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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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N» 2LS. Samstag, 28. October

jj Die Eonsequenzen des Bertrages
vom l;. September

haben sich zu einer Welisrage gcsteigert und
sind immsrhin eincr näheren Betrachlung werth.

Daß der sardo-fränkische Vcrtrag trotz sciner
gl.eißnerischen Forni ein Werk deS änßcrsten
ÄiacchiaoelliSmnS, ein mchrschncidiges Schwert
ist, scinc vorzüglichste Schneide aber gegen
Oesterreich nnd den Friedcn Europa'S gerichtet
hat — dies völlig einzusehen ist wohl erst der
bitlcren Erfahrnng einer späteren Zeit oorbe-
halten, wenn es anch jetzt schon jedem politisch
Deiikenden mehr und mehr au§ dem Dnnkel
gerückl wird.

War eS doch England vor Allem, wclcheS
sich fürchtete und erschrocken stehen. blieb vor
einem Werke, an dem es einen großcn indirec-
ten Antheil sclbst genommen. ES schickte mehr-
mals Sendbolen nach Wien und suchte das
vsterreichische Cabinet zu bestiinmen, den Frie-
den, an dem England AlleS liegt, zu rechter
Zeit durch Abiretung des eigcntlichcn Zank-
apsels zu erhallen. Also Oesterrcich soll sein
rcchtmäßigeS Eigenthum abtrcten, verschleudcrn
nnd verjchachcrn. Jn der Gesctzgcbung der
Neuzeit sind bckannllich die vielscitigslcn Mo-
dificationen vorgcnommen worden: Gewiß ist
es aber, daß kein Strascvdex je geschaficn wer-
den wird, welchcr daS Gelüste nach Verlctzung
sremden EigenlhumS ungeahndet läßt, ja dcn
rechtmäßigen Eigcnthümer zwingt, dassclbc dem
Ränbcr in allcr GemüthSruhe abzutreten.
Es wäre schon kcin bcsondcres Zeichen von
Mulh und Ehre, wenn man den Näuber
durch Hingabe scineS BesitzlhuiiiS besricdi-
gen wollke. — Daß zwar Englaud cs ist,
welches einen darauf gerichtcteu Rath S»II8
ispon ertheilt, darf unS nicht verwundern.

Bon sciner Krämerpolitik ist nian gewohnt,
daß sie derarlige schnöde Argnmcnlativnen zu
Diarkl bringt. Auch ist die Znmntliung kcines-
wegs ncu, vielmehr schon ostmals (ieit 18k>9
alljährlich) gestellt, jedeSmal abcr in gebnhrcn-
her Weise zurück gewicscn wordcn. Nnr ein
Blödsinniger tanu annchincn, daß die Regie
rung nnd daS Parlament Oestcrreichs je anf
eincn Speculationsverkauf Vencdigs eingehcn
und damit fremdem Ehrgeize frö hnen wcrden.

Venctien für jetzl verkaufen, wärc glkichbe-
dentcnd mit eincr späteren Abtrctung Zstriens
und DalmatienS. Oesterreich aber wird stch
tapfer und muthig zu verthcidigcn wissen Und
sich wedcr auf Länderschacher nsch auf die da-
mit verbnndene Selbstcrniedrigung verstchcn.

ES ift allbekannt, daß in dcm d-nkwürdigen
Kriegsjahr 18S8 die Entscheidnng der Schlach-
len, trotz der schlechten Führung nnd Berpfle-
gung der österreichischen Armce, an eincm
Haare hing, daß bei Solscrino die italie-
nijche Armee wirklich geschlagen war, und
es Napvleon nur durch besonders glückliche
Zufällc möglich ward, dort, wie vorher bei
Magenta, mit seinen Franzoscn ven schließlichen
Sieg zu erringen. Das Glück der Menschen
ist wandelbar, und solche günstige Zufälle wer-
den nicht zum zweilenmale wiederkehren.

Am kläglichstcn ist aber, daß auch Organe
der deutschen Presse, darunlcr cin bckaiintes
größeres Blatt am Rhein, sich nicht entblöden,
ähnliche Rathschlägc, wie die britischcn, an
Oesterreich zu ertheileu. Täglich ist in ihren
Spallen zu lcsen, Oesterreich möge endlich
Jtalien anerkennen und obendrein V-nedig in
den Kauf gcben! Bon denlscher Ehre, die doch
so viel über SchlcSwig-Holstein zur sprachc
kam, von der Ofsenlegung dcr deutschen Frage
in Tyrol, von dem Verrathe vou Tricst, von
der Bedrohung des deutschen HandelS und der
deutschen Machtstellung im adriatischen Äteere
ist keine Rcde.

Oesterrcich ist ja nach dcn Bcgrifien jencr
kleindentschen Pressc kein deutsches Land I

DaS Letztcre isr schon wörtlich in ihren Or-
ganen zu lcsen gewcsen, und scheint deS geist-
reichen Lassalle herbes Wort sich zn bestätigen, daß
ein großer Tyeil dcr oeulschcn Prcsse in den
Händen „preußischcr Franzosen und Zlaliener"
sich beftnoe, und daß, wer diese Prejse nicht
vcrachlet, kei» Patriot jci!

Es sind jene polilischen Trugschlüssc ein
bctrübcndeS Zeichen deutscher Vcrblendung und
Parlcisucht, die nils nichl blos um allen lltechls-
sinn, sondern auch um den polilischeu Verstand'
zn bringcn beslrebl stnd. Dic Sturmvögel flie-
gcn heran! Es ist unjehlbar, daß srüher oder
späler wieder Elwas im Werke ist, aber nnter
den vorhandenen Aussichten jchwerlich etwas
Ersprießliches sür Deutjchland!

Sei dem wie immcr l Wir zwcifeln nicht
daran, daß im gegcbenc» Augeublickc das
österreichijche Heer lodeSmilthig aus seincm
Festungsvicrcck hcrvorbrcchen und — geführt
wie in deui glorreichcn Sommcr 1848 — den
Feind mit SturmeSeile von der lombardischen
Ebene hinwegsegen wird*).

^ -) Ta Änsichl^, üag Oest.reeich Veiietl.n sreiwlllig


* Politische Umschau.

Als „verbürgteste Nachricht" bringt die „N.
Fr. Z." ein Privattelegramm, wonach Rech-
bergs Demission angenommen, Mensdorff an
seine Stelle ernannt sei.

Der „Constitutionnel" spricht sich über den
G ari baldi'schen Brief u. A. wie folgt aus:
„Den Boden Jtaliens innerhalb zweier Stun-
den von den Franzosen säubern zu wollen, das
ist wirklich znm Lachen. Durch den Mund
eines Mannes, der sich auf sein Jtalienerthum
etwas einbildet, in solcher Weise den Herrscher
und die Armee schmähen, die-bei Magenta und
Solferino gesiegt, das wäre wirklich das Ueber-
maß der Undankbarkeit, wenn es nicht das
Uebermaß der Narrheit wäre."

Dic „ Correspondencia" bestätigt, daß die
vor 14 Tagen von ihr gegebene Nachricht, daß
die Regierung mit Peru Krieg sühren
werde, sich heute vollständig bestätige. Peru
werde die ganze Kraft der spanischcn Marine
fühlen, und die Nalion werde sehen, daß die
Waffen nicht niedergclegt und bie Chinchas-
injeln nicht eher geräumt werden, bis man Ge-
nugthuung und Zahlung erhalten habe. Mehr
sei noch für den Augenblick nicbr zu sagen, da
man dem Feind nicht dcn Feldzugsplan ver-
rathen dürfe.

Zur LchleSwiiz-Holfteitt'schen
Lache.

AardUus, 27. Octbr. Die Amtszeitung
enthält eine Verordnung, durch welche die Aus-
fuhrverbote erweitert werden: vom 1. Novbr.
ab ist die Aussuhr von Cerealien und Schlacht-
vieh, überhaupt von Lebensmitteln aus Zütland
verboten.

D e n t s ch l a n d.

Kaffel, 27. Oct. Die Ständeversammlung
hat heute einstimmig den Antrag des Abgeord-
nelen Zungermann angenommen, einen Aus-
fchuß niederzufetzen, welcher wegen Stockung
in Gefetzgebung und Verwaltung geeignete Vor-
schläge machen foll.

Leipzig, 23. Oct. Heute Vormittag wurde
in dem großen Saale des „Schützenhaufes"
der zweite deutschc Arbeitkrtag abgehalten.
Herr Bebel, als Borsitzender des hiesigen Lo«
calcomite's, eröffnete die Versammlung mit
einer kurzen Anfprache und hieß die erfchiene-
nen Gäste im Namen des Localcomite's will-
kommen. Darauf betrat Herr Bürgermeister

Man begreift aber nicht, weshalb nicht noch ein
Der Volkswitz in der Geographie. ^ Dutzend solcker „Merkwürdigkeiten" hinzugekommen
(Fortsetzung.) > stnd.

- > Geographische Lalembourgs sinv ganz alltäglich.

Am Rhein gilt Lonstanz als das größte, Straß- ! Ungarn gilt als bas hcißeste Land, weil es einen
burg daS edelste, Bascl das lustigste, Speier das ^ Osen in seiner Mitte hat; in der Lausitz sitzen die
würdigste, Mainz bas heiligste, Köln das reichste Leute weder kalt noch warm; London hat das Ende
und Trier als daS älteste Stift. ! — nd — in der Mitte, in Nikomedta wird kein

Die Stadt Rostock zeichnet stch aus burch: . ! Theater geduldet, und auf die Frage, welcbe Stadt

Sieben Thüren an Sanct Marien, ! beherrscht die ganze Welt? antwortet der Volkswitz:

Sieben Straßen am großen Markt, j Meinungen an der Werra.

Sieben Thore, die gehen zu Land, ! Die Oberbaürn leben in „Isny" am billigsten;

Sieben Kaufmannsbrücken am Strand, , die Wiencr fagen: die Böhmen regieren, nähren

Sieben Thürm, so auf dem Rathhaus stehn, I und unterhalten bie Welt, wetl sehr viele Kutscher,
Sieben Glocken, die täglich gchn, j Köche und Musikanten aus Böhmen dorthin kom-

„Säben Linden up den Rosengarden, j men. Kalbe an der Saale ist größer als Gottes

Dat sünd die Rostocker Kennewarden" (Kenn- ! Gnade, nämlich als daS dicht beiliegende Kloster
zeichen). . j dicses Namens, und in Schandau, hart an der
Die Zahl sieben spielt auf diesem Felde über- böhmiscken Grenze, hat alle „mrißnische Ehr' und

haupt eine bedeutende Rolle, ehen so der Buch- Redlichkeit ein Ende".

stabe W. ! Die Straubinger lassen fünf gerade sein, weil

Dic Vorzüge des Hessenlandes z. B. bestehen in: der Thurm auf dem Straubinger Stadthause fünf
Waffer, Walo, Waid, Watzen, WachS, Wein, gerade Spitzen hat, im Lübecktschen courstrt die

Wriden, Weiher, Werg, Wiese, Wilb und Wolle. RedenSart: er sieht auS wie der Tod von Lübeck,

mit Bezng auf den berühmten Todtentanz daselbst;
zu Bretten in der Pfalz ist an der Kirche von Alters
her ein Hund ohne Sckwanz angebracht und in
Folge dessen nennt man dort Jeden, der irgendwo
den Kürzeren gezogen, „rin Hündchen von Bretten".

Oft bedingte auch die geograpbtsche Lage und
Jndustrie irgcnd eines LandcS oder Ortes die Ent-
strhung der sonderbarsten Beinamen, wie bei Bam-
berg, das als Nabel Deutschlands gilt; Nürnberg
ist des Reiches Bienengarten, Heidelberg des rö-
mischen Retchks Negenloch; die Feste Breisach deS
Reickes Schlüssel und Hauptkiffen; Lcipzig das Auge
von Meißen; Berlin, wegen der berüchtigten mär-
kischen Sahara, des hetligen römtschen Reiches —
Sandstreubüchse.

Ein gewisser Stolz der Bewohner spricht sich in
Bezeicknungen aus, wie: „das heilige Köln, daS
goldene Mainz, oder in Jtalien: Milano la grande,
Mantua la gloriosa, Padua la votta (die gelehrte),
Verona la degna, Venezia l'opulenta, Genova la
superba, Brescia l'armata (wegen seiner Waffen-
fabriken), Firenza la bella, Lucca l'industriosa,
Ferrara la cortese, Bologna la grassa (wegen seineS
fetten Bvdens), Napoli l'illuftre, Eapua l'amorosa.
 
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