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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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https://doi.org/10.11588/diglit.2828#0265

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Htidtlbkrger Ieitung.


* Politische Umschau.

DaS Comile der in Stuttgart stattgehabten
Landesversammlung für Erhaltung deS Zoll-
vereins hat einc Eingab» an den ständischcn
AuSschuß gerichtet, in welcher der Audschuß
darauf aufmerksam gemacht wird, daß mit dem
1, Okt. die Frist abläust, welche Preußen und
die dem neuen Zollbund bereits beigetretenen
Zollvereinsstaaten den noch außerhalb stehenden
Staaten (Würtemberg, Bayern, Hessen-Darm-
stadt und Nassau) zum Beitritt ossen gehalten
haben. Zugleich bittet das Comite den stän-
dischen Ausschuß, in Erwägnng zu ziehen, ob
ihm nicht nach Maßgabe des § 188 dcr Ver-
fassungsurkunde obliege, bei der Staatsregie-
rung die sofortige Einberufung der L-tändever-
sammlung zu veranlassen, damit die Ständcver-
samenlung noch vor Ablauf der Frist der Re-
gierung die Ermächtigung des Leitritts zu dem
reconstruirtcn dentschen Zollvcrein ertheilen und
ans diese Weise die angezeigte Gefahr abgcwen-
det werden kann.

Nach der „Kreuzzeitung" ist von Sciten
Hessen-Darmstadt's und Nassau's der Beitritt
zum rekonstruirten Zollverein ossiciell noch »icht
angemeldet. (s. Berlin, 13. ScPt.)

Der „Köln. Ztg." geht von Berli» nnd von
officiöser Seitc solgcnde beachtenswcrthe Notiz
zu: Was die von vielcn Scitcn der preußijchen
Politik zugeschriebene Vorliebe sür den Olden-
burgcr »ngeht, so ist dabei nicht zu vergessen,
daß die Aussichten dieseS Candidaten üderhaupt,
und nicht am wenigjten wegcn dcr Stimmnng
der Herzogthümer, sehr gering sind; schwerlich
aljo dürfte die preußijche Regicrung mit großem
Nachdrucke für ihn und dadurch in eine vor-
anssichtlich ganz erfolglose Bahn eintreten.
tleber den fnr die Erbsolgefrage zn wählendcn
Modns der Entscheidnng jchwcbt man bis jetzt
^leider noch immer in vollster Ungewißheit.

Eine in Kopenhagen eingctroffene französischc
Note vom 4. Sept. spricht sich scharf tadelnd
über die Vcröfientlichung der vertraulichen
Mittheilungcn des dänischen Gesandten in Pa-
ris durch dic officielle „Berling. Ztg." auS.

Jn Zürich wird eine neue Bank mit ö Mill.
Capital gegründet, an der Spitze stehen Hr.
Aaron Ris und Hr. Stadler-Vogel, zwci Zü-
richcr BankierS.

Der „Nord" berichtet, laut zn St. Pefers-
bnrg angekommenen Nachrichten habe Nanking
capitnlirt. Diese Stadt war bekanntlich seit
mehreren Jahren das Hauptquartier der Rc-
bellcn. Französische Offiziere jollcn die letzten
Operationen g-gen sie geleitet habcn.

Dis Nachricht von einem Aufstand in dcr
Herzeßowina ift unbegründet.

Nach einer Angabc der „N. Freicn Presse"
ioll der österr. Finanzminister sich durch Ber-
äußerung von StaatSdomänen im Betrag von
100 Mill. Franken neue Geldmittel zu ver-
schaficn suchen.

Einen, Telegramm der „N. Freicn Presse"
zufolge gibt sich in Stockholm. wohin außer
Bakunin auch Demontowicz zurückgekehrt ist,
wieder eine lebhafte Polcnagitation kund

Das ganze spanische Ministcrium hat seine
Entlassung eingereicht. ES ist noch unbekannt,
ob die Königin die Abdankung angenommen hat.

Z»r Schlcswig-Holstein'schen
Eache.

Ein Telegramm aus Altona vom 13. Sept.
meldet: das VcrordnungSblatt veröffentlicht die
»on deu Bundescommissäreii mit Hamburg und
Lübeck abgesch lossenen Telegraphen - Vcrträge.
Nach RendSburg ist zum 28. d. eine Delegirten-
Versammlung dcr schleswig-holsteinijchen Ver-
eine einbernfen. Die Ncuwahl des AuSschusses
muß vor dem 10. Oct. crfolgen. Zn Flens-
burg ist daS prcußische Geschwader, ausgenom-
men die „Grille", eingctroffen. Nach der
„Nordd. Ztg." ist eS durchaus nicht unwahr-
scheinlich, daß die anwejeiidcii Schifie sammt
den beiden aus der Nordsee crwarteten Cor-
vctien hier überwintern; höhere Marineofficiere
fällcn über die Beschafienheit und die Branch-
barkeit unseres Hafcns zu Kricgszwecken die
günstigsten Urtheile.

Eine Depesche auS Kopenhagen vom Mon-
tage sagt, nachdem cs sich herausgestellt habe,
daß die östcrreichische Flottc in dcn Häfen dcr
Nordsee nicht ohne Schwierigkeiten überwintern
könnte, zeige sich Dänemark geneigt, einen
großcn Theil seiner Klotte abzntakeln und dienst-
unfähig zu machen, um damit der österreichi-
schen Escadre das Ueberwintern in der Hci-
math zu crmöglichen. Döch, hcißt cs wciter,
zögen die deutschen Mächte die Verlängerung
des WasseiistillstandeS bis Mitte Dcccmbcr vor,
und soll darüber gegcnwärtig (trotz der gün-
stigen FriedenSauSsichten) unterhaudelt werdcn.

Altvna, 11. Scpt. Der Durchmarsch dcr
entlassencn preußischen Reservisten hat mit dcm
gestrigen Tagc aufgchört. ES sind in dcn lctzten
Wochen an 21,000 Mann entlassene preußische
Rcscrvistcn und Laiidwchrinänner von Norden
nach L-üden und an 6000 schon einerercirtc
Rekruten von Süden nach Norden hier dnrch-
passiert, jo daß sich die Gesammtstärke der augen-

blicklich noch in den Herzogthümern SchleSwig-
Holstein und in Jutland cantonnirenden prcu-
ßischen Truppen um circa 15,000 Mann ver-
mindertc und jetzt noch an 45—46,000 Mann
betrigt.

Wien, 12. Scpt. Wie der „N. Fr. Z."
von hier gcschrieben wird, sind, und zwar mit
österreichischer Znitiative, neuerdings Verhand-
lungen mit Dänemark eröffnet wvrden wegen
cineS Waffcnstillstandes auf fü n f Monate, vom
Tage des AbschlnsseS an gerechnet, also unab-
hängig von dcm gcgenwärtig laufenden Waffen-
stillstande. Es zeigt sich nämlich, daß kein
Nordseehasen, auch nicht Geestemünde, genügen-
den Rauin und hinreichende Sicherheit darbietet
zur lkeberwinterirng der größeren Kriegsschiffe
der östcrreichijch - preußischen Flotte in jenen
Gewässcrn. llnter diesen llmständeri hat man,
wic crwähnt, einen neuen Wafienstillstand an-
geboten, und zwar auf sv lange Zcit, daß er
i>i dcn Winter, wo die dänische Blokade nicht
mehr zu fürchtcn ist, hincinreichen würde.

Wien, 13. Scpt., Stachm. Jn der heuti-
gen vierten Conferenzsttzung wurde der öster-
reichisch-preußische Vorschlag, wonach die Hcr-
zogthümer für ihre Ansprüche an das gcmein-
same Activvermögen mittelst einer Pauschal-
Summe abgefnndcn werden sollen, von den
dänischen Bevollmächtigten »ä rekerencknm ge-
nommen. Eine Vcrlängcrung deS Waffenstill-
standes aus 5 Monate ist noch in Discussion.

D e u t s ch l a n d.

Karlsruhe, 12. Sept. Die Gesetze über
die Unabhängigkeit der Richter und über die
Anwaltschaft, welche noch nicht verkündet sind,
kvnnen zwar nicht für eine unumgängliche Be.
dingung der neuen Organisation erklärt wer-
den, obwohl sie von den Kammern als hoch-
wichtige Glieder derselben anerkannt wurden.
Sollte ihre sofortige Einführung aber nicht in
der Absicht der Regierung liegen (d!), so müßte
jedenfalls eine Bestimmung über die Ausübung
der Anwaltschast bei den Kreisgerichten, über
die Frage, ob bei jedem derselben sämmtliche
Anwälte des Landes Vorträge zu halten und
Schristen einzureichen berechtigt seien, noch vor
dem 1. Oktober erlassen werden. Auch ist jeden»
falls eine neue Taxordnung für die Anwälte
sofort unentbehrlich und das ^-ystem, daS ihr
zu Grunde gelegt wird, wird entschieden Ein-
fluß auf den Erfolg der künftigen Justiz haben.
Ferner sieht man der Bildung der Appelations-
senate, der Kreis- und Hofgerichte, sowie über«
haupt der Geschäftsabtheilung in den Gerichts-
höfen entgegen.

Der Vuts- und der Hirnbesitzer.

Ludwig van Beethoven hatte einen Bruder Lhri-
stoph, welcher seiner Zeit in Wien durch den Prunk,
den er mit seinem Gelde machte, obwohl er dabri
sehr ökonomisch war, virl Aufmerksamkeit rrregte.
Dte „Ostd. P." bringt über die beiden Brüder
Beethoven einige Anekdoten, von denen wir hier
nachstchende mittheilm:

Ludwigs van Beethoven, des Lomponisten, Bru-
der Christoph hatte sich ein bedeutendeS Vermögen
erworben. Auf welche Art, darüber cursirten setner
Zeit verschiedene Versionen. So viel ist authentisch,
daß Christoph van Becthoven cine Reihe von Jah-
ren daS Fieber der ganzen ysterreichischen Armee
zu curiren hatte, das heißt, rr war Chininliese-
rant des Militärärars. Nach Ablauf des Con-
tracteS war der etnfache Apotheker in Urfahr bei
Linz ein reicher Mann — und Prinz gewordeF.
Denn alle Welt nannte ihn nunmehr den „Pnn-
zen Christoph". Vier Schimmel zogen regelmäßig
von jctzt ab die Equipage deS „Prinzen", der das

in den Haaren und dachte daran, wie er sick aus s
einer augenblicklichen Gelbverlegenheit helfen sollte. !
Da fiel ihm sein reicker Bruder ein, den er mit !
den Wiencrn „unsern Prinzen Christoph" nannte. !
Er schrieb an denselben einen kurzen, wenig freunb- !
schaftlichen Brief, in dem er ihn um Geld anging.
„Prinz Christoph" war, wie schon angedeutet, ein !
Knauser, seinem Bruder gegenüber aber, für dessen s
gigantisckc Größe er, wie so viele Zeitgenossen, kcin
Verständniß hatte und oft seinen Mißmuth darüber
aussprach, daß Ludwig „nichts RechtS" geworden,
war er sogar geizig. Jn einem langen Briefe häufte ^
.ev Vorwürfe auf Vorwürfe gegen Ludwig, predigte ^
ihm alle Moral und empfahl thm, „sich selber !
durchzuhelfen". Dte Bitte Ludwigs um Geld schlug
er rnndweg ab. So oft „Prtnz Lhristoph" irgend ^

wohtn seinen Namen zu schen hatte, schrieb er
immer „Christoph van Beethoven, Gutsbcsitzer".
Das Wort „Gutsbesitzer" war jederzeit in latei-
nischen Buchstaben gesckrieben. Unglückseliger Weise
stand auch auf ber crwähnten Antwort an Ludwig
die obige Unterschrift. Ludwig van Beethoven, auf
das Bitterste gekränkt durch den groben Brief seineS
Bruders, nahm das ibm eben zugekommene Sckrei-
bcn und schrieb an ben untern Rand desselben Fol-
gendes:

„Herrn Christoph van Beethoven, Gutsbesitzer.

Jch brauche Dein Geld, aber auch Deine Pre-
digten ntcht. *

Ludwig van Bcethoven,
Hirnbesitzer.

Unter dem Worte „Gutsbesitzcr" war ein, unter
dem Worte „Hirnbesitzer" waren drei Striche. Diese
kleine Geschichte ist verbürgt. Der Brief ChristophS
mit der drastischen Antwort des Componisten eristirt
noch und befindet sich in Privatbesitz.
 
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