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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 283-308 December
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UMlbtrgrr Ztilung.

N; 308


Tamstag, 31 December


* Politische ttmscha«.

Die Eröffnungen, welche der Prcußische Ge<
jandte Hx. v. Werther in Wien zu machcn be-
auftragt war, haben im Gcgenjatz zn srühereu
Erwartungen die Ueberzeugnng begründen müj-
sen, daß Preußen fortgesetzt eine Stellung für
sich in den Herzogthümern in Aussicht nehme,
welche ben künftigen Souverän derjelben der
wesentlichen Attribute der Souveränetät ent<
kleiden würde. Diese Sachlage ist, wie die
„K. Z." berichtet, für das österrcichische Ca-
binet die Veraiilassung gewejen, unter dem
Datuin vvm 22. December cinc Dehesche an
den österrcichischen Gesandten in Berlin zu
richten, welche der dortigen Regicrung in be-
stiminten Ausdrücken zu wiederholen den Zweck
hat, daß Oesterreich unter allen Um-
ständen keine Lösnng anzunehmcn,
geschweige denn zu sördern in der
Lage sci, weli^ nicht die Constitui-
rung eines wirklich souveränen Staa<
tes, der seincn bundesmäßigen Vcr-
Pjlichtungen selbstständig und voll zu
genügen vermöge, zur Grnndlage und
zum ÄusgangSpunkt habc.

Die Großwähler dcs Grundbesitzes und oer
Zndustrie im Herzogthnm Nassau «ählten
jämmtlich liberal.

Jn Wiesbaden geht nach der „Mittelrhein.
Ztg." das Gerücht, daß an die Stclle des Hrn.
Wcrren, Geh. Regierungsrath Hendel von dem
Herzog znm Regierungsdirector ernannt wor-
den sei.

liche Erzbischöse Baherns aus Anlaß der be-
kannten Vorgänge in Speher eine Beschwerde
an den König zu richten beschlossen. Um der
Sache größeren Nachdruck zu gcbeu, werden
gleichzeitig bei der gesammten Clerisei BahcrnS
Adressen an den Papst über dieselbe Angelegen-
heit in Umlauf gesetzt wcrden. — Eine neue
Sorge für t>en armen Papst, der Andern
helsen soll nnd doch sich s-lbst nicht zu helfcn
weiß.

Der Termin sür die Einsührung des neuen
Tarifs ist auf den 1. Juli 1865 statt 1. April
bcstiinmt, da mehrere deutschc Kammern, z. B.
die Kammern von Bayern, Würtcmberg, Han-
nover, Naffau, dem Vertragc mit Frankreich
ihre Genehmigung noch nicht ertheilt haben,
der Termin sür AuSwechsclung der Ratisicatio-
neu mit Frankreich daher nicht mit Beftimmt-
heit festgeftellt wcrden und dcr Artikcl 33 des
VertrageS in Folge dessen nicht zur Aiiwendung
kommcn konnte.

Nach dem „Dresdmer Zournal" wird dem-
nächst die der Bambergcr Conferenz vorange-
gangene Correspondenz »eröffcntlicht werden.

Wie die „Magdedurger Zcitung" meldet,
wird die königliche Ordre zur Einberufung
des Landtags, wie man allgemein annimmt,
durch den „Staatsaiizeiger". noch in dieser
Woche -publicirt wersen. Die Bureaux der
beiden Kammcru ernartcn die Znstruclionen
deS Minifters dcs Jnnern stündlich. Jn con-
scrvativen Kreisen sieht man die bevorftehcnde
Sesston als den letzten Verjuch der Staats-
Regierung zu ciner Berständigung mit dem
Abgeordnetenhause an, und da nur dic wenig-
sten an einen sriedlichen Ausgang des beftehen-
den Couflictes glauhen, so wird eifriger wie je
die Frage discutirt, was alsdann gcschehen
werde, Wir gchen gewiß einer sehr ernsten
Zeit entgegcn.

Z»r LchleSwtg-Holsteiii'sche»
Tache.

Kiel, 28. Dec. Augenblicklich ist man hicr
mit den Borbereitungen znr feftlichen Begehung
dcS 30. Dec. d. Z., dem Zahrcstag des Ein-
treffens des Erbprinzeu von Augustenburg,
eisrig beschäftigt. Es wird nicht allein an
diesem Tag die Stadt im Flaggenschmiick pran-
gen, sondern es werden auch Auszügc der
schleswig-holsteinischen Kampfgcnosjen und »er-
schiedener Kewerkc, sowie AbendS eine allge-
meine Jlluminatioii staltfinden.

Bkien, 21. Dezbr. Als Resultat dcr Be-

bcrg und Frankfurt erfährt die „R. F. Ztg."
Folgendes: Dic Regierungcn von Bahrrn,
Sachsen, Württembcrg und Hessen bestreiten
allerdings von ihrcm Staiidpuntte aus nach
wie vor die Theorie von dcm österreichisch-
preußischen Erwcrb factischer Besitzrcchte in den
Herzogthümern dnrch den FriedcnSvcrtrag, wcr-
dcn aber, falls Oesterreichs dieser Tage wieder-
holt nach Berlin adgegangeiier Vorschlag, auf
den Herzog von Augusteiiburg jene sactischen
Besitztitel zu übertragen, von Preußen ange-
noiniiien würde, am Bunde keinen Widerspruch
hervorrufen, vorauSgesctzt, daß dcmselben nach
Oesterreichs Jntention hierdurch kein Präjudiz
erwächst. Die Folge würde dann sein, daß der
Buud sofort dcn Vertreter des faclischcn Her-
zogs als legitimirt zur Führung dcr holstcin-
lauenburgischen Stimme aiierkenuen könnte.
Würden sich dann gegen den sactischcn Besitzer
Einsprüche erheben, so könntc die Bundcsver-
sammlung ein Äufträgalgericht oder ein

Schiedsgericht bernfen; meldet sich aber kein
anderer Prätendent, so ist die Frage überhanpt
erledigt.

Wicn, 28. Dec. Preußen verlangt, daß
vor der Lösung der Erbsolgefrage sein Ver-
hältniß zu ccn H-rzogthümern festgestellt werde,
und zwar soll die Feststellung nur mit Oester-
reich erfolgen.

Äus Holstcin, 28. Dez. Jn den einzel-
nen Ortschasten rühren sich die politischen
Vereine, um Anzesichts der preußischen Vcr-
geivaltigungsversuche ihren Entschluß kund zu
geben, unter allcn Umständen am Rechte des
Landes und der Bevölkerung festhalten zu
wollen. Erklärungen in diesem Sinne wurden
zu Oldensworth, Segeberg und Welt abgegcben ;
in dem letztereu Orte fügte man der Erklärung
die fvlgende Clausel hinzu: „Wir sind dem
Könige Christian IX. von Dänemark niemals
Unterthanentreue schuldig gewesen und brauchen
deshalb nicht von derselben entbunden zn wer-
den. Wir protestircn dagegen, daß ihm jemals
Regierungsrechte und Disposilionsbefugnisse
über die Herzogthümcr rechtlich zugestanden
haben. Niemand aber kann mehr Rechte auf
Andere übcrtragen, als er selbst hat — deshalb
weisen wir eine Annexion an Preußen entschie-
den zurnck." — Die Adresse Scheel-Plessen's
und Genosscn — die bis jetzt nur 18 Unter-
schrifteu zählt — findet heute iu der S. H. Z.
eine scharst Belcuchtung, welche hervorhcbt, daß
die Adresse NichtS weiter al« ein verkapptcs
Aiinepionsvvtuiii ist.

Ftensburg, 2S. Dez. Die „Norddeutsche
Zeilung" berichtet, als knnstiger RegieriingSsitz
sei die Stadt SchtcSwig auscrsehen, uud die
Uebersicdclung der Civilcommissare werde in
der Woche nach Nenjahr stattfinden.

D e u t s ch l a n d.

Aus Nassau, 26. Dez. Es ist trotz aller
Widerlegungen richtig, daß Hr. Regierungs-
director Werren von der Ausübung des Wahl-
rechtes durch die Wahlversammlung ausge-
schlossen wurde und zwar wegen Bescholtenheit.
Die letztere veruht auf einer gegen Hrn. Werren
eingeleileten Untersuchung wegen Zinswucher.
Die Untersuchung aber fällt in die Zeit von
1865 «auf 1856, in welcher Hr. General Her?
genhahn Kriegsminister in Nassau war. Nun
behaupten die Freunde des Hrn. Werren, daß
bei dem Kriegsdepartement Acten über die
Zinswuchergeschichte überhaupt nicht existirten
und die als Berichtigung verwendcte Besckeini-
gung des jetzigen Chess des Kriegsdepartements,

Vleber den Werth der fteien Presse.

Zwei StaatSmänner Englanbs haben vor we-
nigen Tagen öffentliche Reden über Preßfreiheit
unb Aournalr gehalten. Lord Clarence Paget,
der englische Marineminister, hielt am 16. Dec.
eine Ansprache an seine Wähler und sagte u. A.
Folgendes: „Niemand weiß die unschatzbare Wohl-
that einer sreien Presse beffer zu würdigen, als
ich. Die. Krttiken der Presse sind vortheilhaft für
alle Welt. Wir Staatsbeamte haben uns darüber
am allerwenigsten zu beklagen, drnn die Kritik
einer freien, uneingeschränkten Presse versetzt unS
tn die Lage, daß wir nichts thun können, ohne
die Gründe dafür anzugeben, und es ist daher
einedergrößtenWohlthaten eincr freien
Presse, daß sie alle StaatSmänner zwingt,
thrr Handlungen genau zu erwägen." An
demselben Tage, alS Lord Paget in solcher Weife
den hohen Werth der Preßfreiheit für wahrhafte
Staatsmänner anerkannte, brachte Lord Palmer-
ston in Ramsay bei dem Banket deS dorttgen Acker.

bauvereins den folgenven Trinkspruch aus: „Ach
habe die Ghre, einen Trinkspruch vorzuschlagen,
und wenn ich Ahnen sagen werde, welcheS Wort
den Anhalt meineS Trinkspruchs bildet, so btn tch
Eüberzeugt, daß Sie sofort begreifen werden, wie
dirseS Cine Wort wett mehr ausbrückt, alS irgend
etneS unserrr Sprache. Ach trinke auf die Presse.
Erlauben Sie mir, eS auSzusprechen, daß wir, die
wir tn etnem freien, constttutionellen Lande leben,
es wissen, daß die Presse die wahrhafte
Grundlage der bürgerlichen und religiö-
sen Frethett bildet. Ohne eine freie Preffe
würde keine Fretheit dteftr Gattung ein anderes
als vorübergehendes Dasein fristen. Mit ber freien
Vreffe können biese Freiheiten niemals vernichtet
werdrn, und von der Presse Englands kann ich
sagen, daß die Einsicht, mit welcher fie geleitet
rvirb, und dte großen Principten, die fie verficht,
die Bewunderung der Menschheit verdienen. Die
Pressr EnglandS gereicht der Nation zur Ehre und
gewiß werden Alle, dte hier anwesend find, fich
mir anschließen, um auf dte Presse ihr Glas zu
leeren." M

DaS find die Anfichten, «elche englische Minister

von der Presse und ihrer Freihekt haben und zu
welchen sie sich unter der begeisterteu Zustimmung
ihrer Zuhörer öffentltch bekennen. Hält man, sagt
dte Neue Fr. Preffe, dem die Preßzustände Deutsch-
lands gegenüber, so wäre man fast zu der An-
nahme versucht, England bcfinde sich auf einem
andern Planeten, wo vollkommenere Menschen ein
glückliches Dasein verbringen. Den Ministern des
europäischen Festlandes, die sich's zur Ehre an-

verleugnung bescheidenen Preffe unermüdlich unb
unablässig zu verfolgen, muß baS, waS Lord Pal-
merston und Lord Pagct über die durch kein Gesetz
gefcsselte Presse gesagt, als eine fürchterliche Krtze-
rei, ja geradezu als die Sprache des Wahnsinns
tn die Ohren klingen. Sie, die jede Beurtheilung
ihrer Handlungen, jede Anspielung auf ihre Per-
son so auffaffen, als würde vamit dke sociale Ord-
nung, der Bestand der menschlicken Gesellschaft in
Frage geftellt; sie, die jebes freie Wort als etnen
Angriff gegen die Sicherheit des Staates betrackten,
könne» es unmöglich mit einem andern Gesühle
alS dem des Entsetzens lesen , daß es jenscits des
Eanals Minister gibt, welche die strenge Aufficht
 
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