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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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Htidtlbrrgrr Ztilung.

N! 2L»


D-nnerstag, 3. N-vember LLL8K1.

'— —Anf die „Heidelberger

Zeitimg" kann man jich
--^och fnr die Mvnatc
Novemder und Deeemder mit 36 Kreuzern
abonnircn bei allcn Postanstalten. den Boten
und Trägern, sowie der Expcdition (Schiffgasje
Nr. 4).

* Polrtische Nmscha».

Man schreibt aus Sachsen, die Hcrre»
Sammler fnr daS bernhmtc Rittergut des
Frciherrn v. Benst aus und zu rc. habe» ein
jämmcrlicheS Fiasco gemacht; sic haben mit
äußerster Mühe und Noth »nr cinigc Tanscnd
Thaler zusammcn gebracht, nachdem sie über
10,000 Bricse i» Deutschland hernm gcschickt.
Als uculichst ein HandwcrkSbursche aus Leipzig
hinausgewiescn wurde, weil er mehrcre Psen-
nigc gebcttelt, — hitte er wiedcrholt dics gc-
than, so hätte er niecklenburgisch-sächsischc Hiebc
erhalten — rief ein Mitglicd der Polizeidepu-
tation aus: „der HandwerkSbursche, dcr 2'/,
>L>gr. beltclt, wird hinauSgewiescn, dic großen
Bettler, welche es mit 200,000 Tylrn. vcr-
jnchen, lassen wir iu Ruhc!"

Die „Stainpa" berichtct, zahlreiche österr.
Truppen befändcn sich in dem beunruhigten
Gcbiet, wa« auch von der „Opinione" beftätigt
wird mit dein Beisügen,- cS jeicn bercilS 50,000
Manu östcrr. Trnppen auf einem cngen Raum
zusainmengedräiigt.

Der „Frankf.Postztg." wird auS Wien tele-
graphirt: Rußland habc in einer daselbst ein-
gcgangcnen Eröfsnung bcdingungSweise scinc
Geneigthcit auSgesprochcn, im allgcmcincn Zn-
tercsse scinen Einftuß bei Oldcuburg aufzubic-
ten, von der weitercn Verfolgung der demsclbe»
cedirtcn Erbanjprüche abzuftehen.

Die Madrider „Epoca" crfährt anS guter
Quelle, daß dic Unterhandlungen über cineu
Congreß der europäischcn Mächtc sehr vorge-
rückt jind. Die Hauptanfgabe diescs Congresses
soll die Lösung der römischcn und dcr italicni-
schen Frage sein. Frankreich, Rußland und
Prcußen scheinen einig zu scin. Das Kaiser-
reich zählt auf die Znstimmung ZtalienS. und
iu Bczug auf Oesterrcich und England habc
König Lcopold bcinahe alle Hliidernisje bcseitigt.

Victor Emanucl hat, in Betracht der Finanz-
lage, freiwillig scine Civilliste um 2'/z Mill.
Lire herabgcsetzt.

Der „Prcsse" zusolgc hat das vcnctianische
Cenlral-Comite zu Turin, präsidirt dnrch den
Abgeordneten Tccchio, dcn ehemaligeu Präsi-
dcnien der Kammer, in sciner Sitzung vom

26. October beschlvsfen, die venetianische Jn-
surrcction so vicl wik »löglich zu uiiterstützcn.
ES nürd weiter bcrichtet, Garibaldi habe erklärt,
wenu sich der Aufstand noch acht Tagc halte,
werde er sich an desscn Spitzc stellcn. —
Der „Coustitutioniicl" ist höchlich crdittcrt übcr
den venetianischcn Ausstandsvcrsuch. Er tadelt
schr scharf, daß Deputirte denjelben zn nnter-
stützcn vcrjucht hätten.

Kaiser Marimilian von Mcrico hat Juarez
freieS Geleite bewilligt, wenn cr Merico ver-
lasscn würde. Man glaubt, daß Znarez dieS
annehmcn werde.

AuS Merico wird cin Sieg der Franko-
Mcxicancr über dic Juaristen gcmeldct. Die
Letzteren sollcn gcgen 500 Todte und Vcrwun-
dctc, 130 Gefangeiic u»d 20 Kanonen verloren
haben. Die Franzosen büßtei, 11 Todte und
41 Verwnndete ein, unter den Ersten de»
Obristlicutenaiit Martin und einen Licutenant.

J ir Schlesivig-H-lstoi i'scheii
Sache.

Hamburg, 1. Nov. Dcn „Hamb. Nächr."
wird aus Flcnsburg geschrieben, daß auf den
3. Decembcr anch für SchleSwig gcrade wic
für Holstein und Lauenburg eine Volkszählniig
angeordnet ist, welche gcnau innerhalb der im
Zollvercin vereinbartcn Gruiidjätzc ausziisüh-
ren ist.

Hamburg, 1. Novbr. Dic Hamburger
„Eijenbahnzcilung" mctdet aus Ratzebnrg,
daß die Landschaftsdeputation zur Unterhand-
lung übcr Anjchliiß an Preußcn nächstenS nach
Berliu geht und dort den Bcscheid des Königs
darüber abwartst, wanii er sic empfangen wollc.

D e ii t s ch l a ii d.

-? Voui Ncekar, 30. Oct. Der Mini-
stenvechsel in Wien dürfte von unmittclbar
praktischer Einwirkung auf die deutschen Ver-
hältnisse werden. A!an muß wohl anuehmen,
daß hiebci zugleich ein'Systemwcchsel eingetre-
ten ist, obgleich der Nachfolger des Grafcn Rech-
berg, der Graf Mcnsdorff-Pouilly, so viel man
hört, einerseits nicht zur Partei dcs Hrn."v.
Schmerling gehört, andererseits auch nicht in
Abneigung gegen Preußen befangen sein soll.
Dcr Miuisterwechsel kam für viele Krcise sehr
überrascheud, da mau uoch immer gehofft hatte,
der Kaiser werde das Entlassungsaesuch Ncch-
bergs nicht annehmen. Viele haben auch bis
jetzt noch nicht cine Ahnung, was die Beweg-
gründe zu dieser schleunigen Entschließung ge-

wesen sind. Die preußische Negierung hatte
in dem Glauben, Rechbergs Stellung zn Preu-
ßen sei die Veranlaffung zu deffen Ausscheiden,
noch in der letzten Stunde einen Versuch ge-
macht, diesem Ereignisse vorzubeugen. Sie hatte
in Aussicht gestellt, zur Erhaltung der sreund-
schaftlichen Beziehungen zu Oesterrcich doch noch
in den Entwurf eines neuen Handelsvertrags
den von Oesterreich so bestimmt verlangten Pas-
sus, die Hoffnung auf künstige Verhandlilngen
über die Zolleinigung aufzunehmen, jedoch
unter Verwahrung der vollen Selbstständigkeit
und Freiheit des Zollvereins. Diese Offerte
hat nun den gewünschten Erfolg, den Grafen
Rechberg zu halten, nicht gehabt, und man hat
in Berlin in dem Rücktritte dieses Ministers
den Beginn einer neuen Politik in Wien er-
kannt, wodurch auch die schleswig - holsteinische
Frage in ein ailderes Stadium treten kann.
'Natürlich kann hiebei nur von dem zweiten
Theile dieser Sache, der künftigen inneren
staatlichen Ordnung in den Elbherzogthümern
die Rede sein. Ob die übrigen Verhältniffe
in der auswartigen Politik Oesterreichs eine
bedeutende Aenderung erleiden, ist abzuwarten.
Es ift dies bis jetzt nichl mit Sicherheit an-
zunehmen.

-i- Vom Neckar, 31. Oct. Wir bemerk«
ten kürzlich, daß von Frankreichs katholischen
Herrschern eine bedeuteude Erschütterung der
Hierarchie und des päpstlichen Ansehens schon
einige Male veranlaßt worden ist. Man denke
nur an die heiüose Wirthschast von Avignvn,
an die sogerr. babylonische Gesangenschast der
Kirche; dic Statthatter Christi aus Erden waren
damals mil schmählicher Geringschätzung behan-
delte Gesangene der Könige von Frankreich.
Aber auch dic römischen Kaiser deutscher Nation,
die Ottonen, die Salicr, die Hohenstaufen sind
den Anmaßungen und Uebcrgriffen des römi-
schcn Pontisicats mit rücksichtsloier Energie und
Gewatt östers entgegcn getreten. Obwohl Hein-
rich IV. barfuß im Büßerhemde zu Canossa
stand, sügte doch die Haud der Vorsehung, daß
jener stotze, herrjchsüchlige Gregor Vil., welcher
das Cölibat einführte und dadurch den Priester-
ftaud aus dem Gesüge der normaleu gesellschaft-
lichen Verhältnisse herausriß, zu Saterno i»l der
Verbannung starb. Allein welcher Unterschied
der Zeiten von damals und jetzt! Zudem ver-
gcffe man nie, daß es sich in der römischen
Frage nicht um Dogmen, nicht um wahrhafte
Glaubensinteressen, nicht einmal um leichtere
kirchliche Satzungcn, nichl um eine Verfotgung
der geheitigten Person des Obcrhauptes der
Kirche, nicht um Forverungen, die vom reinen

-j- Literarisches.

Das Charakterültd Iesu. Ein biblischer Versuch
von 1)r. Daniel Schenkel.

Die dritte (wohlfeilere VolkSausgabe) diescs
berühmt grwordenen Buches licgt vvr uns, und
wir beeilen UnS, unsern Lescrn daffrlbe in kurzen
Zügen zu kennzeichnrn. Was Rcnan in seinrm
„Lcbrn Iesu" vom rein literarischen Stand-
punkt aus dem großen christlichen, namentlich ka-
tholischen Publikum vorführen wollte, nämlich die
retn menschliche Seite drs Stifters ter christltchcn
Religion, dasselbe will das Schenkel'schc Buch
vom thcologischen Standpunklc, vorzugSweise
sür oaS protrstantische Publikum erreichen; und
setn großrs Verdienst bestehl ebrn darin, daß er
es gewagt hat, ben unklaren Nimbus, den der
Auctoritätsglaube um die Person Jcsu gezogcn hat,
zu durchbrechen, und thn menschlich zu begreifen.
Ein Glciches hatte allerdings vor thm der sog.
„Rationalismus" gethan; er hatte dte hergebrach-
ten, dte Person Ehristi widerspruchsvoll beschrei-

Sckleiermacher zu einer andern Auffaffung
der ChristuSlehre, ohne dabei den Boden deS Ra-
ttonalismuS zu verlasscn; sein ChristuSbild ist das
sittlicke Ideal des Menschenherzens, von dem
die wunderbare Hülle abgezogen war; aber dasselbe

dürfniß angrpaßt, als auf historische Forschungen
gegründet. Diese Lücke hat nun 0e. Scheukel
auszufüllen versuckt; denn er nennt sein Buch be-
schridkner Weise selbst eincn „Versuch"; sein Chri-
stusbild ist ein auS den Quellen gearbeiteees C h a-
rakterbild von dem Iesus von Nazareth, wte
er unter dcm Volke gewandclt, wte er gelehrt, ge-
litten, gekämpft »nd gesiegt hat, mit einem Worte,
eS ist das Bild der menschlichen Erscheinuug
Jesu Christi. ünd dartn ltegt eben der hohe
Werth dieses BucheS; deun nur ein menschliches
Ideal können wir begreifen, lieben und verehren,
nur ein menschliches Ideal können wir nachahmen. s
Und darum hatte der Verfasser ganz Recht, wenn

meinde vorgeschwebt habe.

Als Anlaß, jetzt mit dem schon längst vorberei-
teten Buche hervorzutreten, gibt der Verfaffrr in
der Vorrede an, daß daS Aufsehen, wclchrs daS
„Leben Iesu" von E. Renan hervorrief, ihn daran
erinnert habe, wie nöthig es ist, bem Bcbürfniffe
unserer Zeit nacd einer ächt menschl ichcn, wtrk-
lich geschichtlichen Darstellung des Lebcns-
bildes Iesu entgegenzukommen. Daß er dadurch
auf großen Widerstanb stoßrn würbe, konnte er
wohl vorauSsehen; und wirklich hat rr das ganze
Heer der alten Orthodorie und deS AuctorttätS-
i glaubens, der dadurch tn seinem tnnersten Mark
, erschüttert wird, gegen sich wachgerufen. Die Pro-
testgeschichte und der vortreffliche Erlaß deS Ober-
kirchenraths sind unsern Lesern zur Genüge bekannt.
Aber dieses takt- und maßlose Aufbrausen der
Gegner, die keine andere religiöse und ktrchltche
Richtung neben sich dulden wollen, hat dem Buche
den großen Vortheil gebracht, daß es jetzt schon
vor Umstuß eiiies Iahres in dritter Auslage er-
 
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