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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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der Sache und die Vdrzüge deS Neucn absicht-
lich verschweigt, hebt man um so gcschäftiger
die vermehrten Laitcn der RcchtsPflegc hervor,
dic doch vicl ärmere Länder recht gern mit dem
Bcwußtjein tragen, wie gut sie angewendet
sind. Da durch solche Angrifse an dcr Sache
nichts mehr zu Lndern ist, so können ste augeu-
scheinlich nur hcn Zweck habxn, Unzufriedcn-
heit zu erregen und das Bolk gegen die ncuen
Gesetze, jowie gegen die Regierung, die ste her-
beigesührt hat, anfzurcizen.

Mögcn dem Volke diese schuftigcn Machina-
tionen alS ei» neues WarnungSzcichen dieneu,
um den Wolf im Schafspelzc zu erkennen und
sich zu überzcugen, daß cs Leute gibl, dcncn
in allen Dingen keiu Mittel zu schlccht ijt, um
die Handlungcn der Regicrung zu vcrdächtigen
und Mißtrauen zu jäcn. (K. Z )

Freiburg, 24. Sept. Ein gewisser Hero-
stratuS — so erzählt die Sage — wolltc sich
nicht länger genügen lassen, zu jener Sorte
von Menschen zu gehorcn, von welchen die
Weli nicht viel mehr wciß, alS daß ihrcr zwölf
auf cin Dutzend gehen. Wcil er aber sonst
keine Mittel »nd Wcgc fand, von stch rcdcn zu
machcn, jo gerieth er schlicßlich auf den Einfall,
den berühmten Dianentcmtzel zu EphesuS in
Brand zu stecken. Dachte man in Zukunst des
Tempelö, so mußte man ja nothgedrungen auch
dessen gedcnken, der ihn angczündet hatte, unb
so durftc HcrostratuS sichcr sein, daß sciu Name
auf die Nachwelt kommen würde.

An diese Geschichtc fühlte sich Schrcibcr dic-
jeS unwillkürlich erinncrl, als er iu dcn Zei-
tungen laS vou den Thateu, die ein Hcrr
Rcchtsanwalt Brummcl auS MoSbach bei dcr
Ultramontanenversammlung in Würzburg ver-
richtcl. Hcrr Brummel hat stch dajclbst nichts
Gcringercs als daS badischc Staatsgebäudc znm
llxfer seiner herostratischen Rnhmbedürstigkeit
erkorcn, und eS, da scine Mittel nicht zur
Brandstiftung hinanreichen, wenigstenS uach
Krästcn mit Koth beworsen. Zur Unstcrblich-
kcit langt eS nun damit wohl nicht, ader cinc
gcraume Zeil lang wird nun doch wohl, wo
BadenS und seineS freisinnigen Fürsten, jeincr
volkSthümlichen Regierung gedacht wird, mit-
untcr auch jenes badischcn RcchtsanwaltS Er-
wähnung gcschehen, der sein Baterland und
AlleS, was dcsfe» Stolz und Glück auSmacht,
vor einer Bersammlung von Ultraiuonlancn
auS allcr Herren Ländcrn so niedrig zu schmäheu
vcrmochte. Za, so ein acht odcr vierzehn Tage
wird sich Badcn wohl gefallcn lasscn müsscn,
daS unfcine Rcuomme dcS Hrn. Brummel in'S
Schlexptau zu nchmen.

Jencr exhestschen Brandstiftercelebrität kann
nuu allerdingS, abgejchcn von der Originalität
deS Einfalls, eine Art von HeroiSmnS, eine
gewisse Größc in der Erbärmlichkeit nicht ab-
gesxrochcn ivcrden. Zum Mindesteu hat er
seine zeitliche Eristenz an seinen Nachruhm ge-
setzt, denn die Justiz von ExhcsuS wird mit dcm
Zerstörer dcS DiauentcmpclS schwerlich so säu-
derlich umgegangeu sein, wie der Besudler sci-
nes VatcrlandcS von der badischen Strafrechts-
pfiege cS vorauszusetzen Grund hattc. VorauS-
sichtlich wird ihm dieselbe nicht den Gefallcn

Aie vcrhandlungen dcr verjämmluug dcutscher
Hatclbcsttzcr

fanven am 17. zu Braunsaiwcig statt und wurbcn

eröffnet, woräuf, da Hr. Reusch aus Gesundheits-
rücksichlen verzichtete, Hr. L. Schrader durch Accla-
mation zuin Prasidentcn gewählt wurde. Gcgen-

Klagen der Reisendcn über die Bcrechnung dcr
Wachskcrzen; 2) die Klagen dcr Reifenden übcr
dic kleincn Weinflaschen; 3) dic Schwierigkett,

lung als nicht ganz ungegzündet ancrkannt und
beschlossen, dicselbcn, beziehungsweise das Gceig-
neie zu deren Abhils- bis znr nächsten Verfamm-
iung in Erwägung zu ztehen. Bezügiich d-S drttten
GegenstandcS ward befchlossen, vaß jedes Mitglicd
sich zu vcrpsttchten habe, -inem abgehenden Dtenst-
bdten cin mtt dem BercinSfiegel zu versehendes
wahrheitsgeireucs Zeugniß auSzustellen. Außerdcm
machic der Präfident uoch auf daS Brandkassen-
weseo tm Herzogihum, Braunschwlig ausmerksam,

thun, durch amtliche Notiznahme von seinen
ungewaschenen Tiraden jeine herostratische Un-
sterblichkeit um cinige Wochcn zu verlänger».

(«r- Z.)

Älus Baden, 20. Sept. Die Allgemeine
Zeitung schreibl: „Eine Ausschließung des
Psarrers aus oem Ortsschulralh kauu iu einem
äußersten Fall (wegen schwerer dienftlicher Ver-
gehen) nur dann verfügt werden, wenn die
obere Kirchenbehörde die beantragte Abhilfe
nicht selbft bewirtt. Wir haben dieje Beftim-
mung gern bemerkt, weil sie ein weiterer Beleg
dafür ist, daß der Slaal bei seiner durch un-
sere neuc Gesetzgcbnng und die dadurch wesent-
lich geänderte Slellung der Kirchcn zur Staals-
gewalt unumgänglich nolhwenoig gewordene
Schulreform dem kirchlichen Regiment und der
Geistlichkeit jede ihrem Amt und ihrer Würde
gebührende Rücksicht trägt. Jn der That ift
der ganze Lärm wegen oer Schulreform nicht
zu begreifen auS Dem, was das Schulgcsetz
seslsetzt und was an dem bisherigen Zustand
mehr formell, als sachlich elwas änderl, wohl
aber aus Dem, was das Gesetz nicht beftimml
und nicht gcwähren kann, wenn oie Schule
fernerhin Sache oes Staats und der Gemein-
den bleiben und nicht Domäne einer kirchtichen
Partei weroen soll."

Sruttgart, 24. Sept. Ueber den Mini-
sterwechsel ersährl oer hwsige „Beobachter", oaß
oer Finanzminifter v. Sigel seine Entlassung
angeboten HLtle, wenn man nichl vor dem 1.
October den Beilrill zum neuen Zollverein er-
kläre. Hr. v. Siget sei nnn zwar entlassen,
aber der Handelsverlrag, hauptsächlich aus An«
dringcn des Staalsralhs von Geßler (der ve-
kannllich gegenwärtig in iVLünchen weill), an-
genommeu.

Gießen, 21. Sept. Die 39. Versammlung
deutscher Ratursorjcher und Aerzle hal heule
Haunover als Orl oer künstigen Versammlung
und die HH. Krause uud Karmarsch als Ge-
schäftsführer erwählt Zur Abslimmung kamen
neben Hannover die Städte Znnsvruck und
Düsseldorf, während außerdem von Akilgliedern
Dresden, Hamburg, Schleswig uno Kiel ge-
nannt wurocn, von deren Wahl man aus
äußern Grüuden der Zweckmäßigteil absah.

(Allg. Z.)

HtZttnover, 22. Sepl. Bei Einweihung oer
Cyrlstuskirche sprach gestern der König: „Vol-
lendel lft nun oas Golteshaus, welches ich dem
Herrn gewciht als Dankopser für alle Segnun-
gen, oie er dem Welsischen Königshause ver-
liehen, seitocm es durch seine gnädige Fügung
wieder seincn dauernden Sitz in seinen alten
Ur- und Stammtanden, seinem Königreiche,
genommen. Zch bille Gott, daß sein gnädiger
Segen ferner und bis zum Ende aller Dinge
das Welsische Königshaus mil seiuem König-
reiche verwoben erhatlen möge, wosnr er in
seiner Gnade vor 3 Zahren durch die Errel-
lung des theuren Kronprinzen uns so jichtlich
ein neues Unterpfand gegeden hal."

(Köln. Ztg.)

MüiicheN, 22. Scxt. Der greije König
Ludwig l. hlit ein Lustsxiel: „Rccepl gcgcn
Schwicgermütler," nnch dem Sxanischen dear-

indem cr bcmerkte: Aile Gebäudc müßten gcsetzlich

beslimmt. Nun fti eS abcr zweifeUoö, daß cin
srequenter Gasthvf nach Zahrcn einrn Rentenwerth
repräftntirc, wcicher mtl der Abschätzungssummc

daher besoiiderö seinc hiesigett Lollrgen aus vie
Nothwendigkeit aufmerksam machen, cine Modifi-
cation dcS VersicherungsweftiiS in Brtreff der Gast-
höse mil allen Aräficn auzustrcben. Bczngiich deS
Anirages, die Namcn derjcnigen Weinhandlnngcn,
welche schlcchi und unrcell bcdienten, bekannt zu
inachcn, kam cs zu kcinem Beschlusse. Nachvem
noch über den Bezug von Gemüscn u. s. w. ge-
sprochcn wac, vcrliest dcr Präfident ein an die
hiefigrn Hoteibefiher grrichtrtrS Schreibcn der her-
zoglichen Polizridircction, JnbaltS dcffen dicftlben
zu Vorschlägen bchnfs Entdeckung von soichen
Schwindlrrn ausgesocdcrt wcrocn, welchk das Fcld
ihrcr Thätigketi in Gasthose vcrlcgcn. Damit schloß
brc Sitzung.

beitet, welcheS hier zur Ailfführnng gebracht
worden ist.

Berlii», 23. Scpt. Hcute fand cine Ber-
handlung gegen den schriftsleller Dr. jur. Gu-
stav Rasch wcgcn Prcßvergchen statt. Lie eine
Anklage ist auf Belcicigung deS Prinzen Fricd-
rich Karl gerichlei. da Rajch sagt, das Artille-
licgcfkcht von Missunde sei ein militärischcr
Fehler gewesen. Dcr Prinz erklärte in einer
Zuschrift an den GerichtShos, daß er nach
Durchiesung des incriminirten Bnchcs „Vom
verrathenen Bruderstainm odcr der Krieg in
Schleswig-Holftein" keine Veranlassnng stnde,
gegen Rasch eine UMersnchung zu deantragen.
Der zweiten Anklage, auf Erregung von Haß
und Verachtung gegen die xrcußische Regierung
gegenübcr, trug der Verfasscr vor, er jei zum
ersten Male in seinem Lcben in diesem Buche
in der Lagc geweje», die xreußijche Regierung
wegen ihres energischen VorgehenS ln der jchles-
wig-holsteinischin Sache zu lobeu; wcnn er dics
Buch heute schriebe, so würde er von der xreu-
ßischeu Regierung ganz anders sprechen müsscn;
im übrigen habe er sich lediglich auf den Stand-
xunkt der historischen um> objcclivcn Beurthci-
lung gestellt. Nach einer längeren Berathnng
verkündele der Gerichtshof das Erkenntniß da-
hin, daß der Angeklagte, Dr. Gustav Rasch,
von beiden Vergchen, dcren er angeschuldigt
sei, sreizusprcchen und die Kosten niederznschla-
gen seien.

Wien, 21. Sext. Bei dc» immer wachjen-
den Finanzverlegenheiten ist der weiterc Ver--
kauf von Staatsgütern in Anspruch genommcn.
Da diese Hilfsqnelle auch bald erschöxft sein
wird, so werden dann späler nur noch die
Kirchengürcr übrig bleiben, die bei der ersten
größern Verlegenheit, wie jie ein Krieg mit stch
sührcn würde, wahrscheinlich schon in Ansxruch
genommen werden müsscn. Es licgt nun cinc
cigenthümliche Jronie bcs SchicksalS darin, daß
cs gerade die clericale Partci mit ihrer italie-
nijchen Politik ist, die am ersten eincn großcn
Krieg, aljo solche Verlegcnheiten, herbeiführen
wird.

K r a n k r e i ch

Paris, 2S. Sext. Die „Patrie" erzählt
SpczielleS über die Audienz, in der der Gras
von Sartiges in Rom Mitlheilung von dem
französtsch-ilalienijchen Vertrag machtc. Der
Paxft sowohl als der Cardinal Anlonelli cr-
klärlcn, daß die Nachricht ste eigenllich nicht
überrasche, oa fic wohl begriffen, daß dic fran-
zösischc Occuxalion nichl ewig dauern könne,
wic dcnn auch der Kaiser Napoleon III. stets
in dcr lohalsten Weise erklärt habc, daß sie
einen wescMlich provisorischen Charaktcr trage.
Der Paxst jügte noch hinzn, daß er im Au-
genblick üder die von Jtalien gegenübcr Frank-
rcich eingegangenen Verpflichlungcn Nichks zu
bemerken habe, aber Zeit zu reiflicher Ucbcr-
legung vcrlangen niüsse, bevor er seine Ansicht
üder die durch deu Vertrag oem Papstthum
geschassene neue Lage kundgeben könne.

E » g l « » d

London, 24. Scpt. Nach Ansicht der her-

(H ungerto-d.) Zn London verhungern alljähr-
lich Hunderte unb Tausenbe, ohne daß ein Hahn
darnach kräht. Nur selten kommt ein solcher Fall
in weileren Kreisen zur Dprache. Der folgende hat
ausnahmöweise ganz besouderes Aufsehen erregt:
Heny Jeffreys war früher Papiersabrikant und
lebte mit seiner Familte in behaglichem Luxus.
Ohne eigene Schnld verarmt, hatte er cine Frau
und vier Kinder zu ernähren. Er versuchte durch
harte Arbeit seincr Familie Brov zu verschaffen,
und wurde von einem süner Söhne wacker unter-
stützt. Dieser erkrankte jedoch, unb ber Vater über-
arbeitete sich jetzl so, daß er bald unsähig zu fer-
nerer Arbeit wurde. Der anoere Sohn arbeitete
in eincni Wollmagazin und verdiente 1 Pf. St.

Kops und'er mußte ins Spital gebracht werden.
Die Töchter arbciteten als Näherinnen und ver-
dienten ungesähr sechs Schilling die Woche. AUzu
anstrengenoe Arbeit, Sorge unb Kummer warfen
eudlich bie Töchter beide auch auss Krankenlagcr.
AUes, was sie hatten, wurde Stück für Stück ver-
kauft, aber es genügte nicht, um Nayrung ru
schaffen. Frau Lucretia Jeffreys starb endltch „aus
Mangel an oen nothweubigftcn Nahrungsmitteln",
wie die Todtenbeschau-Jury sagte. Zn dem Zim-
mer ber unglücklichen Familie fand dte Zury nichts
alS einen leeren Kasten, einen zerbrochenen Stuhl
und rin vom Kirchspiel geliehenes Betl, aus welchem
die zweite Tochter im Sterben lag.
 
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