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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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N'! 216. Mitt'voch, 14t. «eptember

"" Auf die „Heidelberger

i > . Zeitung" kann man sich

noch für den Monat
September mit 18 Kreuzern abonniren bei
allen Postanstalten, den Boten und Trägern,
sowie der Expedition (Schisfgasse Nr. 4).

* Politische Umscha».

Die cnglischen Wochenblätter beschästigen sich
sortwährcnd viet, aber nicht in sehr freundlicher
Weije, mit Deutjchland. Am frcundlichsten ist
gegen Deutschland, wie immcr, die „Saturday
Review", zu dercu Mitarbeitern eben viele
Schriststcller von tiefercr Bildung gchören;
abcr dicje Woche cnthält ste nichts als Stipu-
lationen üder die Zukuuft dcS Zollvercins; cin
Rcsume der in Dcutjchland hcrrschenden An-
sichten. Die „London Review" ift überzeugt,
dcch Rußlaud uud Frankreich die letzte Schmach
— nämtich die prcußische Erpressung — von
Däuemark abwenden würden, abcr man wcrde
sich die gute Absicht merkcn und bei Gelegen-
heit in Rechnung bringen. Der „Examiner"
gibt dcn Deulschen zu bedenken, daß sie gar
kcincn Grund hätten, den Renomnnsten zu
spielen; auch nach erlangter Einheit würden sie
genug zu thun habcn, sich gegen Frantreich und
Rußland zu behaupten.

„Morning-Post" tadelt daS Berfahren Preu-
ßcns, welchcs durchanS keiu Rccht habe, sür
die Herzogthümcr irgend einen Thcil der Sund-
zollentschädigung, noch cincn Antheil an dcr
dänischen Ftotte zu beanjpruchen.

Die Zollconsercnz zwischcu Ocsterrcich und
Prcußen wird in Prag stattftnden. Der Ter-
min sür den Beginn derselben ist noch nichr
festgesctzt.

Die „Bayer. Ztg." erklärt, daß die königl.
Rcgiernng mit dcr Ancrkennung des Königs
Gcorgios von Seiten OcstcrreichS sich nicht
ausdrücklich einvcrstandeu erklärt habc.

Für den durch den Tod deS KardiualS von
Geisscl erledigtc» 'Kircheustuhl ist am königl.
Hofe uud vom gesammten preußijchen Adel
Bischof Frciherr v. Ketteler in Aussicht ge-

nommcn.

Dem Vernehme» nach wird jich dcr Kaiser von
Ocfterreich in den nächsten Tagen nach Berli»
zum Besuche des prcußischcn Hofes vegeben,
und bei dieser Gelcgenheit den im laufenden
Wonat dasclbft ftattfindcndcn Herbstmanöveru
beiwohnen.

Hamburger Nachrichtcn bcstätigen, daß die
skandinavischen UnionSpläne von Frankrcich.
wieder aufgenommen wüxdcn, — Nach dem

„Mondc" ist die Verlobung dcS Großsürsten
Thronfolger von Rußland mit der Prinzessin
Dagmar zu Kopenhagen erfolgt.

Jn dcm großen Pöleuproccß, welcher gegen-
wärtig in Bcrlin verhandelt wird, wurden
gcftern 8 Angeklagte vorläufig der Haft ent-
lasscn.

Der Druck und die Berbreitung der Proto-
kolle dcS zu Mccheln abgehaltcncn Katholikcn-
CvngresseS joll in Frankreich verboten werden.

Der RcgierungSrath von Luzern hat beschlos-
sen, die Competenz des BundeSratheS in Be-
treff des Handelsvertragcs mit Frankreich zu
bcstrciten.

Gcneral Bazaine, der Oberbefehlshaber in
Merikv, ist zum Marschall erhoben worden.
Bazaine wird jedoch nicht nach Frankreich zU-
rückkchrcn, che er die juaristische Partci ver-
nichtet hat.

Jn Reapel wurde am 7. der JahrcStag deS
EinzugS Garihaldi'S und'der Bertrcibung der
Bourbonen fcstlich gefeicrt.

Einer der gefährlichsten und grausamsten
RLuber im Neapolrtanischen, Francesco Piazza,
genannt Cuccito, hatte sich anf das pipstliche
Gcbiet geflüchket, war aber hier dcn sranzöj.
Gendarmen in die Hände gefallen und dann
den italienischcn Behörden ausgeliesert worden.
Nach dcm Pungolo von Neapcl ist der Proceß
dicses VerbrcchcrS »nd eincr Anzahl seincr
Genosscn zu Endc geführt. Dem AuSspruche
der Geschworenen gemäß wurden Piazza zum
Tode, Giuieppe Contc zn leberisläiiglicher
ZwangSardeit, sechs Andere zu vcrschicdencii
gcringeren Strajen verurtheilt, zwei Angekiagte
aber freigesprochen.

Zur Lchleswitz-Holstertt'fcheri
Enche.

Die „Hamb. Nachr." fordern in einem in-
spirirten Artikel auS Nendsburg die schleswivg-
holsteinischen Patrioten auf, vortäufig freiwillig
auf die vom Augustenburger beschworene und
die Haupthindernisse seincr Anerkennung abge-
bende Landeöverfassung zu verzichten, da von
dem Edelgesühl des Herzogs, wenn er einmal
znm Throue gelangt, sichertich zu ermarten sei,
daß er die Landesverfassung mit der Zustim-
mung der Stände wieder einführen werde.
Derartige Machinationen im Sinne Bismarck's
vcrnimmt man fortwährend, wird aber hoffent-
lich ohne Ersolg bleiben. — Die zu Flensburg
wieder erwählten Magistratsmitglieder sind nun
bestätigt worden.

Wien, 8. Sept. Wie die „Presse" wissen


will, würden nach Abschlnß des Friedens mit
Dänemark bis zur definitivcn Rcgelung der
schleswig-holsteinischcn Sache 30,000 Preußen
in den Herzogthümern dleiben; auch Oesterreich
würde eine verhältnißmäßige Truppenzaht dort
laffen.

Dentschland.

Kurlsruhe, 12. Scptbr. DaS hciite er-
schienene Regbl. Nr. 43 enthält eine Dekannt-
machung des großh. Justizministeriums: Die
Geschäftsordnung für die Gerichtsnotare und
für die Notare betreffend.

Aus B-iden, I.Sept. Die von dcm Cen-
tralburcau des Zollvereins herausgegcbenen sta-
tistischen Uebersichten der Fabriken, dcr HandelS-
und Transportgewerbe, sowie der Haudwerker
u.s.w. im Gebiete dcs Zollvereines sind zwar
nach den amtlichen Aufnahmen des Jahres 1861
bearbeitet, sie sind aber immerhin der Beachtung
werth und eine allgemeinere Verbreitnng der-
selben dürfte, selbst wenn man erwägt, daß
inzwischen die Gewerbefreiheit 'im Großherzog-
thnm Baden eingeführt wurde und die Verhält-
nisse sich hierdurch wesentlich gcändert haben,
wünschenswerth erscheinen. Wir lassen für heute
die Zaht der Handwerker und der vorherrschend
für den örtlichen Bedarf beschäftigten Gewerbe-
treibenden und Künstler nachstehend folgen, wo-
bei wir bemerken, daß nur die Meister oder
für eigene Rechnung arbeitende Personen. nicht
aber auch die Gehilfen und Lehrlinge sich da-
runter befinden. Wir haben im Großhcrzog-
thum Baden: 2598 Bäcker, 182 Conditoren
und Kuchenbäcker, 6 Versertiger von Produkten
aus Getreide, Mehl und Starke, 1850 Fleischer
und Wurstmacher, 561 ,Fischer, 178 Kunst-
und Handelsgärtncr, 584.Barbiere, 29 Friseure,
21 Jnyaber von Badeanstalten, 107 Jnhaber
von Waschanstalten, 74 Wasenmeister, 429
Gerber, 249 L>rifensieder unv Lichterzieher, 5
Streichriemenverfertigcr, 9 Tintenbereiter,' 429
Steinmetzen, 579 Töpfer, 868 Glascr, Glas-
schleifer und Glasbläser, 3711 Maurer, 407
Anstreicher, Zimmer- und Schildermaler rc..
2355 Zimmerleute, 49 Brunnenmacher, 88
Schieferdecker, 139 Pstästerer, 90 Schornstcin-
feger, 88 Mühlenbauer, 4 Spritzenmacher,
2446 Räder- und Stellmacher. 7 Wagenbauer,
33 Schiffbauer, 2968 Grob-, Huf-, Pfannen-
nnd Kettenschmiede, 2052 Schlosser und Zeug-
schmiede, 11 Waffenschmiede, 67 Nadler, Haftel-
und Siebmacher, 27 Gürtler und Knopfmacher,
76 Kupserschmiede, 12 Roth-, Gelb- und
Glockengießer, 408 Klcmpner in Blech und

Drr Entlastungszeuge.

Dcr Schuhmacher F. in Berlin wurde tn einer
Nacht von einer Patrouille vor einem Hause unter
den Linden sitzend betroffen. Welche Absichten ihn
hierher führten, wiffen wir nicht. Als er darnach
grfragt wurde, erging er sich in Grobheiten gegen
die Soldaten, und diese brachten ihn zur Haft.

Vor Gericht ist F. so sanft wie ein Lamm in
Gcßner's Jdyllen. Er gesteht sein Vergehen ein
und schiebt die Schuld davon lediglich auf den
Spitz, den er sich in einer Menge Seidel baye-
rischen Biers gekauft hatte, was, wie er versichert,
ganz gegeu seine Gewohnheit, da er ein arbeit-
samer, ordentlicher und ruhiger Handwerker tst.

Präsident. JhrerVergangenheit dürfcn Sie sich
eben nicht rühmen. Sie sind bereits wegen Dieb-
stahls mit 3 Monaten bestraft worden und hcute
stehen Sie untcr der Anklage des nächtlichen Um-
hertreibens.

F. Was das anbelangt, so hab ick keene Furcht.
Ich habe'n Entllastungszeugen, der wird jleich
kommen. — Mein Wtrth wird Zhn'n schon sagen,
wer ick bin.

Wirth. Jck kenne F., er wohnt wirklich bei s
mir — det heeßt nich immer — mal acht Daje,
denn verschwindt cr wieber — denn kommt er wie-

zurück — na, un so jeht's des janze Iahr.

Präs. Arbeitet er denn nicht als Schuhmacher?

Wirth. Ia wohl — unjlücklicherweise.

Präs. Weßhalb unglücklicherweise?

Wirth. Ja, sehn Sie, eben als er bei seinem
Mrtster arbeit'te, stohl er ihm een Paar najelneue
Stiebeln. Jck denke, ick bin in dieser Ieschichte
als Zeuge vorgeladen? Oder is et wegen die Je-
schichte vor die Ieschwornen? Ick dachte, deS wäre
längst vorbei.

Staatsanwalt. Welche Geschichte vox den
Geschwornen?

Wirth. Des wiffen Sie nich? Na, wegen i^e
Jcsckichte, wo F. mit vier andere Kerls 1L00 Thlr.
jestohlen hat.

F. Ha'ten Sie doch lieber das Maul, verstehen j
Sie mir? — Ick habe Ihn'n als Entlastungs- ^
zeugen vorladen lassen und Sie reiten mich ersckt !
reckt rinn bis über die Obren. — Schafskopp!

Wirth. TeS hätten Ste mir fagen müsstn!

Habe ick es Jhnen nich voransjesagt, daß es so
kommen wird? Wissen Sie wohl, wie Sie damals
ber Iette die joldenenOhrringe fortnahmen un ver-
sctzten, da sagte ick Ihnen —

Staatsanwalt. Was tst daS mit den Ohr-
rtngen?

Wirth. I des wissen Sie och nich? Da stahl
er den Dienstmädchen bei den Apothcker bei mir
im Hause, Namens Iette, etn Paar Ohrringe
und versetzte fie.

F. Ne wirklich, so was DummeS iS mir noch
nich vorgekommen.

Wirth. Ick sagte 's Jhnen schon damals, alS
Sie mir meinen Rock stahlen. F., sagte ick, alle
Leutc sind nich so wie ick, nehmen Ste sich in Acht
oder Sie kommen über'n Berg (in's Zuckthaus).
Nein, Mönsch, Sie sind wirklich zu leicktsinnig!

Staatsanwalt. Hat er Ihnen einen Rock
gestohlen?

Wirth. I, nich bloß eenen Rock, er hat mir
och Danben jestohlen.

F. Na, ick danke Ihnen, wenn ick mal wieder
was brauche, denn werb ick mir bei Jhnen melden !
— (Acrgerlich.) Sie dämlicher Krrl, Sie find ja
 
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