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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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https://doi.org/10.11588/diglit.2828#0273

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Sonntag, 18. September

L8«A.

* Polittsche Nmschmi.

Die dritte Reichsrathssession soll, wie die
„N. Fr. Pr." meldet, am 28. Oktober in Wien
eröfsnet werden.

Wie dcr,„Bund" meldet, hat der Genfer
Staatsrath Hrn. Vautier zu seinem Präsiden-
ten erwählt uud Hrn. Chencviere das Finanz-
departement nbertragen. Die Ersatzwahl in
den Nationalrath ist auf den 15. Oktober an-
geordnct. — Fazy hat Ferner nunmehr ver-
lassen; er joll sich nach Paris oder Marjeille
gewendet haben.

Der Erkönig Franz von Iteayel hat in sciner
Geldnoth den Rejj der Bronzen und BaSreliejs
des Palastes Farnese um 4000 Pfuud Sterl.
an das britischc Museum verkauft?

Nach ofsicieller Aufstellung betrug die Litaals-
schuld der Bereiuigten Staaten am 23. August
d. I. 1,858,274,000 Doll. Die New-Yorker
„World", ein rcgieruugsfeindlicheS Organ, be-
rechnet die Höhe der StaatSschulden für den
4. Marz deS kommenden JahreS — den Tag
des Präsidentenwechsels — aus 2,653,427,101
Dollars.

Am Schleslvig-Holsteiii'schen
Sache.

Hamburg, 16. Seyt. Ein aus Oester-
reichern und Preußen zusamniengesetztes Prisen-
gericht wird ehestens im Rathhanse dahicr zu-
sammenlreten. Präsidcnt: der österreichische
Linienschissscapitän Wijsiak, Untersuchungsrich-
ter: der österreichische Auditor Wiringcr. —
Der „Altonaer Merkur" bringt ein Koxen-
hagener Telegramm vom 1b. d. Danach ist
die Stimmung in Hofkrcisen restgnirtcr denn
je, und dcr Finanzvorschlag der Großmächte
eingetrossen.

Flensburg, 16. Sept. Die „Nordd. Z."
meldet, daß das yreußische Geschwader, mit
Äusnahme der „Vineta", gestcru nach Kiel ab-
gegangen ist. Der Generalstab der alliirten
Armee hat seinen Sitz von Apenrade hierher
verlegt.

Deutschland.

Karlsruhe, 16. Septbr. Das heute er-
schienene Regbl. Nr. 45 cnlhält:

I. Unmittelbare allerhöchste Entschließnngen
Sr. Kgl. Hoheit deS Großherzogs. Aller-
höchstlandcSherrliche Verordnung: die Bestim-
nmng des Einsührungstages des Gesetzes nber
Stemyel, Syorteln und Taxen in Civilstaats-

Eine Freisxrechung.

Am s. Sept. ftand' ln Paris vor den Asfisen
rine junge Wäscherin, Ctaudinc Labbö, dcr sretwil-
ligen Tödtung thres cinjährigen Kindes sngeklagt.
Ste war vor einigen Zahren nach Paris gekoni-
men, hatte bci ihrrr Tante gcarbeitet und dtc Be-
kanntschaft eineS Maurergcsrllen gemacht, der ihr
die Ehc versprach und fie beredete, mit ihm ge-
meinschastlich zu leben. Noot, so hcißt der Bursche,
saßt, daS B-rhäitnifi rein von d-r praktischen Seite
airf. Sr lebte von dem Erirage der Arbeit s-in-r
G-li-bten und schickt- setncn eiginen Berdienfi in
di, Heimath, um fich sür seine künftigc Nieder-
taffung einigeS Ack-rland dasür ankaufen zu laffen.
AIS di- Folgen dieses Zusamm-nl-b-nS sichtbar
wurden und dic armc Wäscherin nicht mehr genug
verdienen konnte, um thm cin kostensreies Dasein
zu verschaffen, gtng er aus nnd davon und ließ
s-in Opser in der Iraurigsien Lagr und ohne irgend
etne Unterstützung zurück.

Von ihrcr Familie verstoßen, von ihr-m Ver-

VerwaltungS- und Polizeisachen betr. (Das-
selbe tritt mit dem 1. Oclobcr d. Z. in Wirk-
samkeit.)

ll. Versüguugen und Bekanntmachungen der
Ministerien. Vollzugsverordnung zu dem Ge-
setz vom 29. Zuli d.A, die Aussichtsbehörden
für dio Volksschulen betreffend.

Aus Badon, 12. Seyt. Bis jetzt stnd
vier Landkayitel dem von den Leitern der cleri-
calen Partei ausgegangeuen Jmyuls gefolgt
und haben eine Beschwerdcschrift über den
Erlaß dcs Ministeriums. des Jnnern vom 11,
August (Antwort auf den beklagenSwertheu
Hirtenbries vom 19. Juli) an das grvßherz.
Stastsininisterium eingereicht. Eln anderes
Kapitel, das von Engen, hat inzwischen mil
Majorität deu Beschluß gesaßt, daß „keineS
seiner Mitglieder bei den OrtSschulräthen sich
betheiligen solle, „weil uud so lange nicht der
erzbischöflichen Curie eine Vertretung bei dcr
obersten Schulbehörde in KarlSruhe eingeräumt
sei." Man würde sich indessen sehr irren,
Ivenn man diese Schrittc einer ultrakirchlichen
Faction als im Sinne der gesammtsn Geist-
lichkeit des LandeS geschehen bczeichnen wollte.
Jm Gegentheil gibt cS nicht nnr untcr dem
ältern, sondern auch unter dem jüngern Clerns
nicht wenige besonnene und wissenschafilich ge-
bildete Männer, die diesen neuen wegen der
Schulsragc heraufbeschworencn Conflict tief be-
klagen, da in dem Gesetzc über die Aufsichts-
behörden der Schulcn ein hinreichcnder Grund
zur abermaligen Renitenz gegen den Staat und
jeine gesetzliche Ordnung nicht vorhanden sei,
und daS Anjehen der Kirche, d. y. der Gcist-
flichen, bei der cntschieden entgegengesetzten Aus-
sassung der Sache von Seitcn dcr intelligentcn
Mchrheit deS Volkes nur einbüßen könnc.
lleberhaupt stnd cs, wie bei dem früheren
Kirchenstreit, such dicSmal wieder vorzugsweise
fremde, nichtbadische Geistliche, wetche die cleri-
calc Agitation bei nns anzetteln und schürcn.
Man svllte mcinen, die Langmuth der Regie-
rnng dürfte hicr endlich gewisse Grenzen sich
j-tzen. (S. M.)

Aus Baden, 14. -septbr. Dem Hcrrn
Staatsrath Lamcy wurde während seiner An-
wesenheit zn Baden-Baden ein Fackelständchen
vvn den Mitgliedern der Vereine „Anrelia" in
Baden nnd „Hercynia" in Lichtenthal gebrach!.
Ein Mitglied der „Aurelia" ergrifs dabei das
Wort und brachte dem Manne deS weiscn und
bcsvnnenen Fortschrittes in unserem Vaterlande,
dem Manne des guten RechtS, dcr aus dornen-
vvller Bahn seincr Psticht gctreu, eS nach
jchweren Zahren verstandcn hade, die Jnteressen

führcr Preis gcgtben, suchtc Etaudine Labbs sich
und ihr Kind durch thrcr Hände Arbeit zu erhalten,

Sic verdientc bci -der angestrcngtesten Arbeit 2 Fr.
Sl> L. täglich, wovvn si- jedoch schon 1 Fr. sür Be-
wachung und Pflege ihrcs KindeS abgeben mußte.
Jn der höchften V-rzweisiung suchte sie fich mii ihrem
Kindc im Koblcndampfc zu ersticken. Sie wurdc
gcrettet, daS Kind blteb todt, und dieser That be-
schllldigt, -rschien sie vor den G-schworn-n. Der
erbärmltche Nyot war als Z-ug- g-laden. Er kam
in sonntigiichem Aufputz, mit dick-r goldener llhr-
kette, und scin roheS, gesühlloses Benehmen errcgte
dic allgem-inste Enirüsiung,

Die StaatSdehörde trug auf Freisprcchung an.
„Nach der That selbft", sprach unter Anderem
StaatSanwalt Zöusselin, „mußte dic Gcrechligkcit
verfolgend einfchreiien. Nach der heutigen Verband-
lung Irttt die Wahrhcit zu Tage, und wir eriüflen
eine hohe Pflicht, indcm wlr hier iaut erklären:
Der wahre Schuldige sitzt nicht aus dieser Bank,
er fitzt dort! (Aller Augen richtcn fich auf Nhot.)
Wir haben Zhnen, mrtne Herren Gesckworencn,
weiter nichts ,u s-g-n. Wir Lenden un» an Zhr

des Fürsten mit denen des Volkes zu verschmel-
zen, ein Hoch. Hr. Lamey trat hierauf in den
dichten.Kreis der Sänger und versicherte, wie
die „Bad. Ldsztg." meldet, daß ihn dieser Be-
weis deS Vertrauens nm so mehr freue, da er
in letzten Aeiten so viele Angriffe habe erdul-
den inüssen, so viel Böses über ihn gesagt wor-
den sei, was aber (sngte er in treuherziger,
gewinnendster Weise hinzu) „Alles nichl wahr
sei."

Freiburg, 14. Septbr. Heute Nachmittag
traf, wie der „Bad. Bcob." berichtet, aus der
Würzburger Generalversammlung der kathol.
Vereine nachsteheudes Telegramm ein: „Herr
Hofkaplan Strehle in Freiburg. Die kathol.
Generalversammlung in Würzburg hat soebcn
Sr. Excellenz dem hochwürdigsten Hcrrn Erz-
bischof Hermann in Freiburg in Anerkennung
der sesten und muthvollen Vertretung der
kirchlichen Rechte in der Schulfrag; von Sei-
ten Hochdesselben ein begeistertes dreifaches
Hoch ausgebracht. Baron Moy, Prästdent."
Jm hohen Auftrage des hochwürdigsten Herrn
Erzbischofes wurde unverzüglich zurücktelegra-
phirt: „Hrn. Baron Moy in Würzburg. Se.
Erzbischöfl. Excellenz zollen der kath. General-
versammlung den gerührtesten Dank für die
Anerkennung oberhirtlicher Pflichterfüllung.
Strehle."

Stuttgart, 15. Sept. Unter der demo-
kratischen Partei Würtembergs ist eine so starke
Spaltung emgetreten, daß die gemäßigtere
Fraction der Demokratie gegenüber der radi-
calen des „Beobachters" ein neues Organ zu
gründen im Begriff steht, das vom 1. Octbr.
an als Wochenblatt unter dem Titel'der „Hoch-
wächter" erscheinen soll. (F. I.)

Darmsta-t, 14. Septbr. Der statistische
Congreß, der hier zusammentreten solltc, darf
durch die Weigerung Preußens, denselben zu
beschicken, vorerst als in die Brüche gefallen
betrachtet werden.

Aus Naffau, 12. Sept. Wie bei uns
die vom Herzog anempfohlene Versöhnungs-
politik betrieben wird, mag Folgendes erklären:
Am 30. August hatten Dr. Braun von Wies-
baden und die Gebr. Moriz und Julius Wig-
gers von Nostock, welche Lctztere bei Ersterem
einige Zeit zu Besuch waren, einen Ausflug
nach Rauenthal gemacht zu dem Gutsbesitzer
König (liberalem Vertreter des höchst besteuer-
ten Grundbesitzes in der nassauischen ersten
Kammer). Während sie dort weilten, brachten
ihnen einige Rauenthaler Bürger ein Musik-
ständchen, das mit einem Hoch auf die beiden
Wiggers und Dr. Braun schloß, worauf zuerft

Herz und Ihr Gewtssen, um dteser armen Frau
ihr gutes Reckt zu Theil werden zu lassen."

Der Vertheidiger verzichtete nach diesem Vortrage
auf das Wort. Der Präsibent resumirt dte Sache
in wenigen, tiefbewegten Worten, um zu sagen,
daß die Angeklagte sehr unglücklich war, schwer
gelitten hat und für thre verzweifelte That grau-
sam bestraft worden ist. Unter allgemeiner Zusttm-
mung schließt er mit der Bemerkung, daß die Ge-
schworenen mit ihrem Herzen wohl gern auch ihre
Börse öffnen werden.

Inzwischen hatte ein junger Mann Beiträge uyter
den Anwesenden gesammelt. Er hielt auch dem Nyot

Umstehenden zurück, als dieser nach langem Suchen
in der Westentasche nnige Sousstücke spenben wollte.
Nach einer Berathung von fünf Minuten sprach dte
Iury einstimmig ein „Nichtschuldig" auS. Llaudine
Labbe wurde in Freiheit gefetzt und erhielt im
Deliberationszimmer des HofeS die Summe von
600 Fr.. welche die Richter, die Geschworenen und
das Publikum für sie zusammengesteuert hatten.
Nyot aber mußte von den HuissierS und GenSd'ar-
men durch eine Seitenthür entlaffen werden, da
 
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