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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 179-204 August
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Vtidelbtrgrr Itillmg.


Mittwoch, St. August


* Politische Umschau.

Das Landrathscollegium der Ritterschafk und
Landschast Laueuburgs habeu untcrm 17.
an die Herreu Bismarck uud Rechberg eine
Vorstelluug gerichtet und dicsclbe dem Buudes-
tag mit dcr Bitte um Beistand mitgethcill. Zn
dcrselbcn weisen sie auf schlageude Weise uach,
daß burchaus nicht, wie in den FricdeuSprali-
minarien aufgenommen ist, ihr Land mit eincm
Theile dcr dänischen Staatsschuld und ebenso
der Kriegskosten belastet werden könne. Lauen-
burg geht die dänische Staatsjchuld so weuig
an, alS die türkische, und da es au dem Kriege
keinen Theil genommcn, so kanu man ihm
auch nichl wohl zumutheu, an den Kosten zu
bezahlen.

Der Congreß der deutschen Volkswirthe, der
soeben zu Hannover jeine Sitzungen beendigt,
hat iu die stäudige Deputation erwählt, die
Herren: Brau», Lette, Böhmcrl, Michaclis,
Faucher, G. Müller, Hopf. Schulze-Delitzsch,
Albrecht; die Cooptation ergab: Classeu-Kapxel-
mann (Köln), Grumbrecht (Harburg), Weigel
(Kassel), L-chröder (Mannhcim), Knorr (Mün-
chen), Woiff (Stcttin), Reutzsch (Drcsden),
Röppel (Dauzig), Strackerjan (Oidcnburg),
Prince-Smith (Berliu), Sonnemaun (Frank-
furt), Wichmaun (Hamburg).

Wie in Sydtprol, so habeu auch in den vene-
tianischen Provinzen zahlreiche Hausdnrch-
suchungen und Verhastungeu stattgesunden.

Zn Großbritannien ist eine Adresje des bri-
tischen Volkes an die Bewohner der Vcreinigten
Staalen im llmlaus, woriu im Ramen dcr
Menschlichkcit cinc friedliche Beilcgung deS
Streites mit deu Südstaateu empsohleu wird.

Die französische Regierung vcrhandelt, sagt
man, in diejcm Augenblickc mit der italieni-
schen wegen Abtretuug der Zujel Elba, dic
als Privatdomäne dcs Kaisers zu ciner „Er-
inneruugSstätlc an den Oheim" verwaudt wer-
den soll.

Die Lage iu Algerien ist nach eincr
Correspondcnz des „Schwäbischen Äierkur "
weit bedeukiicher, als dic Regieruugsorgaue bis
jctzt eiugestcheu wollen; eS gährt in allen ara-
bijchcn Stämmen, uud ohne uinsassende Maß-
rcgcln ist ein allgcmeiner Ausstaud uuveriucid-
lich. Zn Ermangelung pojitioer Einzclnheiten
müsseu wir uns für jctzt auf dieje ailgcmeiue
Audeutung beschräukeu.

Das südstaatliche Corsarcnjchisf „Georgia,"
wclches nach Portugal steuerte, wurde von der
Unionistenfregattc „Niagara" genominen uud
nach Rew-Aork gesendet. — Bcrichte aus Me-

xico — in ftanzöstschen Zeitungen nämlich —
meiden sortwährend die bestcn Ersolge dcr kai-
jerlichcn Truppcn über diejenigcn des Präsiden-
tcn Zuarez; doch will die Sache zu keincm
Ende' kommcn.

Ein päpstliches Sendschrciben über
die Schnlfrage in Baden.

III.

Der Herr Erzbischof zu Freiburg selbst hat
in der vsftciellen und für allc Welt in dem
„Freiburger Kirchenblatt" verössentlichten Vor-
stcllung an Se. Königl. Hoheit den Großherzvg
vom 2. Mai auSgesprochen: „Die katholische
Kirchcnbehörde hat ihre Freiheit stels auf das
PP'itive Recht und gerade aus das 1860 pro-
klamirte Prinzip der Selbststäudigkeit gestützt
und hiernach ausgeübt. Hierauf bcruhte daS
seichcrige fricdlichc Einvernehmen zwischen der
Staats- und Kirchenbehörde."

Es will jeit 1848 wahrlich viel heißen, wcnn
cine katholische Kirchenbehörde in einem pari-
tätischeu deutschcu Staat cine bcsricdigte Stim-
mung über das ihre Rechte betrcffende Gcsetz
und das thatsächlichc Verhalteu der StaatSre-
gierung ausspricht I Ju der That ist abcr auch
ein großer Theil der Bcvöikcrung, Kathoiikcn
uud Prolestantcn, Frcunde und Gegner der
gegcnwärtigen Verwaltung, von dem Bcdenkcn
ersüllt, daß die Suminc der Zugeständnisse
ciue übergroße, sür die Dauer nicht erträglichc
sci, und der weithin bekannt gcwordenc, die
Verwaltung von 70 Mill. Eulden Vermögen
bctrcffendc Ausspruch eincS badischeu Geistlichen
auf der Verjamnilung in Franksurt kann alS
cine Jllustration von dcr Gcgenseite gcltcn.
Mit welchem weitgreifenden Wohlwollen ist bis
auf diesen Tag, abgesehcn vou andern Hiise-
ieistungen des StaatS für die Mrche, insbesou-
dere die Heranbildung auch der kalholischen
Geistlichen von der staatlichen Administration
unterstützt wordeu I Auch heutc noch wird der
— ungehemmt im kirchlichen Seminar und
Convict hcrangebildetc, auch mit landcsherr-
lichen Stipendien uutcrstütztc katholische Thco-
loge seines .BerusS «egcu sreigegeben von der
Conscription, wie er als Theologe vorjchrists-
mäßig milder behandelt avird, wenn er um Be-
sreiung vom Eollegicnhonorar nachjucht! Ilnd
in allen dicsen Dingen ist trotz der ernstcn
Ersahrungcn, wclche dcr Staat i» dcm lctzten
Jahr über die Haltung der Kirche in ihrcr
neucn Stellung gemacht hat, bis zur Stunde
keinerlci Aendcrung eingctreten. Was war und
ist also daS von dem Hrn. Erzbischof als Stütze

angerufene positive Rccht speciell in Betreff der
Volksschule und iuSbcsondcre der Aussicht über
dieselbe vor uud nach der 1860 proklamirten
Selbstständigkeit der Kirche?

Vor 1860 war die Schulaufsicht durch die
landesherrliche Verorduung von 1834 festgc-
stellt. Es gab eine — confessioncll geschiedene
— auS Gcistlichen und Laien zusammengesetzte
Oberschulbchörde, Geistliche als Bezirks-Schnl-
visitatoren in der Mittc, nnd unter den Orts-
geistlichen als Orts-Schulinspector, der auch
Vorsitzendcr des OrtS-Schulvorstandes war.
Aber die Geistlichen wurden damals von der
Staatsregierung angestellt und vcrwaltetcn ihr
Amt in der Schulaussicht uur im Auftrag des
Staatesl Und gerade sür die katholijche Kirche
war dies rücksichtlich der Oberjchulbehörde noch
ganz anderS ersichtlich, als sür dic evangclische,
weil dcr „tätholische Oberkirchenrath" nicht wie
dcr evangelijche zugleich die oberste Kirchenbe-
hörde war, sondern gerade die Rechte des Staa-
tes gegenüber der Kirche zu vertretcn hatte und
deshalb tm Kirchenstreite sogar mit der Excom-
muuication hcimgesucht wurde. Die Verbindung
war wohl eine thatsächliche in der Person des
vom Staat beauftragten Geistlichen; allcin
wenn, wie das der Hr. Erzbischof selbst einmal
ersahren hat, die staatlichc Schulbehördc diescm
Mann Etwas abverlangte und dic Kirchendc-
hörde dasjeibe verbot, jo mußte der Geistliche
dcr Schulbehörde Folge' leisten. Zn dem Re.
ligionsuntcrricht hatte der Erzbischos nur die
„Mitaussicht l"

Was ist nun das „pvsttive Recht" »on 1860?

Dcr Staat Proklamiric allcrdings die Selbst-
ständigkeit der Kirche, verzichtete auf Rechte
über sie, insbesonderc überließ er der Kirche
dic Anstelluug der Gcistlichcn. Seine Rcchte
iu dcr Aussicht und Leitung der Schule hat er
abcr uicht mit seinen Rechten über die Kirche
und Geistlichen an diese hinweggeben wollen,
vielmehr für Jedermann unniißverstäudlich das
ncue Rechtsvcrhältniß so fcstgellt:

1) „Das öffcntliche Unterrichtswesen wird
vom Staate geleitet (§ 6 des GesetzeS vvn 1860),
und 2) den Religionsunterricht überwachen und
bcsorgen die Kixchen für ihrc Angehörigen,
jedoch unbeschadet der einheitlichen Leitung der
Unterichts- nnd Erziehungsanstalten."

Nach diesem Gesetz hat also die Staatsregie-
rung, deren Macht über Stellung und Person
dcr Geistlichen ais solcher aufhören soll, sich
wie bisher die Lcitnng der Schulen vorbehalten,
den aus seincr Gewalt enilaffenen Kirchen da-
gegen daS Gebict des Rcligionsunterrichts zur
Verwaltung mitgegeben.

lileber die Vorfällc in Gens.
(Schluß.)

Um 7 llhr wurde eine Proclamation angeschla.
gcn, dcs Znhalts: „Der Staarsia'th bcschwört allc
Bürger von Genf, ihn in seincii Bemühungcn,
dic Ordnung autrccht ju -rhaitcu, zu unterstüxcn.
Er rcchnct auf die Vatcrlandslicbc dcr Bürgcr.
Moscs Vaulier." llm dtc gleichc Ziit capitulirtk
die Rcgierung gcgcn Abgabe ihrcs EhrcnwortcS,
die Radikaien zur Entwaffnuug zn vcrmögcn. Sie
bcgad sich mit dcn Wcibeln zu dcn Barrikadcn und
hiclt langc Bcsprechung mit den Radikalcn, wclchc
zuerft nicht nachgcbcn wolltcn, cndltch abcr dcn
Verkchr wicder öffnctcn und die Barrikaden vcr-
tießcn. Das RalhhanS wurde mit Rekruten aus
dcm ftagcr (klan äes Ountes) bcsktzt, der eivge-
nösffschc Obcrst Hartmann übcrnahm das Platz-
commando. Die Knnonen wurdcn dcm Zeughnus
zurückgcgcbcn. Aüßlr den tm Zugc Gcsallcncn,
wurde noch auf dcm Granv Quai von Gasscn-
bubcn cin Arbciter crschosscn, cin andcrer foll in
dcr ku« äe Lornnrin gctödtet wordcn sein. Man

zählt im Ganzen 8 Todte. Am Abcnd des Mon-
tag war dic Ruhe hcrgestcllt, auch dic Nacht und
die folgcnden Tagc blicbcn ruhig, so daß man
zum crhcblichcn Trost annehmcn kann, dic Attcn-
tate scicn in der That nicht den Radikaken im
Allgcmeincn, sondcrn nur cincr radikalen crtrcmcn
Kraction dcrselben znzuschrcibcn, welche zn Allcm
fähig zu seiu schcint und die, fcige und heimtückisch
wic sic gchandctt, sich in dcn Schattcn zurückzog,
als sie mcrkte, daß der Schuß nicht seine crwartcte
Wirkung ihat. Dicsc crtremc Fraction hat cs übci-
gcnS glücklich dahtn gebracht, sich und ihrem Füh»
rer bcfintttv den Hals zu brechcn, dcnn nach dlcser
praktischcn Aufsührung ihrer Grundsätze wird Nie-
mand mehr von der Dcmokratic der kruitiors ck'4p-
xenveli etwaS wiffcn wollcn. Am Mittag dcS 23.
trasen dic cidgenössischcn Commissärc cin, nm 6 Uhr
AbcndS, wcil bie Znvcpcndeiltcn «ine angesagtc
Volksvcrsammtling nicht abbestcUen wollten, dic
znr Ordre dcr Commiffärc gestilltcn waadtlän-
dischen Truppcn. Die Volksvcrsammlung lies in-
dcffen ohne namhastes Rcsultat und sricdlich ab.
Die Becrdigung dcr Todtcn sollte am Mittwoch
stattstndcn, wurde abcr, um bic noch immer gc.

retzte Stimmung'fich etwaS auscbnen zu laffcn,
auf Donnerstag verschoben.

Die lctzte Nacht war ruhig und heute (24.) hat
Gcnf wieder scin gewöhnltchcs Aussehcn angcnckm-

vorhanden, dic jedcn Angenbkick zu ncuen AuS-
brüchcn führcn könntc. Dcmzufolge habcn vic Lom-
miffärc das Bcgräbniß dcr acht Todtcn auf dcn
Donncrstag vcrschoben und inzwischcn noch zwci
Bataillonc Waadtländer nach Gcnf bcordcrt. Zum
Platzeommandantcn wmdc der etdgcn. Obcrstlieut.
Amstntz von Bcrn ernannt. Die Gcnscr Truppcn
wurdcn aus dcr Stadt entlasscn und in ihr Lagcr
zuruckbcordert. Sie sollcn sich schr gut bcnommen
habcn. — Dcr Bundcsrath hat in Folg« scincr
Schlußnahmcn, -ine cidgcn. Untcrsnchnng Lber dte
Vorgängc in G-Nf zu cröffncn, cincn BundcSan-
walt tn der Pcrson des RationalrathcS Mtgy tn
Bcrn bczcichnct und dcnsclbcn -rfucht, fich bcjör-
d-rlichft nach Genf zu bcgcbcn. Iuzwischen wird
dic R-gicrung von Gcnf ersucht, tbr« llntirsllchling
fortzusctzcn.
 
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