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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 152-178 Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.2828#0089

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Neue Gefahren und neue Ver-
wickelungen

drohen der naiionalen Sache in dcn Elhherzog-
lhnmern und mahnen das deutschc Volk, dic-
selben forl und fort fest ins Ange zu sassen,
damit auch hier diplomatische Jntriguen nichr
verderben, waS das Schwert kaum gut gemacht
hat. — Abermals ist das glncklichc Ende durch
den leider schiefen Beginn in Frage gestcllt.
Preußen will sein Blut nicht umjonst vergosse»
haben, und meint, für Nichts gckäinpft zu ha-
ben, wenn es als Frucht dcS Sieges nur einen
Gewinn für Deutschland nach »Aause trägr.
Es will, — was daS dentsche Volk mit Recht
verabscheut — eine Jnterimswirthschaft in
Schleswig-Holstein. Ohne Aussicht, in direk-
tem Wege die Herrschafr über die Herzogthümer
zu erhalten, sucht es auf hundcrl Umwegcn die
indirckte zu sicheru. Änstalt deutjche Krsegs-
hafen sollen Preutzische gegründct, das Heet der
Herzogthümer soll durch einc Convention dem
Prentzischen einverleibt, die Bundessestnng
Rendsbnrg— aus welcher die Bundestrupyen
widerrechtlich vertrieben wovden — eine preu-
ßische Besatzung crhalten. Dcr deutsche Bund
wird mißachtet, seine Ansprüche mit Gering-
schätzung betrachtct I Was die Hossnung Deutsch-
lands war, soll der Gewinn Preußens werdenl
Deutschland braucht einen raschen Frieden, um
den Gesahren zu entgehen, welche jede Zögerung
herauf zu beschwören im Stande ist, einen
Frieden, in dem selbstverständlich die nationale
Seldstständigkeit der Herzogthümer in ihrem
vollen Matze berücksichtigt und gewährleistet

nun — bedentungsvoll genug — Napolon III.,
wie man sagt v.on Dänemark als Vermittler
aufgerufen, aus jciner bishcrigen Zurückhaltung
hervortreten zu wollen. Begreiflicherweise miß-
gönnen allc außcrdcutschcn Großmächtc den
bcidcn dcutschen Vormächten und Deutschland
selbst den bisherigen Ersolg iu der jchleswig-
holsteinischen Sachc. Sie sehen, daß diese Ge-
sammtmacht sich ausrasst, und ciue bestimmende
Stelle im Völkerrechte einzunehmen droht ; das
ist sür sie genug, um, soweit ohne Gesayr
möglich, sich einzumischen. WaS uns daher
jctzt broht, ist gerade derjenige politijche Eon-
greß, den Napolcon schon vor einem halbeu
Zayre einberusen wollte, und der damals an
dem Widcrspruche des englischen Kabinets ge-
scheitert ist. Hat Napoleon — wie man sagt
— Daneniark seine Vermitllerrolle augeboten,
dann wird es die schleswigeholstein'sche Frage
jein, um derentwillen er ahermals mit seinen
Congreßgedanken hervorrückt, und diesmal
dürfte England sich nicht weigern, darauf
einzugchen, denn seine Zustimmung kann dann
ein Slück von Schleswig für Däuemark erhal-
ten, und überhaupt dic dänische evache in bes-
seren Stand setzen. Wäre seiner Zeit übcr die
Elbherzogthümerfrage rechtzeitig vom Bunde
entjchieden worden, dann ständen dic siegreichen
deutscheu Wassen an der Hand vollendeler That-
sachen. jeder sremdcn Einmijchung abwehrend
gegenübcr. So aber macheu stch nun die trau-
rigen Folgen des kläglichen Zauder- und Zwie-
spalt-ShjtemS allenthalben fühlbar, nach innen
uud außen, und wir stehen noch mitten in der
Gefahr, wie bcim Beginne des Krieges um die
Herzvgthümer! —

* Politische Itmschau.

Der neueste „Botschafter" meint, daß Preu-
ßeu in der RendSburgcr Angelegenhcit zur enk-
sprechenden Nachgiebigkeit geneigt sei; e« frage
sich nur um das Wie. Oesterreich, welcheS
wohl auf seinen Alliirten Rücksicht nehmen,'
aber auch das BundcSrecht wahren müsse, wcrdc
viellcicht die Vermittlmig übernehmen können.

Die „Kieler Ztg." berichtet auS Bcrlin, daS
Wiener Eabinet habe ans indirectem Wege nach
Kopenhagen die bestimmte Anzeige ergehen las-
sen, daß eS von der Forderung der ungetheilten
Abtretung SchleSwig - HolsteinS durchaus nicht
abstehen werde; daS Kvpenhagener Cabinet sei
auch bcreits resignirt.

Nach einem Telegranim der „Fl. Nordd. Z."
vom 22. wäre der Herzog von Auguftenburg
nach Gotha abgereist. (?)

Die Wiener „Presse" bemerkt bezüglich dcs
Rendsburger Gewaltjtreichs: Unsere Regierung
wird in Erwägung zn ziehen haben, ob es die
Ehre Oesterreichs nichl unverweilt fordert, da-
sür Sorge zu tragen, datz solche Wasfenthateu,
wie sie Preußen soeben in RendSburg vollbracht
hat, nicht der österreichischen Fahne zur Last
fallen sollen. Ob es demnach noch statthaft
jcin kann, den preußischen Zielen ein österrei-
chischeS Armcecorps zur Verfngung zu stellcn,
verdicnt gewiß der ernstesten und eindringlich-
sten Erwägung unterzogen zu werden."

Die „Allgem. Ztg." bestätigt die Nachricht
französijcher Zeitungen von einer beabsichtiglcn
Zusammenkunft der Souveräne Fraukreichs uud
Preußens in Baden-Badeu, jedoch erst in der
zweiten Hälste des August.

AlS Nachfolger deS Herzvgs von Maiakofs,
Marschalls Pellisster, bezeichnet man dcn Mar-
schall Mac Mahon. Der neue Generalgouvcr-
neur wird sich nach den großen Manövern zn
Chalons nach Algier begeben.

Nach einer Mitthcilung dcs „Mainz. Journ."
aus Bamberg vom 22. Juli soll die dort statt-
gehabte Versammlung der Erzbischöfe und Bi-
schöfe, so geräuschlos nach Außen hin diese be
bcgann und verlief, doch bedeutungsvoll gewvr-
deu sein: Eine regelmäßige jährliche Wiederkehr
dieser Conferenzen soll hier festgesetzt wordeu
sein, ohne daß die Frage der Prvvinzial-Con-
cilieu dadurch in dcn Hiutergruud getrcteu
wäre; ebenjo habe die brennende.Schulsrage
die Obcrhirten eingehend iu Unjpruch genviu-
men. Auch joll ein Hirtenjchreiben der ver-
sammelten Bischöfe an den Clerus und das Volk
zu erwarten sein, sowte „ein Schreiben au den
hciligen Vater gerichtet wurde, in welchem vör
Allem die Stellung der Bischöfe gegenüber den
Berirrungen der Wissenschaft ihren richtigen
Ausdruck gefunden haben soll." Endlich soll
eine Ergebenhcitsadrcsse durch die beiden Erz-
bischöse au den König (von Bahern) überreicht
werden.

Die „köln. Ztg." bringt Berichte über die
siebente Säcularfeier der Uebertragung dcr
Reliquien der heiligcn drei Könige nach Köln,
mit «elcher gleichzeilig eine Ausstclluug der
andcren Reliquien dcr Domkirche, jowie aller
übrigen Reliquicn in dcn Kirchen der Stadl,
verbundcn ist. Die Feicr dauert acht Tage.
Unzähligc „Gläubige" von Nah und Fern habeu
sich eingefunden; von auswärts sind allein 30
Processionen angesagl.

Wie die „France" aus Mexicv berichtet,
waren der neuc Kaiscr und seine Gemahlin
der Gegenstand allgcmeiner Begeisterung. Die

werden muß!

Außerdcm hat aber die Verwickelung dcr
deutsch-dänischen Frage noch eine weitcre eigen- I
thümliche Form in der Lußern Politik ange-
nommen, die wir uns in Deutschland klar machen
müssen, wcnn wir einen glorreichen Frieden und
glänzende Genugthuung unserer nattonalen
Sache erlangeu «ollen. Durch diplomatische
Noten mühsam verdeckt, spiclt nämlich ein ganz
anderes Stück Politik als die Theilnahme des
Bundes und die Prätendentschaft des HerzogS
von Augustcnbnrg: e§ spielt die große pvlitijche
Eiferjucht der beiden Großmächle Engiand und
Frankreich ihre eigene Handlung, dereu letzter
Act noch nicht in Scene gejetzt worden ist.
Wie England in sciner politischen Rolle kürz-
lich durchgefallen ist, und den deiitscheu Volks-
geist in ganz sruchtloser Weise gegen sich heraus-
gcfordert hat, ist aübekaiint und auch in diesem
Blatte früher schon eingehend besprochen wor-
deu. Jn dem jetzigen Momcnt scheint aber

Slondin's böser Genius.

Wentg dürfte cS bckannt sein, dciß es cinen
Menschen glbt, einen Engländer natürlich, der
dem bclühmten Seiltänzer B lvndin nberall nach-
rei» und kctne V-rstellung d-K-tben versänml. Zn
welchrm Zwecke? wird man fragen. Diese Frage,
dic bei -tncm Sohne AlbionS, wenn -s Rarrheiten
gil», eigentltch überstüssig ist, hat di-Smal doch einc
Antwort, und zwar etne r,cht schauerlichc. Besagter
Engländer wartrt auk den Momcnt, wo Blondin
vom Seile sällt! Als di- Kunde vvn BlvndlnS
waghalsigen Setlgänge» tn Amerika zuerst nach
Lvndon kam, saß Lvrd Shasilase (sprich: Schäss-
käs) gcrade in drr London Tavcrn am Stranb bei
eincr Flasche Porter und linim riesigln Biefstcak
mit s I'onKlsis natürlich, wic dic Wicner Kellner
sich corrrct ausdrücken. Lord Shafskasc las die
betrcffenoe haarsträubcnde Schilderung tn der „Tt-
mcS", ließ B-efsteak und Porter stehen, stand aus
nnd b-gab stch an die Themse, um zu sehin, ob
siin Dampfir nach Amerika abging. Znfällig wai

eben einer beriit, dii Anker zu lichten, Lord
Shasskase schrtcb noch cin Billet an scinen Bankter
und war in den nächsten Minuten untcrwegs nach
Amcrika. Jn Amerika angckommen, snchtc er so-
sort dcn berühmtrn Waghals aus. Lord Shasskafe
saß in d-r crstin Spirrsttzriihe am Riagara, ats
Blondtn htnübertanzte üb-r dtrsen Rirsenstuß und
alS dcr Hild mit heilcr Haut und iächelnder Mien,
zurückkam, schütteltc Lord Shasskasc dcn Kops und
murmclte: „6oä üsm! cr ist ntcht gcfallcn!" Blon-
dtn suhr von Stadt zu Stadt, Lord Shafskase
immer htnterher, überall saß er in d-r ersten
Spcrrsitzreihe und so oft der Köntg des Seils feinc
Produetion gesund und munter g-schlvffen hatte,
schüttilte der -dle Lord den Kops und mnrmette
s-i» „6oä üsm! bo io not kalt-ll!" Blondin schiffte
sich ctn nach England, Lord ShafSkasc nahm einen
Platz anf demselbcn Dampser. Auf der il-bersahrt
lernte -r seincn böscn G-ninS näher kennen und
b-tdc schloffen etn inniges FreundschaftSbündniß,
wetchem cs durchaus ktincn Glntrag that, daß Lord
Shafskasc setcrlich erklirte, auch in Zukunst auf
din Stnrz siines NIUIN BusensrcundcS z» wartill
und das „Loü äaw" uoch weiter auözufprcchen.

Krhstallpakast. Lord Shasskase saß wteder ganz
vorn und wartete auf seinen Sturz. EineS TageS
war unfer Lord namenios unglücklich: Blondin
war gesährlich erkrankt und schien ohnc kincn Sturz
vom Sctle aus der Welt schcidcn zu wollen. Lord
Shafskafc war untröstltch, er rief die geschicktesten
Aerzte »vn London zufammen, honvrirte ste mit
Hundcrtpsundnoten, saß selbst am Bcttc des „hohcn"
Kranken, um dtc verhängnißvoüe Katastrophc ab-
zuwenden. Und st-he, ,S g-tang; Blondin g-nas,
und der zärttiche Lord lcbte wieder auf. Znnig
schtoß der Gencsenc fetnen Retter an das Herz, als
cr das erste Mal das Bett wieder verlicß, und bci
seiner nächsten Produrtion warf cr ihm von dem
höchsten Punkte des S-ileS Knßhände und Blumcn
zu, welche Li-beigaben dcn rdlen Lord, der aus
-in- ganz andere Erkcnntttchkeit zu hoffen schten,
freiltch wentg rührtcn. So hoch das Seil war, so
bemerkte doch Blondin den A-rger und Virdruß tn
scineS edten FreundcS Mtine». „Eine Freude mußt
Du ihm doch macken," dacht« er mit dankersüllter
Sklte und im sctbcn Auginbticke machte cr -incn
Fehllrilt, kr stürzte — rin Angftschrei entfährt
 
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