend. Wir waren eines
AbcndS von der Jagd nach Hause gekommen, saßen
beim Glase Wein und vertheilten die erlegte Beute.

„Also laß unS zahlen", fing Heinrich an, „zehn
Hasen, dreizehn Rebhühner, zwei Fasanen und drei
Waldtauben — ich will wetten, wir hätten iweimal
so viel geschoffen, wenn die vervammten Wilddiebe
nicht wären."

„Aber", sagte ich — wir hatten einen Streit
wegen des einen Fasans — „so viel steht fest, daß
der zweite Fasan von rechtswegrn mir gehört; ich
hatte ihn mit meinem Schuffe flügellahm gemackt
und war seiner sicher; das arme Thier hätte Deines
Schuffes ganz gut entbehren können."

„Unsinn; er wäre Dir ficher in seiner tückischen
Weise davongeflogen. Solche Schüffe, wie die
Deinen, genügen den Rebhühnern; abcr um einem
Fasan Vernunft einzubringen, muß man die La-
dung stärker nehmen."

Ich wußte aus langjähriger Erfahrung, daß in
dieser Beziehung mein Freund seinen eigenen Weg
wandelte und sein Gemüth allen Beweisgründen
verschloffen blieb. Ich machte daher aus der Noth
einc Tugend und überließ ihm großmüthig den
Gegenstand des StreiteS. Freund Heinrich war,
bis auf einzelne Fehler und Eigenheiten, ein ganz
guter Bursche, mit dem sich's prächttg auskommen
ließ. Wir waren Studiengenoffen, bts ihn ein
freundlichcr Blick Fortuna'S traf und ein reicher
Onkel ihm ein schönes, waldreiches Gut hinterließ.
Abgesehen von einer gewiffen Selbstliebe, die dem
respectablen Gutsbesitzer übrigens gar nicht übel
stand, und bei dem Umstande, daß er vcrheirathet
war, blicb Heinrich der alte gemüthliche Jnnge.
Die Angelegenheit mit dcm Fasan war geordnet,
und wir überließen uns mit der nöthigen Ruhe
und Selbstzufriedenhett, wie sie nur ein guteS
Gewissen geben kann, dem Vergnügen des Trin-
 
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