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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 179-204 August
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Vndelbrrgtr Itilung.

N; 2«s


* Politische Umschau.

Zm engsten Zusammenhnnge mit der Politi-
schen Lage steht daS handelspolikische Verhaltniß
zwischen Ocsterreich und Preußen. Oesterreich
soll darin eine entschiedcne Haltung bewahren
nnd in einer Hrn. v. Bismarck in Wien über-
gebenen, an das hreußische Cabinet gerichteten
Note auSgesprochen haben: wenn wider Erwar-
tcn Preußen ablehncn solltc, in die angebotene
Verhandlung nbcr die Münchener Ausstellungcn
einzutreten, so müßte Oesterrcich darin zu sei-
nem Bedaucrn eine Mißachtung der ihm gegen-
über bejtehenden Vertragsverpflichtungen erken-
nen und es würde sich keiner Täuschung hin-
geben, daß ein solcheS Vorgehen unvereinbar
sein würde mit dem zwischcn beiden Rcgierun-
gen so glücklich bestehenden bundesfrcundlichen
Verhältnissc.

tsie Petersburger deutsche Zeitung, welche
osficiöse Beziehnngen hat, gibt Jtalien den
Rath, sich von Frankreich loSzusagrn und sich
dem ungleich stärkeren Osten anzuschließcn, wenn
es die „weltlichc Herrschaft des Papstes" ver-
nichten wolle. Bei der Mißstimmung Ruß-
lands gegenüber Rom ist diese AuSlassung er-
klärlich.

Die „Opinione" stellt die Gerüchte von einer
Heirath deS Kronprinzen Humbert in Abrede.

Ein päpstliches Sendschrciben über
die Schnlfrage i» Bade».

II.

Aus dem Eingang des päpstlichen Sendschrei-
bens ersehen wir, daß „vcrschicdene Nachrichten"
nath Rom gelangt sind, welche die Gefahren der
Reformplänc in Baden für die christliche Unter-
wcisung und Erziehung der Jugend durch täg-
lich erweiterte Trennung der L>chulcn von der
Kirche geschildert haben. Wenn man bcdenkt,
welche Nachrichten in unserm Lande selbst durch
Tagesblatter und durch Broschürcn, wie die
„Warnung vor einer droheudcn Gejahr" und
die „Freien Stimmen für das Volk", am hcllen
Tage in Schulen und auf der Straße colpor-
tirt worden sind, so wird man ciucn Maßstab
sür jene „Nachrichten" nach Rom haben. Der
Papst hat vertraut, daß der Erzbischof die Ver-
theidigung der Kirche auch gegen diese Gcfah>
ren führcn werde, was ihm dann auch durch
die von dem Erzbischof überschickte Denkschrist
bekräftigt wurde.

Es folgt dann eine allgcmeine Klage, wie
man sie in päpstlichen Dcnkjchriften oft liest,
über dcn Vcrfall der Zeit, über dic Umtricde

Dienstag, 30. August

gegen die christliche Religion, welche eine noth-
wendige Folge verwerflicher Lehrmeinungen seien,
deren Begünstiger und Verbreiter alles Mög-
liche aufbieten, um die Kirchc ihres Einflusses
zu berauben und die Anstalten und Einrich-
tungen der menschlichen Gescllschaft ausschließ-
lich der weltlichen Gewalt zu unterwerfen. Man
erkennt deutlich, daß auch hicr dic vcrurthei-
lende Klage der kathol. Kirche über daS Auf-
treten ncuester Bücher, wetche „die von Gott
geossenbartcn Wahrheiten ohne Scheu läugnen
oder dem Urtheil dcr menschlichen Vernunft
unterwersen", gelegentlich ausgesprochen wer-
den joll.

Dann aber wird Hervotgehoben, wic es nicht
zu «erwundern sei, daß die Gegner gerade aus
den Uiiterrichtsanstalten und insbesonderc aus
den Volksschulcn die Kirche zu verdrängen
suchen, und wird die Bedeutung deS Religions-
unterrichts und der Wcrth dcr religiöscn Er-
ziehung für die Volksschulen geschildert.

Wenn man gerade auch hier erwägt, daß
eine obcrste Kirchenbehörde redet, und einzelne
Uebertreibungen zu Gunstcn des ReligionSun-
terrichtS und der Kirche nach den Forderungen
ciner streng priesterlichen Aufsassung dcr Welt
in Abzug bringt, so wird man gern die Zu-
stimmuug zu der Mehrzahl dieser Sätzc erklä-
ren. Jn ihrem Kerne sprechen dieselben eine
kräftigc Billignng deS Entjchlusscs der großh.
Regierung auSi trotz des Vorwurfes der Zn-
conscquenz, welchcn man ihr vom rcin politi-
tischen Standpunkt aus nicht mit Unrccht
inachtc, und trotz der Gesahren, welche Andcre
aus einer Mitleitung dcS UnterrichtS in den
Volksschulcn durch die Geistlichkeit prophezeitcn,
dcn Retigionsunterricht in seincr confessioncllen
Bestiiiimthcit als einen wichtigsten Lchrgcgcn-
stand in dcr Volksschule festzuhalten und den
Kirchen zur Leitung und Uebcrwachung zu
übergeben.

Darum passeN auch aus Badeu wcnigstens
in gar keiner Weije die allgcmeinen Worte des
Sendschreibens, welche die Kirche zu besondern
Aiistrengungen mahnen, „überall da, wo die
verderblichc Absicht, die Autorität der Kirche
aus den Schulen hinaus zu drängcn, gefaßt
und ausgcführt wird, die Jugend dcShalb der
Gefahr einer Benachtheiligung ihres Glaubens

ausgejetzt wärc-und wo Schulcn gegen

die katholische Kirche gerichtet stnd." Jn Baden
ist ja von alle Dem, auch nach dem neuen Ge-
setz, das gerade Gcgcntheil der Fall, und in
kciucm Land ist inehr dasür gesorgt, daß die
Geistlichkcit setbst für die Unverjchrthcit deS
katholischen Glaubens im Unterricht der VolkS-

schulcn vollkommen zu sorgen in der Lage ist.
Zum Ueberfluß ersieht man auS den Schluß-
worten, „die Kirche wäre genöthigt, allen Gläu-
bigen zu erklären, daß solche gegen die katho-
lische Kirche gcrichteten Schulen mit gutem Ge-
wisscn nicht desucht werden könnten," daß hier
voN Baden, wo eine gesetzliche Verpflichtung
züm Schulbesuch, einschließlich des confcssionel-
len ReligionSunterrichts durch Geistliche und
Lehrer, bestcht, unmöglich die Rede sein kann,
sondern dem Papst, da er von diesen in unse-
rer Zeit gegen die Kirche gerichteten Schulen
spricht, LLnder wie Belgien u. s, w. vorschwe-
ben, wo der Schulbesuch frei ist und Kirchen-
schulen und Laienschulen sich in bitterm Kampf
gegenüber stehen. Auch nach alle Dem, waS
wir in Baden erlebt haben, sind wir weit da-
von entfernt, ein Wort über dic Frechheit dcr
Vcrdächtigung zu verlieren, als könne das
päpstliche Sendschreiben auf Grund einer ein-
seitigen Klage über eine inöglichcr Weise bevor-
stchende Gefahr eine offizielle Mahnung zur
aufrührerischen Widersetzlichkeit gegen ein Lan-
dcsgesctz aussprechen wollen.

Nach diesen Erörternngen über die böse Zcit
im Allgemeinen und die vielen Gefahren, die
überall der Kirche drohen, wird schließlich der
Erzbischof wegen der Eiusichi und Standhastig-
keit beglückwünscht, womit er sich in seiner
Denkschrist dem in Baden durch die Resorm-
pline drohcnden Verderben der christlichen Er-
ziehung und gänzlicher.Zcrstörung der ehrwnr-
digen Rechte der Kirche in der Schule entgegen-
gesetzt hat. Wir wollen diesem freuudlichen
Schlußwort an den greisen Verjasser der Denk-
schrift, dcr nun einmal auch gegenüber dem
Papst seinen Glauben an die Wirklichkeit diejer
bevorstehenden Schädigüng der Kirche und der
Religion so stark ausgesprochen hatte, heute um
so weniger seiue sämmtlichen Voraussctzungen
benehmen, als seit der Uebcrsendung oer
Denkschrift so vieles Weitere bereits zur Auf-
klärung und Beruhigung, insbesondere auch
durch die öffcntlichen Debatten in beiden Kam-
mern geschehen ist. Haben in diesen ja doch
auch scharfsinnigc, eifrigste Katholiken und be-
kanutlich auch solche, wclche vor wcnigcn Jah-
ren den Abschluß des Concordats befürwortet
haiten, ihre Stimmen sür das Schulgejetz ab-
gegeben und daS Verfahren der Regierung »on
jcnen Anklagen nachdrücklich freigesprochen. Da-
gcgcn wird es ganz am Platze sein, hier schließ-
lich noch eiue auf das Zota sichere „Nachricht"
übcr die Lage der Dinge in Baden zusammen-
zustellen, um Zcdermann, Geistliche und Laien,
in und Lilßer dem Lande, ersehen zu lassen,

Aeder Lie VorMc in Eens
bcrtchtet dcr Bund Kolgcndes: Die Waht begann
Svnntag, dcn 21. Dic Lanvleute waren in Massc
gekommen, mit ihren Stöckcn bewaffnet. Wie im-
mer, gab eS einigc Rippenstöße, aber lm Uebrlgcn
oerlicf die Wahl troy dcr außerordenltichen Bewc-
gung ohnc alle störende Unvrdnung. Montag, dcn
22.1-, Morgcus, begann die Zählung. Sie dauertc
bis 1 Uhr. Das Resultat wurde von eincr großen
Menscheumenge mit ficberhafter Spannung -rw»r-
tet; es war aber unmöglich, ctwas voraiiSznsagcn,
so sehr glichcn fich dic Stimmen au«. Dle Radi-
kalc» hofftcn bestimmt aus den Eirg. Um t Uhr
wurde da« Resultat bekannt. Es ergab auSgestelltr
Stimmzettel 11,164, eingegangene 11,054, gtltige
11,025; davon waren gcfallcn aufChciievierc 5677,
aus Fazy 5340. Ersterer war sonach mtt eincr Mehr-
heit von 337 St. gcwählt. Hieraus Lärm unter vcn
Radlkalen, Stimmcn, dte Wahl müffe annulltrt
werbcn; eine grvßc Anzahl von Bloufen verlicß
das Wahlgcbäiibc und bcgab fich nach dem 4rsenst
sta Arsaä krö. Auf dem 6rsaä dvresu eeatrsl
krhob fich mtttlcrwellr McinnngSbcrschiedcnheit und

Debatte. DicS ging laut ciner Crktärung von 12
opposittoncllcn Mitgliedern dks Eentralbureau's im

wcseiidk oder kürzlich Verstorbene gcbolt und abge-
gebeN wurden, vcrmikden werdcn follte. Dies wnrdc
vor Schluß der ürncn durch Hcrrn Perron, Mtt-
glicd des Burcau's Nr. 3, dem Centralbureau
bekannt gegeben. Zn Letztcrem erhob sich darübrr
Debatte. Das Bureau diskuttrte und die Jnde-
pendenteii des Bureall's sprachen sich dafür aus,
dte Anwcndung dcr Listcn sei statthaft. Es wurde
hirraus dcm Jncldcntpunkte kcine weitcrc Folge
gegebcn, ebcn so wenig im Laufe dcr Waht oder
drr ZSHtung dagegen protestirt. Erst als das Re-
sultat dekannt wurde, kam John Pericr auf jeiieu
Äncidentpunkt zurück und machte darauS etncn
Kaffattonsgruiid. 3" dir That sprachen 17 Mit-
glikder des Lentralbureau's, sämmttich Radikale,
dte llnglltigkeit der Wahl auS, wäbrend 10, dtese
Ialepeiibenten, protestirten. Diescr Bcschluß war

die Pandorabüchsc, aus der alles nachfolgende Un-
heit entsprang, und ist geradc er noch das wenigst
Aufgehrlltc, Gehetmnißpollste an dcr ganzen An-
gcleg-nheit. ES ist »icht klar, ob daS Lentral-
büreau eine so enormc, sast souperainc Macht be-
sttzt, eine Wah! mtr nicht« dtr nichts zu casfiren,
ohne daß dagcgen irgcnd cin Rechksmittcl ertstirte;
es ist nicht ganz klar, wie es sich mit.sencn Aus-
weisltsten verhtelt, da dte Zwölse darübcr höchstrnS
sür einen Gcnser ganz verständlichen Bescheid gcbcn.
Behauptet wird, fragltcher Stimmzettel hätten höch-
stcns 15—30 eristirt und diese HLlten natürlich daS
Rcsultat der Wahl nicht geändert. Wenn abcr dte
Zahl ungitligcr Stimmzettel daS Ergebntß nicht
änderl, fo ist wenigstenS nach der bct oer Bcstrei-
tung der Wahl Vuy's gcrade von den Genfer Ra-
dikalcn ausgestellten und vom Nationalrath adop-
tirten Anficht die Wahl gilttg. Set dem, wtc thm
wollc, di- 17 Radikalcn dcs üentralbureauS cas-
sirten untcr dcm Wlderspruche der 10 Independentcn
dte Wahk. DiescS Vcrdict, welckeS dcn Verdacht
ctnes Parteientschcides fast unwtllkürlich wachruft,
crregtc nun eine furchtbare, letdenfchastltche Bewe-
gung bei dcn Parteien. Bravo und Ztschcn. Dtl
 
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